Donnerstag, 28. März 2024

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Kommentar zur EU-Asylpolitik
Europa fehlt eine Strategie zum Umgang mit Migration

Es sei fraglich, ob die aktuellen Reformvorschläge die Asylpolitik der EU wirklich verbessern, kommentiert Carolin Born. Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Mitgliedsstaaten einigen könnten, sei mehr Konsequenz bei Abschiebungen.

Ein Kommentar von Carolin Born | 26.01.2023
Ein Wachturm hinter Stacheldraht an der Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei
Mauern hoch und Grenzen dicht – eine wachsende Zahl der EU-Staaten habe sich genau auf diesen Ansatz eingeschossen, meint Carolin Born (picture alliance / dpa / Vassil Donev)
Immerhin: Ihren Humor hat sie sich bewahrt. Ylva Johansson scherzt gerne, sie hoffe, dass Migration mal ein ganz normales Politikfeld werde, langweilig sogar. Doch die EU-Innenkommissarin weiß, dass es beim Thema Migration momentan nichts zu lachen gibt – und sicher keine Langeweile.

Keine Hilfe für überlastete Mittelmeeranrainerstaaten

Jetzt nochmal Anlauf nehmen und vor den EU-Parlamentswahlen im nächsten Jahr die Reform der gemeinsamen Asylpolitik über die Ziellinie bringen – so lautet der Plan. Aber glaubt in der EU ernsthaft jemand daran? Die Gräben zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten scheinen unüberwindbar. Zumal es fraglich ist, ob die aktuellen Reformvorschläge die Bereiche Asyl und Migration wirklich verbessern.
Am wahrscheinlichsten ist, dass Schnellverfahren an den Außengrenzen – auch Screenings genannt – etabliert werden. Wer keinen Anspruch auf Asyl hat, muss direkt wieder gehen. Doch das dürfte den bereits jetzt überlasteten Mittelmeeranrainerstaaten kaum helfen. Denn auch mit dieser Regelung sind wieder sie es, die einen Großteil der Arbeit übernehmen müssen, weil dort die meisten Menschen ankommen. Und wie diese für die Dauer der Überprüfung festgehalten werden sollen ohne dass riesige Lager entstehen, steht sowieso in den Sternen.

Ein immer beliebteres Motto: Grenzen dicht und Mauern hoch

Dass weitreichende Reformen kaum durchsetzbar sind, zeigt schon der missglückte Versuch freiwilliger Solidarität aus dem letzten Jahr, durch den aus Seenot gerettete Menschen besser in der EU verteilt werden sollten: Von zugesagten 3.500 Schutzsuchenden hat die Bundesrepublik bisher ganze 400 übernommen. Und Frankreich hat sich, im Streit um ein Rettungsschiff, das Italien nicht hat anlanden lassen und das deshalb nach Frankreich ausweichen musste, gleich ganz verabschiedet aus der Solidaritäts-Erklärung.
Weil es mit der Einigung intern nicht klappt, widmet sich die EU nun der externen Dimension der Migration. Abgelehnte Asylbewerber konsequenter abschieben – es scheint, als wäre das der kleinste gemeinsame Nenner, den die EU momentan zu finden bereit ist. Nicht nur, aber auch angesichts des Fachkräftemangels ist es fraglich, ob es wirklich die beste Idee ist, Menschen pauschal zurück in ihr Herkunftsland zu bringen. Eine wachsende Zahl der Staaten hat sich aber auf genau diesen Ansatz eingeschossen: Grenzen dichtmachen und Mauern hochfahren.

Wahlkampf auf Kosten von Schutzsuchenden

Dass es vor den Wahlen noch zum großen Wurf in Sachen europäischer Asylpolitik kommt: unwahrscheinlich. Eines ist dafür sicher: Dass sich diverse Politiker im Wahlkampf profilieren werden – auf Kosten der Menschen, die in Europa ihre Zukunft und manchmal ihre letzte Hoffnung sehen.