Mittwoch, 01. Mai 2024

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Karin Prien zum CDU-Vorsitz
„Merz ist der richtige Mann zur richtigen Zeit“

Sie stehe hundertprozentig hinter Friedrich Merz, hatte Karin Prien vor dessen Wahl zum CDU-Parteichef betont. Er sei als Typ für viele Konservative eine Projektionsfläche, aber nicht der „konservative Knochen“, zu dem er öffentlich gemacht werde, sagte die als liberal geltende CDU-Politikerin Karin Prien im Dlf. Sie selbst wurde zu einer von fünf Partei-Vize gewählt.

Karin Prien im Gespräch mit Philipp May | 22.01.2022
Friedrich Merz, Kandidat für das Amt des CDU Bundesvorsitzenden, kommt zum Bundesparteitag der CDU am Konrad-Adenauer-Haus an. Beim 34. Parteitag der CDU soll Merz als neuer Bundesvorsitzender und Nachfolger von Laschet gewählt werden.
Sie stehe 100 prozent hinter Friedrich Merz, sagte die CDU-Politikerin Karin Prien im Dlf. (dpa / Michael Kappeler)
Die CDU-Delegierten stimmten bei einem digitalen Parteitag über ihren neuen Vorsitzenden und den gesamten Bundesvorstand ab. Merz wurde mit großer Mehrheit gewählt, rund 95 Prozent der Wahlberechtigten stimmten für ihn. Die Wahl des früheren Fraktionsvorsitzenden als Parteichef galt als sicher, nachdem sich in einer Mitgliederbefragung im Dezember mehr als 62 Prozent für ihn ausgesprochen hatten.
Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und Stimme des liberalen Teils der CDU, Karin Prien, bekannte sich im Deutschlandfunk kurz vor dessen Wahl zum designierten Parteichef. Merz sei der Mann, der die CDU führen solle. Er rede Klartext und erfülle damit ein Bedürfnis der MItglieder. Über neue Konzepte und das neue Grundsatzprogramm der Partei werde man miteinander ringen, auch mit den verschiedenen Organisationen und Flügeln innerhalb der Partei. Sie selbst werde sich beispielsweise für eine Frauenquote in der CDU einsetzen, so Prien. Einen Rechtsruck sehe sie nicht bevorstehen.

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Sie erwarte zugleich auch nicht, dass ein Vorsitzender Friedrich Merz ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen einleite. Der Landesverband Thüringen und auch der CDU-Bundesvorstand hätten sich von dessen verschwörungstheoretischen und antisemitischen Positionen distanziert, das sei der richtige Weg. Darüber hinaus sei Maaßen eine Randfigur, mit dem sich die Partei nicht zu viel beschäftigen sollte, betonte Prien. Anfang Januar hatte sie noch ein Parteiausschussverfahren gefordert.
Prien wurde zu einer von fünf Stellvertreterinnen im CDU-Vorstand gewählt, neben dem Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann aus Nordrhein-Westfalen, der niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Silvia Breher und dem Abgeordnete Andreas Jung aus Baden-Württemberg. Annette Widmann-Mauz aus Baden-Württemberg verpasste knapp den Einzug in den engeren Führungszirkel der Partei. Neuer CDU-Generalsekretär ist Mario Czaja, der Wunschkandiat von Merz. Das Ergebnis des Parteitags muss anschließend per Briefwahl bestätigt werden. Dieses Resultat soll am 31. Januar verkündet werden.
Derweil ist bekannt geworden, dass Altkanzlerin Angela Merkel nicht Ehrenvorsitzende der CDU werden will. Die ehemalige Bundeskanzlerin sei zu der Einschätzung gekommen, dass ein solches Amt nicht mehr in die Zeit passe, sagte der noch amtierende Partei-Vorsitzende Armin Laschet dem Sender ntv.
Das Interview im Wortlaut:
Philipp May: Hätten Sie Angela Merkel gerne als Ehrenvorsitzende gehabt?
Karin Prien: Ich freue mich immer darüber, wenn ich mit Angela Merkel sprechen kann. Sie ist eine wichtige Ratgeberin für uns und das wird sie auch bleiben. Aber es passt ja auch zu ihr, dass sie sich jetzt nicht zur Ehrenvorsitzenden wählen lassen will. Sie ist ja irgendwie so ein hanseatischer Typ und in Hamburg findet man das mit den Ehrungen ja immer nicht so gut.
May: Aber man könnte es ja auch als Affront gegenüber dem designierten Vorsitzenden lesen - gerade bei der Geschichte, die die beiden, Merkel und Merz, haben. Eine Essenseinladung soll sie ja auch schon ausgeschlagen haben. Wir können es ja auch mal umdrehen: Es hätte ja auch ein schönes Zeichen der Versöhnung der Merkel-CDU mit der Merz-CDU sein können.
Prien: Noch mal: Ich glaube, es passt zu Angela Merkel. Wenn sie beschließt, ein Ende zu setzen, dann macht sie das konsequent. Und das mit den Ehrungen, das hat ihr ja nie so gelegen, und insofern würde ich das nicht überbewerten.

