Donnerstag, 18. April 2024

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Bundesbauministerin Geywitz
„Milliarden für sozialen Wohnungsbau, nicht für die Immobilienwirtschaft“

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat die Kürzungen bei der Neubauförderung verteidigt: Sie wolle stattdessen den sozialen Wohnungsbau fördern. Die geplante Umstellung der Heizungssysteme werde sozialverträglich gestaltet, sagt Geywitz.

Klara Geywitz im Gespräch mit Panajotis Gavrilis | 19.03.2023
Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, blickt bei einer Pressekonferenz in die Kamera.
Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, kritisiert die frühere Praxis der Neubauförderung als Steuergeldverschwendung. (IMAGO / Jens Schicke)
Der Neubau von Wohnungen ist in letzter Zeit wegen der stark gestiegenen Kosten deutlich zurückgegangen. Trotzdem will Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die Neubauförderung kürzen. Die bisherige Praxis kritisiert sie als Steuergeldverschwendung. „Das, was in der Vergangenheit passiert ist, war ein allgemeiner Baukostenzuschuss. Warum sollten wir das Steuergeld nehmen, um Menschen, die für ihre Altersvorsorge sich ihre vierte oder fünfte Wohnung besorgen, dabei noch einen Zuschuss zu geben?", so die Ministerin.

Sozialen Wohnungsbau fördern

Stattdessen will Geywitz den sozialen Wohnungsbau weiter fördern, Azubi- und Studentenwohnungen sowie junge Familien mit einem geringen Einkommen, die preiswerte Immobilienkredite bekommen sollen. „Milliarden für die Immobilienfinanzierung ja, auf jeden Fall. Aber nicht Milliarden für die Immobilienwirtschaft, sondern für den sozialen Wohnungsbau“, sagt die SPD-Politikerin.
Geywitz verteidigt auch die Pläne, dass ab 2024 neue Heizungen mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen. „Wir können diese Heizungsumstellung nicht auf ewig vor uns hinschieben“, sagt die Ministerin. Ihr Ziel sei es, „dass es ökonomisch sinnvoll ist, sozial ausgewogen ist, niemanden überfordert, aber auch die notwendige ökologische Umsteuerung mit sich bringt.“

Mieterinnen und Mieter werden geschützt

Im aktuellen Entwurf seien Mieterschutzregelungen vorgesehen, betont die Ministerin und verspricht, dass es „für jeden eine sozialverträgliche Option gibt und niemand dasitzt und keine Heizung hat. Wir werden das natürlich mit Fördermitteln begleiten.“ Eine konkrete Summe nennt Geywitz nicht, sondern verweist auf die laufenden Verhandlungen: „Hier werden wir natürlich auch sehen müssen, zusammen mit Christian Lindner, was der Haushalt hergibt.“

Das Interview im Wortlaut:

Panajotis Gavrilis: Frau Geywitz, in den vergangenen Wochen war energiepolitisch vor allem ein Thema zentral: Ihre Heizungspläne und die des Wirtschaftsministers, Robert Habeck. Ab dem nächsten Jahr sollen neue Heizungen nur noch dann eingebaut werden, wenn sie mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Aufschrei ist groß. Bleibt es bei der 65-Prozent-Vorgabe, dem faktischen Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen?

Klara Geywitz: Also, das wäre das Verbot von reinen Öl- und Gasheizungen und der Einstieg in ein Umstellen unserer Heizungsflotte, der sehr, sehr viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Aber wenn man sich vorstellt, 2045 wollen wir klimaneutral sein, müssen wir klimaneutral sein, und eine neue Heizung, die hält mal locker eben 20 Jahre, dann brauchen natürlich die Hausbesitzer eine Planungssicherheit. Aber auch die Hersteller brauchen eine Planungssicherheit. Und wenn wir zurückschauen ins letzte Jahr, wir hatten Riesengasprobleme, Explosion des Gaspreises, es war überhaupt nicht klar, ob wir genug Gas haben für alle, die welches brauchen, und trotzdem wurde 600.000 neue Gasheizungen in Deutschland eingebaut.
Das zeigt, dass wir natürlich jetzt einen Bedarf haben ein Gesetz zu machen. Mein Ziel ist, dass es ökonomisch sinnvoll ist, dass es sozial ausgewogen ist, niemanden überfordert, aber natürlich auch die notwendige ökologische Umsteuerung mit sich bringt.

