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Kita-Qualitätsgesetz
Lisa Paus (Grüne): „Dieses Gesetz wird etwas ändern“

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will mit dem „Kita-Qualitätsgesetz“ die frühkindliche Bildung in Kitas standardisieren und verbessern. Es soll nicht nur betreut, sondern gezielt Bildung vermittelt werden. Kann das gelingen?

Lisa Paus im Gespräch mit Moritz Küpper |
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Insgesamt vier Milliarden Euro will der Bund investieren, um die Qualität der Bildung in Kitas zu verbessern. Lisa Paus (Grüne), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, will mit dem Gesetz klarmachen, dass Kitas das Fundament für die Bildung von Kindern legen - und damit natürlich auch für Chancengleichheit.
Schwierigkeiten sind dabei nach wie vor der Fachkräftemangel in dem Bereich und die Entscheidungsfreiheit der Bundesländer und Kommunen, die das Recht haben, die Mittel des Bundes nach eigenen Vorstellungen einzusetzen. Zum Beispiel dafür, die Beitragsfreiheit für den Kita-Besuch zu finanzieren. Doch die Ministerin ist zuversichtlich, dass das Gesetz ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Bildungsqualität in den Kitas ist.
Das Interview in voller Länge:

Moritz Küpper: Frau Paus, ist dies das nächste Gesetz, das nichts ändert, weil es kein Personal gibt?
Lisa Paus: Doch, dieses Gesetz wird etwas ändern. Wir legen mit diesem Gesetz den klaren Schwerpunkt auf die Qualität und damit geben wir auch das klare Signal an alle diejenigen, die jetzt schon in dem Beruf arbeiten, und an all diejenigen, die sich das vorstellen können, dass es ein wichtiger und dass es ein attraktiver Beruf ist. Gerade dieses Gesetz, was auf Qualität setzt, sichert Fachkräfte und zieht neue Fachkräfte an.
Küpper: Aber wo soll denn die Qualität herkommen, wenn noch nicht mal die Quantität da ist, finanziell, personell?
Paus: In den letzten Jahren ist da einiges passiert. Wenn Sie zum Beispiel allein an die Beschäftigten denken: In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Beschäftigten in dem Bereich verdoppelt. Und auch bei den Kita-Plätzen ist es so. Natürlich haben wir immer noch nicht genug, aber wir haben einen doch erheblichen Aufwuchs gehabt, mehr als 30 Prozent mehr Kita-Plätze als noch vor etlichen Jahren. Von daher würde ich sagen: Klar, es mangelt, aber es ist auch durchaus etwas passiert.

Kitas als elementare Bildungseinrichtungen

Küpper: Sie sagen, erheblichen Aufwuchs. Aber Fakt ist ja doch: Im kommenden Jahr fehlen in Deutschland fast 384.000 Kita-Plätze. So eine aktuelle Bertelsmann-Studie. Um das zu decken, müssten fast 100.000 Fachkräfte eingestellt werden. Personal, das gibt es nicht, das gibt es auch in anderen Bereichen nicht. Ist dann aber so ein Gesetz mit dem Namen Kita-Qualitätsgesetz nicht Augenwischerei?
Paus: Nein, ist es nicht, weil dieses Gesetz macht noch mal ganz klar, wir haben insgesamt erst mal in den Ausbau finanziert, investiert. Es war aber vor allen Dingen das Thema, wir brauchen Kitas für die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ging eher darum, dass Kinder betreut sind.
Inzwischen sind wir aber deutlich einen Schritt weiter. Kitas sind ganz zentral für die Entwicklung von Kindern. Die legen das Fundament. Die frühkindliche Bildung ist ganz wichtig. Was in der Kita nicht geschafft wird, kann in späteren Jahren in der Schule und noch später dann kaum noch aufgeholt werden. Denken Sie beispielsweise an das Thema Sprachkompetenz. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Kitas als Qualitätseinrichtungen ausbauen, und das schaffen wir genau mit diesem Gesetz. Es war wirklich ein hartes Ringen. Sie hatten in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen: Die Länder wollten eigentlich nichts ändern. Wir machen jetzt diesen zusätzlichen Qualitätssprung, indem wir sieben Qualitätskriterien festlegen, wofür das Geld ausgegeben werden kann.