"Merz ist nicht der konservative Knochen, zu dem er gemacht wird"

May: Okay. Sie galten ja immer als Vertreterin des Merkel-Teils, der liberalen Union. Können Sie sich mit Friedrich Merz anfreunden an der Parteispitze?
Prien: Wir haben eine Mitgliederbefragung gehabt, an der sich ja wirklich wahnsinnig viele, überraschend viele Mitglieder beteiligt haben. Wir haben ein ganz klares Votum für Friedrich Merz und deshalb ist das jetzt der Mann, der unsere Partei führen soll, und da stehe ich auch 100-prozentig hinter. Ich glaube, er ist jetzt der richtige Mann zur richtigen Zeit.
May: Also kann Merz Versöhnung, glauben Sie?
Prien: Ja, zum einen glaube ich, dass er gar nicht der konservative Knochen ist, zu dem er gerne auch gerade öffentlich gemacht wird, sondern er ist ein sehr kluger, reflektierter Politiker mit sehr viel Erfahrung. Und zum anderen weiß er doch ganz genau, dass wir als Union am Ende Wahlen nur in der Mitte der Gesellschaft gewinnen können, und so wird er die Partei auch ausrichten.

"Die Mitglieder wollen wissen, wofür die CDU steht"

May: Aber für viele Mitglieder verkörpert er eben genau das, nämlich diese Rückkehr zur alten, konservativen CDU, also auch so ein bisschen den Bruch mit der Mitte-CDU und den Bruch mit den Merkel-Jahren. Weil eben auch jeder weiß, er ist der große Widersacher von Angela Merkel immer gewesen in den letzten 20 Jahren.
Prien: Ja, natürlich ist er auch schon habituell und vielleicht irgendwie auch so als Typ für viele Konservative eine Projektionsfläche, auch wenn er ja so ein Klartextredner ist. Und danach haben die Mitglieder, glaube ich, auch zu Recht ein Bedürfnis. Sie wollen wissen, wofür die CDU steht und das trauen sie Friedrich Merz zu, das traue ich ihm auch zu. Inhaltlich, glaube ich aber, wird man ihm da nicht gerecht, wenn man ihn reduziert auf die Vergangenheit. Und es gibt ja auch gar kein Zurück. Gesellschaftliche Entwicklungen kann man nicht aufhalten, sondern Veränderung ist wichtig für unsere Gesellschaft, aber eben nicht um der Veränderung willen, sondern weil wir das Land besser machen wollen.
May: Aber das scheint ja der Wunsch der Mitglieder zu sein, dass die CDU konservativer sein soll, beispielsweise in Migrationsfragen oder auch in gesellschaftspolitischen Fragen.
Prien: Mein Eindruck ist, sie wollen einen Vorsitzenden, der Klartext reden kann, sie wollen wissen, für was die Partei steht. Und dann werden wir miteinander in den Diskussionen über die neuen Konzepte, über das neue Grundsatzprogramm ringen. Ringen auch mit den verschiedenen Parteiorganisationen, mit den verschiedenen Flügeln in der Partei. Und dann werden wir das miteinander beschließen, was gut ist fürs Land. Und das wird in mancher Frage vielleicht konservativer sein, in anderen Fragen wird es liberal sein und christsozial. Aber ich sehe da keinen Rechtsruck oder etwas in dieser Art, der uns da bevorsteht.