Robert Habeck reißt keine Heizungen raus

Gavrilis: Sie sagen, Planungssicherheit. Was raten Sie denn, um es mal konkret zu machen, einem Rentnerehepaar, das gerade erst für eine Gasheizung – eine neue Gasheizung – 10.000 Euro ausgegeben hat?

Geywitz: Es ist ja nicht so, dass ab dem 1. Januar irgendjemand in den Keller kommt – wie jetzt die 'Heute Show' gezeigt hat – und dann kommt Robert Habeck und reißt die neue Heizung raus, sondern es geht vor allen Dingen erstmal um die Frage …

Gavrilis: Oder Sie.

Geywitz: Ja, ich mache das auch nicht. Es geht um die Frage, was jetzt bei Neuanschaffungen gemacht wird. Weil, das ist ja eine wichtige Investition. Das ältere Ehepaar, das eine Gasheizung hat, wird die natürlich so lange auch weiterbenutzten können, bis die Gasheizung irgendwann einmal nicht mehr funktioniert. Aber es ist natürlich nicht sinnvoll, dass wir immer, immer weiter Gasheizungen bauen. Weil es auch für die Menschen natürlich klar sein muss, wenn wir die CO2-Bepreisung haben, dann ist es ja nicht mehr so, dass irgendwann die Gasheizung die billigste Heizung ist, sondern dann habe wir natürlich aufgrund mindestens der CO2-Bepreisung, aber auch des generellen Anstieges des Gaspreises, dann im Zweifelsfall eine sehr teure Lösung neu verbaut.
Und das ist nicht sinnvoll, auch nicht für Hausbesitzer. Und natürlich werden wir das nur schaffen – und das ist sozusagen das Zwillingskind zur Heizungsgesetzgebung –, wenn wir eine kommunale Wärmeplanung haben. Wir haben jetzt sehr viel Wärme, die wir überhaupt nicht nutzen: Abwärme. Wir haben Abwasserwärmekanäle, wo man mit großen Wärmepumpen die Wärme nutzen kann. Wir haben Rechenzentren, die einfach so ihre Wärme dann in die Umgebung abgeben. Das sind alles noch schlummernde Potenziale, die wir heben können und müssen, wenn wir CO2-sparend heizen wollen. Weil, der Heizungsbereich ist im Gebäudebereich einer der großen Brocken, was unsere CO2-Bilanz anbelangt.

Mieterschutzregelungen im Gesetzesentwurf

Gavrilis: Die Verunsicherung ist groß. Hausbesitzer, aber auch Mieterinnen und Mieter, die wissen nicht so richtig, was auf Sie zukommt. Wir wissen: Nach Abschluss von Modernisierungsarbeiten dürfen Vermieterinnen und Vermieter die Miete begrenzt erhöhen. Wie wollen Sie denn konkret verhindern, dass Mieterinnen und Mieter aus Klimaschutzgründen die Miete dann nicht mehr zahlen können, weil eben die Heizung ausgetauscht wurde?

Geywitz: Also, ich bin jetzt in einer ein bisschen doofen Situation, weil, der Gesetzentwurf ist ja noch in der Regierungsabstimmung. Eine sehr frühe Form wurde dann an die Zeitungen gegeben. Aber wir haben – so viel kann ich, glaube ich, auch verraten – natürlich Mieterschutzregelungen vorgesehen, damit es nicht auch zu ökonomisch sinnlosen Investitionen kommt. Dass man zum Beispiel in ein nicht geheiztes Haus eine Wärmepumpe einbaut und man hat dann wahnsinnige Nebenkosten für die Mieter. Das wird nicht passieren, das ist im Gesetzesentwurf jetzt schon beinhaltet.
Und dieser Gesetzentwurf geht jetzt in die Regierungsabstimmung. Dann wird er mit den Verbänden, mit den Ländern besprochen, dann wird er sicherlich nochmal überarbeitet und geht dann in den Bundestag und da kommen dann natürlich auch nochmal die Bundestagsabgeordneten mit ihrem Feedback aus ihren Wahlkreisen. Und mein Ziel ist, dass wir am Ende des Tages einen Einstig haben, der sozialverträglich ist, aber vor allen Dingen Planungssicherheit schafft, damit halt alle, die ein Haus haben und die jetzt überlegen, wie sie in drei, vier Jahren ihre Heizung umbauen, auch wissen, was sie dann machen können.