Nationale Standards für frühkindliche Bildung als Ziel

Küpper: Sie sagen es: Die Kita als Bildungseinrichtung zu verstehen, das ist, glaube ich, Konsens im Land. Das würden viele unterschreiben. Nichts desto trotz: Es ändert immer noch nichts an der Lage. Über die Missstände haben wir gerade gesprochen. Was muss passieren, damit die Politik diesen Missstand endlich auch einmal ernstnimmt, und ernst heißt finanziell, personell?
Paus: Erst mal ist es so: Für Kitas sind die Länder und die Kommunen zuständig. Der Bund ist jetzt tatsächlich noch mal wieder mit dabei und eingesprungen, weil wir sehen, dass es so wichtig ist und dass wir dazu kommen müssen, Kitas tatsächlich als Bildungseinrichtungen zu entwickeln. Deswegen wollen wir hin zu nationalen Qualitätsstandards in der frühkindlichen Bildung. Deswegen setzen wir diesen Schwerpunkt, stellen vier Milliarden Euro noch einmal bereit für die Kita-Qualität, und wollen dann auf Grundlage dessen auch weiterkommen, hin zur Kita-Qualität.
Zum Thema Fachkräfte, da haben Sie völlig recht. Aber entscheidend ist erst mal, dass die Fachkräfte, die da sind, auch bleiben. Die haben jetzt wirklich zwei harte Jahre hinter sich, denken Sie an die Corona-Zeit und was dann vor Ort los gewesen ist. Das hat noch mal deutlichgemacht, wie systemrelevant diese Einrichtungen sind, aber auch, wie sehr sie Unterstützung brauchen. Deswegen ist das erste, sie vernünftig zu bezahlen. Das zweite ist, die, die da sind, auch gut zu behandeln, sie zu sichern. Und drittens, dann auch in weitere Ausbildung zu investieren. Da kann ich noch mal ergänzen, dass wir auch als Bund jetzt noch zusätzlich geschafft haben, dass zum Beispiel Umschulungen finanziert werden können. Das war länger ein Thema. Die Kita-Ausbildung, die Erzieherausbildung ist ja eine wichtige, eine qualitative Ausbildung und dauert länger, insgesamt im Normalfall fünf Jahre, und es ist jetzt möglich, auch Umschulungen finanziert zu bekommen von der Bundesarbeitsagentur, die vorher nur zwei Jahre finanziert hat, jetzt drei Jahre. Von daher können wir auch damit zusätzlich Fachkräfte gewinnen. Da bin ich sehr optimistisch.

Gerangel zwischen Bund, Ländern und Kommunen

Küpper: Sie haben zurecht darauf hingewiesen, dass es eigentlich Aufgabe der Länder und Kommunen ist. Jetzt haben wir es gerade im Beitrag gehört: Es wurde viel gefeilscht, gehandelt, mitunter auch blockiert von Seiten der Länder. Ist das nicht, weil es deren Aufgabe ist, undankbar? Sie als Bund springen da jetzt ein.
Paus: Ja. Ich hätte mir da auch eine freundlichere Kommunikation wünschen können. Aber es ist jetzt wie es ist. Ich glaube, das interessiert die Leute draußen auch nicht, sondern das Ergebnis ist das, was zählt. Ich nehme meine Aufgabe wahr. Ich bin Ende April ins Amt gekommen, musste dann feststellen, dass es noch keinen einzigen Euro Kita im Bundeshaushalt gab, habe das dann auch sofort den Ländern kommuniziert. Dass sie nichts davon gewusst hätten, ist insofern nicht ganz richtig. Aber ich muss nicht nach hinten gucken, das ist alles vergossene Milch, sondern das Ergebnis ist, was zählt. Heute verabschiedet hoffentlich der Bundestag das Kita-Qualitätsgesetz und deswegen bin ich sehr froh über diesen Tag.