Neue Antworten in der Sozialpolitik finden

May: Sie sprechen es schon an: Stilistisch hat sich Friedrich Merz beim dritten Anlauf ja wirklich deutlich anders präsentiert, er war deutlich milder und hat viel über Sozialpolitik beispielsweise gesprochen, bei der die CDU besser werden müsse. Sehen Sie das auch so?
Prien: Also es ist ja offensichtlich, dass wir in einer demografischen Situation sind, wo wir uns wirklich Gedanken machen müssen, wie wir unsere Sozialversicherungssysteme zukunftsfest machen. Wir müssen uns intensive Gedanken darüber machen, wie und was unsere Gesellschaft heute zusammenhält – und das sind natürlich auch sozialpolitische Fragen. Und deshalb hat Friedrich Merz natürlich recht, dass wir hier auch neue Antworten finden müssen.

"Maaßen ist eine Randfigur"

May: Okay, das kommt auf Sie im Ringen um das Grundsatzprogramm zu. Jetzt können wir aber über ein paar handfeste Fragen beziehungsweise Themen sprechen, die jetzt in absehbarer Zeit anstehen. Sie beispielsweise haben den Parteiausschluss von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen gefordert. Sollte Friedrich Merz den jetzt zügig vorantreiben, wenn er Parteichef wird, mit seiner Autorität, die er jetzt ja erst mal hat?
Prien: Ich bin sehr froh, dass der Landesverband Thüringen sich sehr deutlich von den Positionen, die da vertreten wurden, insbesondere auch mit Blick auf Verschwörungstheoretiker und auch antisemitisch geprägte Verschwörungstheoretiker, dass sie sich da deutlich positioniert haben, dass dort auch Gespräche mit Maaßen geführt werden. Da gehört es übrigens auch hin. Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir uns nicht allzu viel mit Hans-Georg Maaßen beschäftigen sollten. Er ist eine Randfigur, das hat Friedrich Merz ja auch sehr deutlich gesagt in den letzten Tagen. Auch der Bundesvorstand hat sich klar distanziert von der Position, und ich glaube, das ist auch der richtige Weg. Und im Übrigen: Parteiausschlussverfahren sind schwierig in Deutschland, das wissen wir alle. Das hat ja auch historische Gründe und das ist auch richtig so. Und wenn es eine Gelegenheit dazu gibt, die auch ausreicht, dann, finde ich, sollte man das Verfahren betreiben, und ansonsten sollte man sich mit ihm nicht zu viel beschäftigen.
May: Okay. Also das ist jetzt nichts, was Sie jetzt akut von Friedrich Merz erwarten.
Prien: Nein. Wir haben so viel zu tun, Herr May!

"Wir brauchen zumindest vorübergehend eine Frauenquote"

May: Okay, kommen wir direkt zum nächsten Thema. Was ist mit der Frauenquote, für die sich der Bundesvorstand, dem Sie ja jetzt schon angehören, ausgesprochen hat? Muss die kommen?
Prien: Nach meiner festen Überzeugung brauchen wir zumindest vorübergehend die Frauenquote. Wir haben wichtige Schritte jetzt getan, wir haben ja mehr Kandidatinnen denn je für den Bundesvorstand, übrigens mehr Frauen als Männer. Also schon dieser Prozess, durch den wir jetzt gehen, führt dazu, dass wir der Parität zwischen Männern und Frauen näherkommen. Aber ich finde es wichtig, dass wir in der Breite auf allen Ebenen der Partei mehr Frauen in Führungsverantwortung gewinnen. Und dafür werden wir die Quote vorübergehend brauchen. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass wir sie auch bekommen.
May: Glauben Sie, Sie haben da Friedrich Merz auf Ihrer Seite?
Prien: So wie ich ihn verstanden habe zuletzt in seiner Bewerbungsrede zum Vorsitz steht er auch hinter diesem Beschluss der Struktur- und Satzungskommission, die ja schon ein Kompromiss war zwischen allen Flügeln und Vereinigungen.