Gavrilis: Das muss aber ganz schnell gehen, weil, das soll ja ab dem nächsten Jahr greifen. Das Problem, aus Ihrer Sicht, ist vielleicht, es gibt einen Koalitionspartner, der sagt – nämlich die FDP –, das, was da in dem Entwurf drinsteht, das geht weit über das Vereinbarte hinaus. Wie lösen Sie den Streit?

Geywitz: Ich bin da sehr zuversichtlich. Das, was der FDP wichtig ist, ist auch mir wichtig, nämlich eine Technologieoffenheit. Es gibt ja eine große Präferenz, insbesondere der Grünen, dass man überall, wo es geht, eine Wärmepumpe einbaut. Ich sage, Häuser sind keine Autos – da hat man ja die Frage, „all electric“, ja, jetzt auch gerade ganz aktuell –, sondern wir werden auch Häuser brauchen, die man mit was anderem als einer Wärmepumpe beheizt, und die brauchen auch eine Technologie.
Und demzufolge haben wir uns in der Abstimmung auch mit dem Wirtschaftsministerium schon sehr früh darauf verständigt, dass wir zum Beispiel auch grüne Gase zulassen, dass wir im Bestand auch zulassen Biomasseanlagen und natürlich auch die Dekarbonisierung von Fernwärme mit einrechnen. Das heißt, wer jetzt einen Fernwärmeanschluss hat, der hat erstmal gar keinen Veränderungsbedarf. Und da treffen wir uns auch mit der FDP. Wir werden jetzt sicherlich nochmal Details besprechen, aber ich sehe uns nicht so weit auseinander, dass wir das nicht in wenigen Wochen hinkriegen.

"Hausaufgaben im Gebäudebereich auf Note 3"

Gavrilis: Darf ich fragen, wie Sie heizen?
Geywitz: Wir sind noch mit einer Gasheizung versehen und wir haben noch dazu ein denkmalgeschützes Haus. Und mein Mann führt genau diese praktische Debatte, immer wenn er mich erwischt: Wie denn das alles gehen soll.

Gavrilis: Haben Sie denn schon Handwerker gefunden, die Ihnen dann diese Gasheizung irgendwann austauschen? Das ist ja die große Frage: Wer soll denn die neuen Heizungen einbauen? Denn in sanierungsrelevanten Bereichen, da fehlen laut IG Metall bereits heute bis zu 190.000 Beschäftigte.

Geywitz: Ja, ich habe noch die große Herausforderung, dass bei uns der Fußboden unter Denkmalschutz steht, also wir ihn noch nicht mal aufnehmen können. Aber ich war am kommenden Montag in Frankfurt bei der großen Leitmesse weltweit, zum Heizen und Sanitär, und die Branche ist im Aufbruch. Wir hatten zwei große Wärmepumpengipfel mit dem Wirtschaftsministerium zusammen, wo die Branche auch selber nochmal sich committet hat und gesagt hat, 500.000 Wärmepumpen halten sie für machbar, wo wir auch eine Ausbildungsinitiative verabredet haben.
Und die Botschaft in Frankfurt von dieser Leitmesse war, die Branche ist unterwegs auch zu einem erstaunlichen Prozentsatz mit Wasserstoff als Technologie fürs Heizen, was ja immer heftig diskutiert wird, ob das wohl eine Option wäre oder nicht. Und ganz ehrlich, ich kann jeden verstehen der sagt, das ist jetzt aber sehr viel, sehr schnell. Aber nochmal: Wenn wir ’45 klimaneutral sein wollen, Heizungen 20 Jahren halten, dann könnte ich jetzt natürlich sagen, das war jetzt die Schuld der Vor- oder Vorgängerregierung, dass sie nicht schon mal 2012 angefangen hat, eine kommunale Wärmeplanung mit einer Dekarbonisierungsstrategie zu machen.
Bloß, das nützt ja jetzt weder dem Hausbesitzer noch dem Heizungshersteller etwas, wenn ich sage, das wurde vor zehn Jahren verschlafen. Wichtig ist doch, es jetzt nicht zu tun oder zu sagen, okay, wir machen das jetzt zum Jahr 2030. Das würde erstens ganz viele verlorene Investitionen mit sich bringen, ich glaube, das wäre auch ein Standortnachteil für die deutsche Heizungsindustrie und natürlich würde dann der Klimapfad immer steiler, den wir machen müssten und die Projektierung immer unrealistischer. Ich meine, wir hatten vor ein paar Tagen die Vorstellung des UBA-Gutachtens, der Wärmesektor …
Gavrilis: Des Umweltbundesamtes.