Wohin fließen die vier Milliarden Euro?

Küpper: Dann gucken wir noch mal auf dieses Vorhaben, auf diese verschiedenen Punkte. Es gibt mehr Geld, vier Milliarden vom Bund für zwei Jahre. Wie kann es aber sein oder wie passt es da zusammen, dass angesichts des Wunsches nach Qualität dieses Gesetz den Ländern immer noch erlaubt, die Gelder auch für Beitragsfreiheit zu verwenden anstatt für Qualität?
Paus: Das ist ein klassischer Kompromiss. Die Länder haben recht, wenn sie sagen, sie können nicht von heute auf morgen alles umdrehen, und die Ressourcen müssen auch dafür da sein. Deswegen: Wir sind auf einem Weg. Wir hatten vorher das „Gute Kita“-Gesetz. Wir legen jetzt andere Schwerpunkte und wir wollen auch alle mitnehmen. Deswegen machen wir das step by step, ermöglichen Überführungen. Auch die Sprachkitas werden jetzt überführt in die Regelfinanzierung im Kita-Qualitätsgesetz. Mit diesen Schritten bin ich auch zuversichtlich, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode auch zu einem gemeinsamen bundesweiten Qualitätsstandard für Kitas kommen.

Ungewisse Zukunft für Sprach-Kitas

Küpper: Dann kommen wir noch zu dem zweiten Punkt: die Sprach-Kitas. Auch das ist angesprochen worden, die Unterstützung, die Förderung beim Erlernen der Sprache – ein Punkt, der ja auch im Koalitionsvertrag, in Ihrem Ampel-Koalitionsvertrag stand, der nun aber nur als Übergangslösung kommt. Die Länder werfen Ihnen nun vor, dass Sie da nicht halten wollen, was im Koalitionsvertrag stand. Ist das nicht ein berechtigter Vorwurf?
Paus: Nein, das ist es nicht. Wir machen es. Das Sprach-Kita-Programm war bisher ein Modellprogramm. Das ist jetzt über elf Jahre gelaufen und ist eines der Programme, die wirklich von allen Seiten als wichtig und als erfolgreich angesehen wurden. Ich habe ja schon gesagt, wir haben inzwischen ein gemeinsames Verständnis, dass Kitas frühkindliche Bildungseinrichtungen sind, und da ist Spracherwerb ganz, ganz entscheidend. Da hat dieses Programm gezeigt, wie man es noch besser machen kann.
Modelle hören entweder auf, oder sie werden in die Regelfinanzierung überführt, und das ist das, was wir jetzt mit dem Kita-Qualitätsgesetz genau machen.
Küpper: Aber warum zahlen Sie nicht, wenn Sie sagen, Sprach-Kitas sind so wichtig? Es geht um Qualität, es geht um Kitas als Bildungseinrichtungen.
Paus: Wir dürfen gar nicht dauerhaft zahlen. Es ist in der Verfassung eindeutig vorgesehen, Kitas sind Länder- und kommunale Angelegenheit. Was wir als Bund machen dürfen, ist mal ein Modellprogramm - das haben wir gemacht -, oder uns beteiligen an nationalen Qualitätsstandards. Das machen wir mit dem Kita-Qualitätsgesetz. Regelfinanzierung ansonsten ist nicht die Aufgabe des Bundes. Das darf er gar nicht.
Im Moment ist es jetzt nicht so, dass die Länder deswegen vors Bundesverfassungsgericht gehen. Aber würden sie es tun, dann würden sie sofort recht bekommen, weil wir dürfen es eigentlich gar nicht machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.