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Bohrungen in Vulkanregionen
Vorsicht vor aufsteigendem Magma

Bei Erdwärme-Bohrungen in der Nähe von Vulkanen wurden schon mehrfach Magmablasen angestochen - unter anderem auf Island, Hawaii und in Kenia. Passiert ist dabei zum Glück nichts. Doch das Risiko, dass flüssiges Gestein nach oben strömen könnte, sollte ernst genommen werden, warnen Experten.

Von Dagmar Röhrlich | 15.12.2021
Bohrlöcher beim Geothermiekraftwerk Hellisheiði in Island
Bohrlöcher beim Geothermiekraftwerk Hellisheiði in Island (DLF/Sturmberg)
Auf Island passierte es 2009: Bei einer Tiefbohrung in der Caldera des Vulkans Krafla erlebte das Forscherteam eine Überraschung. Als das Bohrloch 2100 Meter tief war, schoss Dampf heraus – und irgendetwas schien nicht zu stimmen. Dreimal versuchte das Team, das seltsame Hindernis zu überwinden. Dann merkten sie, was los war, erklärt Ben Kennedy von der University of Canterbury in Neuseeland: „Beim Bohren kontrollierten die Forscher die Bohrspülung, einen Spezialschlamm, der das Bohrloch stabilisieren und das Abgebohrte ausspülen und an die Oberfläche schaffen soll. Darin entdeckten sie plötzlich winzige Stücke aus schwarzem vulkanischem Glas. Dieser Obsidian war wahrscheinlich wenige Augenblicke zuvor flüssiges Magma gewesen, das beim Kontakt mit dem Schlamm als Glas erstarrt war.“

Warnsignale waren übersehen worden

Das Team hatte also unbeabsichtigt eine Magmatasche angebohrt, erzählt Ben Kennedy. Er gehört zu den internationalen Teams, die seit damals das vulkanische Glas untersuchen. Was ihn beunruhigt: Bei den geophysikalischen Untersuchungen vor Beginn der Bohrungen im Jahr 2009 war nichts Ungewöhnliches aufgefallen, erklärt Kennedys Kollege David Dempsey: „Der Untergrund ist im besten Fall ein Rätsel. Man kann elektromagnetische oder auch seismische Methoden einsetzen, um von der Oberfläche aus einen Blick in den Untergrund zu werfen. Aber damit lassen sich kleine Magmataschen in der Tiefe nicht unbedingt aufspüren. Allerdings haben die Forscher im Fall von Krafla im Nachhinein in den geophysikalischen Daten einige verdächtige Strukturen identifizieren können.“

Diese Warnsignale waren damals übersehen worden. Zum Glück stieg das flüssige Magma seinerzeit nur ein paar Meter weit auf, bevor es in dem zwei Kilometer tiefen Bohrloch erstarrte.

Zum Glück ging der Zwischenfall glimpflich aus

Es passierte nichts Bedrohliches. Allerdings war dieses Magma reich an Silikaten und deshalb sehr zäh. Eine basaltische Gesteinsschmelze wäre sehr viel dünnflüssiger, so dass die Frage ist: Unter welchen Umständen könnte sie an die Oberfläche gelangen?
Passiert ist so etwas bereits, allerdings nicht aus so großen Tiefen: In den 1980er Jahren traf während eines kleinen Ausbruchs Basaltmagma auf eine Gasbohrung, durchschlug sie und schoss nach oben und explodierte. Auch damals kam niemand zu Schaden. Doch wenn künftig zur Energiegewinnung verstärkt die tiefen und sehr heißen Reservoire in der Nähe von Magmakammern anvisiert werden, stellt sich die Frage nach dem Risiko immer häufiger.

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Gefahr durch aufsteigendes Magma

Craig McConnochie, der ebenfalls an der Universität im neuseeländischen Canterbury forscht, versucht das Risiko zu beziffern. „Für unsere Modellrechnungen stellen wir uns eine vertikale, kreisförmige Bohrung vor, durch die Magma aufsteigt. Dabei ist der wohl wichtigste Faktor, wie zäh es ist. Außerdem spielt der Druck unten im Bohrloch eine Rolle. Ist das Magma sehr zäh, bleibt es an den Wänden des Bohrlochs haften und der Druck muss hoch sein, um dagegen anzuschieben. Drittens enthält Magma auch gelöste Gase, die austreten und eine Art Ring um das Magma bilden können. Ein solcher Gasring würde das Magma wiederum schmieren, so dass es viel weiter aufsteigen kann.“

Außerdem spielt eine Rolle, wie schnell sich in einem glühenden Magma Kristalle bilden und wie schnell es abkühlt, ergänzt David Dempsey: „Während das Magma aufsteigt, fließt Wärme in die Umgebung ab. Das ist recht effizient, und je nachdem, ob es sich um ein riesiges oder ein winziges Bohrloch handelt, kühlt es sehr schnell ab. Außerdem steht über dem aufsteigenden Magma eine Säule aus Bohrflüssigkeit, gegen die es andrücken muss. Diese Flüssigkeitssäule ist recht kalt im Vergleich zum Magma, so dass sich darauf eine eine Kruste bildet, die mit der Zeit immer dicker wird und einen immer stärkeren Druck auf das Bohrloch ausübt.“

Das Ziel: Eine Formel, die Bohr-Crews hilft, das Risiko abzuschätzen

Alle diese Faktoren haben die Forscher in Gleichungen eingebaut, die einmal den Bohr-Crews bei der Einschätzung der Situation helfen sollen. Sie sollen letztendlich anhand weniger Messwerte kalkulieren können, wie hoch das Magma aufsteigen kann. Übermäßiger Grund zur Sorge besteht laut David Dempsey nicht:

„Solange man kein sehr dünnflüssiges Magma wie einen Basalt hat oder äußerst ungewöhnliche Bedingungen herrschen, dass das Magma unter sehr hohem Druck steht und deshalb schnell auf steigt, halten wir es für sehr unwahrscheinlich, dass jemals Magma aus zwei Kilometern Tiefe an die Oberfläche steigt. In dieser Hinsicht scheint alles ziemlich sicher zu sein. Allerdings muss man noch anderes bedenken. Zum Beispiel dass das Magma beim Aufstieg Gase freisetzen kann, die für alle in der Nähe des Bohrlochs gefährlich werden können, wenn die Bohrmannschaft nicht richtig reagiert.“

Außerdem haben sich die Forscher bislang nur mit fließendem Magma beschäftigt. Ein sehr gasreiches Magma tendiert dazu zu explodieren. Und die Risikobetrachtung dafür, wollen Forscher im nächsten Schritt angehen.