Geywitz: Genau. Also, da wurde gesagt, die Hausaufgaben im Gebäudebereich sind, na ja, sagen wir mal, auf Note 3 erfüllt. Die geben sich viel Mühe, aber es reicht noch nicht.

Bei Heizungsumstellung sozialverträgliche Option geplant

Gavrilis: Na ja, ich würde eher sagen, die Klimaziele wurden erneut verfehlt. Das ist das, was das Umweltbundesamt gesagt hat, zusammen mit dem Verkehrssektor.

Geywitz: Ja, aber das hat auch mich sehr gefreut, dass der Chef des Umweltbundesamtes auch deutlich gesagt hat, dass im Bauministerium hart daran gearbeitet wird, die Klimaziele zu erreichen. Und das heißt, wir können jetzt diese Heizungsumstellung, weil das einer der Kernkomponenten ist, der CO2 verbraucht, können wir nicht auf ewig vor uns hinschieben. Wir werden das so machen, dass es für jeden eine sozialverträgliche Option gibt und niemand dann dasitzt und keine Heizung hat.
Und wir werden das natürlich begleiten mit Fördermitteln. Und hier werden wir natürlich auch sehen müssen, zusammen mit Christian Lindner, was der Haushalt hergibt. Und wir werden jetzt nicht eine Situation schaffen, wo jemand, weil er sich die neue Heizung nicht leisten kann, sein Haus verkaufen muss. Aber wir müssen anfangen, diesen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess miteinander zu gehen. Weil, wenn weiter jedes Jahr 500.000, 600.000 Gasheizungen verbraucht werden, weil dass die Technik ist, an die wir uns alle gewöhnt haben, dann werden wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichen.
Und für die Hausbesitzer ist das auch schlecht, weil die natürlich dann unter Umständen in zehn, 15 Jahren mit Gaspreisen konfrontiert sind, wo sie sich dann entscheiden, die Heizung auszutauschen, obwohl sie eigentlich noch gehen würde. Also, insofern ist das sehr vernünftig, auch wenn es momentan natürlich für viele erstmal eine Zumutung ist.

Harter Eingriff in Eigentumsrechte

Gavrilis: Frau Geywitz, ich würde noch einen Punkt ansprechen. Das EU-Parlament hat in dieser Woche für strengere Anforderungen gestimmt, also innerhalb von zehn Jahren sollen dann alle Gebäude eine mittlere Effizienzklasse beim Energieverbrauch erreichen, Neubauten dürften dann ab 2028 kein CO2 mehr ausstoßen. Das ist so in etwa das Pendant zum Verbrenner-Aus für PKW. Unterstützen Sie diese Pläne, die ja letztendlich eine Art Sanierungspflicht per Gesetz wären?

Geywitz: Das kann man jetzt beklagen oder nicht, aber das finde ich immer eine sehr gute Sache zu sagen, ich mache nicht „Wünsch-Dir-was“, sondern ich gucke, was realistisch ist. Wenn man die Pläne umsetzen wollen würde, müsste man diese Sanierungsquote in Deutschland um 100 bis 150 Prozent steigern. Das ist nicht besonders realistisch, wenn man sieht, dass wir gleichzeitig auch zum Beispiel einen Rieseninvestitionsstau bei der Bahn haben, einen Rieseninvestitionsstau bei Brücken und Autobahnen und natürlich für die Energiewende, den Ausbau der Stromnetze, den Ausbau von Windrädern ja auch Baukapazitäten brauchen.
Das ist das eine. Das andere ist, ich persönlich halte das auch mit dem Grundgesetz nicht für vereinbar, dass man per Gesetz einen Sanierungszwang macht. Weil das ist ein absolut harter Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer darstellt und aus meiner Sicht auch unverhältnismäßig ist. Ich meine, wenn wir jetzt über sehr viel staatliches Geld für die Sanierung und die Verbesserung des Gebäudebestandes reden, würde ich sagen, gut, dann sanieren wir erstmal alle Schulen, alle Schwimmhallen, alle Sporthallen, alle Rathäuser, alle Pflegeeinrichtungen auf ein wunderbares Niveau und dann haben wir auch schon extrem viel CO2 gespart. Weil ich glaube, dass wir natürlich die Menschen mitnehmen müssen.
Bei der Heizungstechnologie sage ich, es ist auch im Interesse des Hausbesitzers, dass wir ihn jetzt nicht einfach in so eine Technologiefalle laufen lassen und er sich im Jahr 2027 noch eine Gasheizung einbaut. Aber wir können natürlich auch nicht, gerade in Bereichen, wo die Wertsteigerung der Häuser nicht da ist, sondern die Leute einfach in ihnen wohnen und kein Geld haben um sie zu sanieren, per Ordnungsrecht sagen, du investierst jetzt bitte 100.000 Euro, die du nicht hast, in dein Haus, was vielleicht einen Wert hat von 80.000.