Merz auch als Fraktionschef denkbar

May: Muss ein starker Vorsitzender auch ein starker Fraktionschef sein und damit eben auch sichtbarer Oppositionsführer im Bund?
Prien: Ja, das war ja früher sozusagen der Königsweg. Ich finde, es sprechen auch eine Menge Argumente dafür. Aber man kann es auch anders machen. Am Ende kommt es darauf an, wie der Fraktionsvorsitzende und der Parteivorsitzende miteinander klarkommen, wie gut das klappt mit der Arbeitsteilung. Und das sollen die beiden bitte miteinander jetzt ausmachen, möglichst auch nicht in der Öffentlichkeit ausmachen, ohne Streit, und dann werden wir da zu einem guten Ergebnis kommen.
May: Aber grundsätzlich wären Sie dafür? Macht das Sinn?
Prien: Nein, ich sage, man kann beides machen, gerade in der heutigen Zeit, wo die Aufgaben ja sehr vielfältig sind. Man kann ja nicht überall sein als einzelne Person. Deshalb gibt es sicherlich für beide Modelle gute Argumente. Aber am Ende kommt es darauf an: Wie können die beiden miteinander und ergänzen die sich gut. Und das ist für mich die entscheidende Frage. Und das müssen die beiden Männer jetzt miteinander ausmachen.
May: Wir können ja mal nach Schleswig-Holstein schauen. Auch Ihr CDU-Ministerpräsident Daniel Günther ist in diese Position als Oppositionsführer im Landtag gewählt worden. Und am Ende geht es eben doch um Personen?
Prien: Es geht immer in der Politik um Personen und um Programm und um Glaubwürdigkeit. Und trotzdem zeigen uns ja auch Wettbewerber, politische Wettbewerber, dass man auch mit Aufgabenteilung erfolgreich sein kann. Und insofern noch mal, die Frage ist: Können die beiden miteinander, ergänzen die sich gut oder behindern die sich eher? Das wären für mich die Kriterien. Und das werden die beiden, da bin ich sicher, sehr klug miteinander lösen.
May: Okay. Wenn Sie politische Wettbewerber ansprechen: Also Friedrich Merz ist so etwas wie Norbert Walter-Borjans bei der SPD, ein Übergangs-Vorsitzender?
Prien: Na, also das glaube ich nicht. Wer Friedrich Merz kennt, der wird, glaube ich, nicht auf die Idee kommen, die beiden miteinander zu vergleichen. Da wird man, glaube ich, beiden auch nicht gerecht. Also insofern: Nein.

Spagat zwischen Oppositionsführerin im Bund und Regierungspartei in den Ländern

May: Okay. Bleiben wir noch mal in Schleswig-Holstein. In Ihrem Bundesland wird im Mai gewählt, eine von einigen wichtigen Landtagswahlen. Überall hat die CDU viel zu verlieren, überall stellt sie den Ministerpräsidenten. Es wird sicher eng. Was muss die CDU bis zur Wahl am drängendsten beantworten?
Prien: Ich glaube, wichtig ist, tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen, dass wir jetzt in der Opposition sind im Bund und dass wir diese Rolle annehmen, aber auf der anderen Seite sind wir eben führende Regierungspartei in sechs Ländern, wenn man Bayern dazuzählt, in sieben Ländern. Und ich glaube, wir müssen genau zwischen diesen beiden Aufgaben unseren Weg jetzt finden. Ich glaube, wir haben gute Chancen, auch als Sieger aus den vier Landtagswahlen hervorzugehen. Am Ende kommt es immer darauf an, dass die Menschen uns vertrauen, und das Vertrauen werden wir gewinnen müssen durch Fleiß, durch auch einen anständigen Umgang miteinander, durch viel inhaltliche Arbeit, durch gute Regierungsarbeit dort, wo wir regieren. Und wenn wir das so tun und so weitermachen, dann werden die Menschen das auch honorieren.

Kontakt zur CSU intensivieren

May: Wenn Sie den anständigen Umgang miteinander ansprechen: Muss Friedrich Merz also als erstes nach München reisen zu Markus Söder?
Prien: Na, da war er ja schon, wenn ich das richtig beobachtet habe, aber ja, ich glaube, ein gutes Verhältnis zur CSU, Geschlossenheit in der Union wird von entscheidender Bedeutung sein, wenn es um den Erfolg der Union in den nächsten Jahren geht. Da ist manches aus dem Ruder gelaufen in den letzten Jahren und ich glaube, das müssen wir besser machen und das müssen die beiden Vorsitzenden machen. Aber ich glaube, es wäre auch gut, wenn zwischen den Parteien insgesamt der Kontakt intensiviert wird, auch auf den Vorstandsebenen. Wir müssen miteinander reden, damit wir gemeinsam den Erfolg der Union in ganz Deutschland wieder voranbringen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.