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Leben im Wasserhahn

Hygiene.- Wenn Trinkwasser an der Wasseruhr ankommt, ist es in aller Regel sauber, also fast frei von Bakterien. Was jedoch zwischen Wasseruhr und Waschbecken passiert, wird nur selten untersucht. Da steckt jede Menge Leben im Innern von Duschschlauch und Wasserhahn.

Von Michael Lange | 11.04.2011
    "Im Trinkwasser sollten möglichst wenige Bakterien leben. Deshalb wird ihre die Zahl von den Wasserwerken regelmäßig untersucht. Nach der Wasseruhr jedoch endet der Zuständigkeitsbereich der Wasserwerke."

    Untersuchungen, die Hans-Curt Flemming und seine Mitarbeiter am Biofilm-Centre der Universität Duisburg-Essen durchgeführt haben, zeigen eindeutig: Das meiste mikrobielle Leben gedeiht auf den letzten Metern oder Zentimetern, bevor das Wasser zum Konsumenten kommt. Im Innern von Armaturen, die von außen sauber glänzen, herrschen oft paradiesische Lebensbedingungen für Mikroben.

    "Zum Beispiel Ihr Duschschlauch. Da kann innen drin ein billiger Gartenschlauch sein, der Nährstoffe abgibt. Davon leben die Bakterien. Das sind die Weichmacher in diesem Gummi, das sind Flammschutzmittel oder Antioxidantien. Das sind alles kleine Moleküle, die durch den Gummi an die Oberfläche diffundieren und dort gefressen werden."

    Um die Kunststoffverbindungen abzubauen, müssen sich die Bakterien zusammentun. An der Innenseite des Duschschlauches oder auch an Ventilen oder auf Kunststoff- und Gummiringen im Duschkopf oder im Wasserhahn bilden sie sogenannte Biofilme.

    "Das ist eigentlich die normale Form wie Mikroorganismen leben: in Gesellschaft. Die leben nicht als Singles, als einzelne, kleine Bakterien im Wasser, sondern sie sitzen auf Oberflächen, rotten sich zusammen in Gemeinschaften und hüllen sich in eine Schleimhülle ein. Die sitzen da und können in diesem Biofilm ihre Freunde um sich scharen und Stoffe abbauen, die sie alleine nicht abbauen können."

    Wenn man einen Wasserhahn auseinander schraubt, sind Biofilme als meist bräunlicher, schleimiger Belag zu sehen. Die meisten Bakterien, die darin leben, sind für gesunde Menschen ungefährlich. Einige jedoch verursachen Lungeninfektionen, die in Einzelfällen tödlich enden können. Deshalb sollten möglichst wenige dieser Bakterien im Trinkwasser zu finden sein. Zu ihnen zählen bestimmte Pseudomonaden und die Legionellen. In etwa 15 Prozent der untersuchten Wasserproben entdeckten Hans-Curt Flemming und seine Mitarbeiter diese potenziellen Krankheitserreger.

    US-Forscher vom Johns-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore fanden sie verstärkt im Wasser aus angeblich besonders hygienischen automatischen Wasserhähnen, die durch eine Lichtschranke geöffnet werden. Dort zählten sie dreimal mehr Legionellen als in klassischen Wasserhähnen zum Selbstdrehen. Für Hans-Curt Flemming war dieses Ergebnis keine Überraschung.

    "Das Phänomen besteht schlicht daraus, dass die Hauptkontamination am Wasserhahn nicht am Hahn ist, sondern im Hahn. Und wenn Sie sich mal anschauen, wie kompliziert das Innenleben von so einem Wasserhahn ist, dann ist es völlig unabhängig davon, ob da oben etwas zum Drehen, Kippen oder auf und ab Wippen ist oder nicht. Diese Legionellen sitzen im Innern des Wasserhahns, egal ob jetzt ein Lichtsignal den Wasserhahn öffnet oder ob da ein mechanischer Handgriff ist."

    Ein automatischer Wasserhahn bietet dem Biofilm mehr und bessere Flächen zum Wachstum. Denn sein Inneres ist komplizierter aufgebaut und beinhaltet verschiedene Plastikbauteile. Um etwas gegen die Biofilme zu tun, empfiehlt Hans-Curt Flemming, Hausbesitzern zertifizierte, meist teurere Materialien zu verwenden. Sie liefern den Bakterien wenig Nahrung, so dass sie sich nicht oder kaum vermehren können. Für alle Wassernutzer hat der Biofilm-Experte noch einen weiteren Tipp. Wurde ein Wasserhahn einige Tage oder Wochen nicht benutzt, sollte man alle guten Vorsätze zum Wassersparen vergessen.

    "Drehen Sie den Hahn auf, und selbst wenn Sie das Gefühl haben: Das ist jetzt die große Wasserverschwendung, lassen Sie ruhig mal fünf oder zehn Minuten einfach laufen."

    Und dann sinkt von Minute zu Minute die Menge der Bakterien im Wasser.