Gaspreise bremsen Bauprojekte

Gavrilis: Sprechen wir übers Bauen: Baupreise, Baukosten und Mieten steigen, Bauland ist teuer. Sie sind mit dem Ziel angetreten, für 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu sorgen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Das Ziel werden Sie zumindest für 2022 und dieses Jahr, 2023, nicht erreichen, das haben Sie selbst gesagt. Warum sollte es dann 2024 klappen?
Geywitz: Also, wir sind in einer Ausnahmesituation. Wir haben einen Zinssprung gesehen, der ist von so einem Sprung gewesen, dass er wirklich historisch seines Gleichen sucht. Das Zweite ist, wir hatten aufgrund der Gaspreisentwicklung natürlich auch bei den Materialien eine Baukostensteigerung, die war so hoch, dass man teilweise die Projekte nicht mehr kalkulieren konnte. Wenn Sie sich vorstellen, viele Bauprodukte werden mit Gas hergestellt, und der Gaspreis ist explodiert, dass Bauherren einfach gesagt haben, es ist ein absolut unsicherer Markt und ich lege jetzt erstmal eine Pause ein.
Dazu kam natürlich, gerade im privaten Bereich, wenn sie die furchtbaren Bilder sehen, des Krieges in der Ukraine, der natürlich auch viele Menschen verunsichert, war das eine Situation, wo viele im letzten Jahr gesagt haben: Sie warten jetzt erstmal ab, bevor sie die größte Investition in ihrem Leben stemmen, wie sich die Situation entwickelt. Dafür habe ich ganz starkes Verständnis. Und mein Ziel ist, dass wir jetzt durch diese schwierige Phase kommen, indem wir eine Nachfragestützung machen, auch für die Baukonjunktur, durch einen absoluten Push des sozialen Wohnungsbaus.
Wir geben jetzt eine Rekordsumme aus. Wir haben nochmal extra ein Programm gestartet, 500 Millionen Euro für Azubi-Wohnungen und für Studentenwohnungen. Und ich sehe mit Freude, dass viele Bundesländer jetzt auch ihre eigenen Fördersätze für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen. Weil, das war über Jahrzehnte eine gute Tradition in Deutschland. Wir hatten mal drei Millionen Sozialwohnungen und wir sind jetzt runter auf eine Million. Und das merken natürlich ganz viele, die auf eine preiswerte Wohnung angewiesen sind.

Nicht mit der Gießkanne subventionieren

Gavrilis: Jetzt gibt es aber ein Bündnis aus Mieterbund und Baugewerkschaft und Sozial- und Bauverbänden, die sagen, 700.000 Wohnungen fehlen und sie fordern nicht weniger als ein, ja, Sondervermögen von 50 Milliarden Euro und sagen auch, die 14,5 Milliarden Euro, die sie für den sozialen Wohnungsbau ausgeben, das reicht nicht.
Geywitz: Das sind ja nur die Mittel, die der Bund ausgibt. Dazu kommen natürlich auch noch die vielen Milliarden aus den Ländern. Und das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, die wir jetzt überall sehen, dass die Länder wieder einsteigen in ihre Investitionen in den sozialen Wohnungsbau.
Und das Zweite ist natürlich: Sie müssen da sehr genau auch vorgehen und nicht mit der Gießkanne fördern, weil, ansonsten kommt es natürlich dazu, dass die Preise einfach nach oben gehen. Da zahlt dann aber auch jeder Bauherr die Zeche. Demzufolge ist die Förderung im Wohnungsbereich immer sehr sensibel zu steuern, damit das sozusagen keine Mitnahmeeffekte gibt und in die Preisbildung einkalkuliert wird.
Gavrilis: Jetzt gibt es aber die Bau- und Immobilienbranche, die sagt, wenn wir beim Thema Neubauförderung sind – das sind knapp über 1,1 Milliarden Euro, die Sie zur Verfügung stellen, das war früher wesentlich mehr, im zweistelligen Bereich – und jetzt sagt eben die Bau- und Immobilienbranche, das ist zu wenig und es gibt zu hohe Standards, vor allem Klimaschutzstandards. Warum gibt es da nicht mehr Geld, um eben den Neubau auch anzukurbeln, weil eben, und das zeigen auch die Daten, immer weniger Private, vor allem, bauen?

Geywitz: Die Privaten bauen nicht, weil sie individuell jetzt erstens die Situation abwarten, dass sie sich beruhigt – preislich und natürlich auch von der Situation in Europa. Und das Zweite ist, dass die häufig ein Kalkulationsproblem haben, aufgrund der gestiegenen Bauzinsen. Da werden wir ab Sommer ein Programm starten, das Familien einen preiswerten Kredit für Immobilien gibt, damit sie genau dieses Zinsproblem klären können. Das, was in der Vergangenheit passiert ist, war ein allgemeiner Baukostenzuschuss. Das heißt, sie haben Geld des Staates bekommen und zwar nicht eine Zinsreduktion, sondern tatsächlich einen Zuschuss.

Keine Viert- oder Fünftwohnung für die Altersvorsorge fördern

Gavrilis: Aber das braucht man doch? Und jetzt setzen Sie auf Kredite.
Geywitz: Na ja. Also, ehrlich gesagt, wenn Sie ein Penthouse bauen für Ihre Altersvorsorge und dann …

Gavrilis: Es muss ja nicht immer gleich ein Penthouse sein, man könnte ja auch sagen, es ist einfach ein ganz normales Einfamilienhaus.

Geywitz: Okay, lassen Sie mich das doch mal erklären.
Gavrilis: Gerne.

Geywitz: Die alte BEG-Förderung hat der Staat gezahlt für Wohngebäude und nicht Wohngebäude, Garage oder Wohnung. Er hat es gezahlt, egal ob die Wohnung klein war oder groß, da gab es den gleichen Zuschuss. Und er hat ihnen den Zuschuss gegeben, egal, ob sie so nett waren, anschließend den Zuschuss des Staates an die Mieter weiterzureichen und eine preiswerte Miete anzusetzen oder aber sich ein Penthouse in der Berliner Innenstadt zu kaufen und dann 18,50 Euro Miete zu nehmen.
Und da frage ich Sie, warum sollten wir das Steuergeld nehmen, um Menschen, die für ihre Altersvorsorge sich ihre vierte oder fünfte Wohnung besorgen und dazu noch einen Zuschuss geben. Das andere ist, wir haben uns die Zahlen angeguckt, im Januar letzten Jahres sind teilweise pro Tag eine Milliarde dieser Förderung rausgegangen, weil man sie auch für alles gekriegt hat. Und damit haben wir über 300.000 Wohneinheiten in Deutschland subventioniert – 300.000. Das ist mehr als die Baukapazität, die Fertigstellung, im Jahr 2021. Und das in einer Zeit, wo wir eine extrem hohe Auslastung der Bauwirtschaft hatten.
Und in diesen Markt pumpen sie dann nochmal zehn  Milliarden, dann wundern sie sich anschließend, wenn die Gebäudepreise hochgehen und die Baustoffpreise hochgehen und der Handwerker ihnen eine Rechnung schickt, wo sie denken, dass sie die Handwerksfirma ja nicht kaufen wollten. Und deswegen ist es nicht so einfach zu sagen: ‚Gibst du viel Geld, kriegst du viel Wohnung‘. Sondern wenn sie das in diesem Bereich machen, kann auch eine zusätzlich staatliche Finanzierung dazu führen, dass es teurer wird.
Wir machen jetzt eine spezifische Förderung für den sozialen Wohnungsbau in Milliardenhöhe, Rekordsummen, damit die nicht wieder in der Zahl sinken, sondern wieder steigen. Wir machen eine Förderung für Azubi-Wohnungen und Studentenwohnungen. Wir unterstützen junge Familien mit einem geringen Einkommen dadurch, dass die preiswerte Immobilienkredite bekommen. Und wenn ein Investor – egal welcher Natur – sagt, ich will ein besonders ökologisch anspruchsvolles Haus bauen, dann kriegt er dafür auch noch mal eine Unterstützung, weil das tatsächliche Mehrkosten in der Bauphase mit sich bringt.

Diskussion um Erweiterung des Kanzleramtes

Gavrilis: Frau Geywitz, ich würde gerne noch auf einen Punkt kommen. Der ist insofern aktuell, als Bundesfinanzminister Christian Lindner, der hat Kritik geäußert an dem begonnenen Erweiterungsbau des Kanzleramtes – man kann es hier von unserem Studio so ein bisschen erkennen, dass da die ersten Bäume schon gefällt wurden. Lindner hat gesagt: „Ich glaube,“ – ich zitiere ihn – „dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten, ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist.“ Teilen Sie seine Ansicht?

Geywitz: Im Fall des Baus des Bundeskanzleramts haben wir jetzt natürlich die Situation, dass die Baufeldfreimachung da ist. Wir sind am Ende eines mehrjährigen Planungsprozesses. Und wenn sie ein Gebäude planen, mit 770 Millionen Kosten, können sie davon ausgehen, dass in der Planungsphase locker ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag plus Vergabe der vorbereitenden Ausgaben schon getätigt wurde.
Das heißt, die Wirtschaftlichkeitsberechnung muss jetzt so positiv sein, dass man die verlorenen Investitionen mit einspart. So, und dann ist die Frage Homeoffice. Da ist ja so, Mitarbeiter im Kanzleramt unterstehen ja der absolut höchsten Sicherheitsstufe. Das heißt, ich gehe mal davon aus, dass die ihr Homeoffice nicht im örtlichen WLAN betreiben können, mit ihrem Fritz-Router, sondern die brauchen alle, wenn sie zu Hause arbeiten eine absolut sichere Standleitung. Wenn sie das mit ein paar hundert Mitarbeitern mal machen, kann ich mir vorstellen, dass da auch eine extrem hohe Summe zur Verfügung kommt. Und natürlich können die ihre Akten nicht am Montagabend mit in die S-Bahn nehmen und damit gemütlich nach Blankenfelde fahren und es da ins Wohnzimmer legen und nachlesen.
So, das klingt immer alles so super. Deswegen warne ich davor zusagen, das sparen wir jetzt ein, wenn wir den Bau nicht machen. Weil, das, was auf jeden Fall passiert, wenn man in der jetzigen Situation sagt, wir stoppen das – egal was – und wir planen das nochmal um, dauert das mindestens zwei bis drei Jahre.
Gavrilis: Aber man könnte Geld sparen, was man anders investieren könnte?

Geywitz: Ja. Und in diesen zwei bis drei Jahren, die Sie für die Umplanung brauchen, haben Sie aber gleichzeitig wieder so eine Baukostensteigerung, dass Sie dann am Ende des Tages vielleicht etwas Kleineres bauen, was genauso teuer wäre, wie etwas Größeres drei Jahre davor.

Gavrilis: Ich muss abkürzen. Der Neubau oder der Erweiterungsbau ist nicht entbehrlich, so wie es Herr Lindner sagt?

Geywitz: Wichtig ist, dass die öffentliche Hand bei ihren Investitionen immer dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegt. Das heißt, dass wenn jemand jetzt feststellt, eine andere Lösung wäre vermutlich preiswerter, dass man das neu kalkulieren muss. Und da muss man dann natürlich die schon getätigten Vorinvestitionen mit einberechnen, sodass mir ein wenig die Fantasie fehlt, dass eine andere Lösung jetzt preiswerter wäre als die, die man vor vielen Jahren als die wirtschaftlichste berechnet hat.

Mietpreisbremse: Justizminister hat andere Prioritäten

Gavrilis: Ich würde zum Schluss noch zu einem nicht ganz unwichtigen Punkt kommen, nämlich Mieten. Die SPD versteht sich selbst als Partei der Mieterinnen und Mieter. Jetzt muss man sagen, in dieser Regierung passiert in Sachen Mieterschutz eigentlich relativ wenig. Die Bundesregierung zögert, bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben umzusetzen, darunter die Absenkung der Kappungsgrenze, um in angespannten Märkten die Mieten zu begrenzen oder auch eben die Verlängerung der Mietpreisbremse oder auch die Wohngemeinnützigkeit. Das soll alles kommen, aber wo bleibt es?
Geywitz: Bei der Wohngemeinnützigkeit, das ist ja in meinem Ministerium in der Verantwortung, da sind wir gerade intensiv dabei, die konzeptionellen Arbeiten voranzubringen. Wir hatten auch mit Verbänden, mit Interessierten, mehrere Workshops zu den einzelnen Punkten. Also, wie ist die steuerliche Ausgestaltung, was verstehen wir überhaupt unter Wohngemeinnützigkeit, wie hoch dürfen die Mieten dann sein, was braucht man auch für ein Fördersetting, damit das zum Beispiel für Kommunen attraktiv ist, dann diese Gemeinnützigkeit auch anzubieten.
Wir haben auch sehr intensiv gesprochen jetzt mit den Verbänden in der Wohnungswirtschaft, wo nicht alle hellauf begeistert sind, um auch zu zeigen, dass das jetzt eine zusätzliche Möglichkeit ist und keine Gefährdung der jetzigen Strukturen. Sondern wirklich auch für Investoren, die insbesondere bei den ESG-Kriterien nach einer guten Anlagemöglichkeit für das S-Kriterium suchen, sehe ich eine große Attraktivität, und da sind wir auch in guten Gesprächen mit dem Finanzministerium und wollen das jetzt auch im Frühjahr jetzt vorstellen im Deutschen Bundestag, sowohl im Bauausschuss, aber auch im Finanzausschuss. Bei den mietrechtlichen Fragen ist es so, Sie haben ja gesagt, die SPD ist die Partei für die Mieterinnen und Mieter…
Gavrilis: Sie versteht sich so, ja.
Geywitz: Es ist allerdings so, dass die FDP, die ja in dieser Frage die Zuständige im Ressort von Herrn Buschmann ist, sich offenbar weniger als die Partei der Mieterinnen und Mieter versteht. Jedenfalls hat sie da eine andere Priorität. Ich sage das schon seit Anbeginn, dass es zwar jetzt nicht so besonders komplizierte Gesetzesvorhaben sind und ich sehr frustriert bin, dass es so lange dauert.
Allerdings ist es so, das federführende Ressort in der Bundesregierung legt in eigener Verantwortung fest, welche Gesetze sie als erste und dann anschließend bearbeiten, und demzufolge müssten sie da natürlich Marco Buschmann fragen, der an dieser Stelle eine andere Priorität hat als Klara Geywitz. Das wissen wir beide auch voneinander. Und immer wenn ich ihn sehe, erinnere ich ihn daran. Aber er hat andere Gesetzesvorhaben, die er jetzt erst mal prioritär bearbeitet.

Bezahlbarer Wohnraum für ausländische Fachkräfte

Gavrilis: Deutschland braucht Fachkräfte – und das noch abschließend – vor allem aus dem Ausland. Was sagen Sie konkret, sagen wir, einer Erzieherin aus Portugal, die hier Sprachkurse besucht und eine Wohnung sucht, in Berlin, Potsdam, in Köln, wo auch immer, und sagt, ich kann mir einfach nichts leisten, denn für zwei Zimmer 1000 Euro kalt auszugeben, das geht einfach nicht?
Geywitz: Der würde ich sagen, Deutschland ist ein sehr heterogenes Land. Es gibt 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen, es gibt einen Fachkräftemangel, zum Beispiel auch in Thüringen, in Sachsen, in Gegenden, wo wir sehr, sehr niedrige Mieten haben. Das ist das eine. Und das andere ist…
Gavrilis: Soll sie da hin?

Geywitz: Das wäre auch eine supergute Idee. Das ist ganz, ganz deutlich, dass wir natürlich gerade in den Ostländern in einen massiven Fachkräftemangel reinrutschen und natürlich jetzt viele auch die Attraktivität des Landlebens auch nach Corona wiederentdecken. Und das wird unserem Land guttun, wenn wir uns nicht nur auf die Ballungszentren konzentrieren.
Und das andere ist, dass wir wieder sozialen Wohnungsbau brauchen, damit die Förderung des Staates bei den Leuten ankommt, die tatsächlich eine preiswerte Wohnung brauchen. In Hamburg, zum Beispiel, sind 50 Prozent der Bevölkerung wohnberechtigungsschein-berechtigt. Und demzufolge ist das mein Petitum: Milliarden für die Immobilienfinanzierung, ja, auf jeden Fall, aber nicht Milliarden für die Immobilienwirtschaft, sondern für den sozialen Wohnungsbau.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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