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Chinas Null-Covid-Politik
Omikron wird zur Gefahr

Täglich rund 40.000 Corona-Infektionen und das, obwohl ein Drittel der Bevölkerung im Lockdown ist. Die Null-Covid-Politik in China stößt auch wegen der Omikron-Varianten an ihre Grenzen. Zudem hat China weniger auf Impfkampagnen gesetzt, als viele westliche Länder.

Von Volkart Wildermuth | 29.11.2022
China, Peking: Ein medizinischer Angestellter entnimmt eine Abstrichprobe für einen Corona-Test an einer Teststation.
In Chinas Hauptstadt Peking werden Corona-Massentests durchgeführt, um Neuinfektionen einzudämmen. (Zhang Chenlin/XinHua/dpa)
Den chinesischen Unternehmen Sinopharm und Sinovac gelang es in der Pandemie schnell Impfstoffe zu entwickeln. Dafür setzen sie auf einen bewährten Ansatz, auf abgetötete Viren. Die beiden Vaccine wurden nicht nur in China, sondern schnell auch in vielen Länder Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas eingesetzt.

Chinesische Impfstoffe schützen vor schweren Verläufen

Allerdings gab es schnell Kritik an ihrer Wirksamkeit. Doch das hält der Epidemiologe Ben Cowling von der Hongkong University für übertrieben. “Auch wenn sie weniger gut gegen Infektionen schützen, als die Impfstoffe von Pfizer oder Moderna, verhindern sie sehr effektiv schwere Verläufe. Sie erledigen die Aufgabe von Impfstoffen.“
Es gibt jedoch einen Vorbehalt, wie Ben Cowling bei dem großen Ausbruch im Frühjahr erleben musste. “Unsere Daten aus Hongkong zeigen, dass die Effektivität hoch ist, aber erst nach der dritten Dosis.“

Unzureichender Impfschutz bei über 60-Jährigen

Und das ist ein Problem, denn gerade ältere Menschen in China sind nur zum Teil geboostert. Die Impfkampagne stand für die Gesundheitsbehörden nicht an erster Stelle, schließlich sollte ja eigentlich gar kein Virus im Land zirkulieren.
“Bedauerlicherweise gab es in den vergangenen Monaten ein Dilemma. China musste viele Ressourcen in die Null-Covid-Maßnahmen investieren. Hier etwas in das Impfprogramm umzulenken, hätte Null-Covid geschwächt. Es gab eine Impfkampagne, aber sie wurde nicht im gleichen Maße gefördert und priorisiert.“
Die ersten Impfkampagnen richteten sich auch nur an die arbeitende Bevölkerung zwischen 19 und 60 Jahren. Das hat sich geändert, aber noch immer sind ein Drittel der über 60-Jährigen und 60 Prozent der über 80-Jährigen nicht geboostert – und damit nicht ausreichend vor schweren Verläufen geschützt. Viele sahen schlicht keine Notwendigkeit für die Impfung, weil die Null-Covid-Politik das Virus ja lange tatsächlich kontrollieren konnte. Doch die ansteckenderen Omikron-Varianten haben die Karten neu gemischt. Und während Omikron fast überall auf der Welt als vergleichsweise milde gilt, sieht das in China ganz anders aus, weil die Immunität der Bevölkerung viel niedriger ist.

Omikron kann zur lebensbedrohlichen Gefahr werden

“Für ungeimpfte ältere Chinesen, die sich noch nicht angesteckt hatten, kann Omikron eine schlimme Infektion darstellen. Früher im Jahr hatten wir eine Omikron-Welle in Hongkong mit drei bis vier Millionen Infizierten und Zehntausend Todesfällen. Für diese Menschen war Omikron nicht mild.“
Und massenhafte Ansteckungen wird es irgendwann geben. Als Australien, Neuseeland oder Singapur ihre Null-Covid-Beschränkungen aufhoben, steckte sich in kurzer Zeit rund die Hälfte der Bevölkerung an. Aber Dank hoher Impfquoten blieben die Folgen überschaubar. China hat nun angekündigt, die Impfkampagne für Ältere wieder voranzutreiben. Das aber wird Zeit kosten. Zwischen der ersten Dosis und dem Booster sollten mindestens drei, besser vier Monate liegen. “Das heißt, die Situation wird sich nicht schnell ändern, weil die Impfungen Zeit brauchen, besonders weil es um so viele Impfdosen geht“
Etwas schneller könnten die Impfprogramme ablaufen, wenn China mRNA-Vaccine einsetzen wurde. Entweder den eigenen mRNA-Impfstoff von Walvax Biotechnology, der aber bislang nur in Indonesien und nicht in China selbst zugelassen ist. Oder die Produkte von Moderna beziehungsweise BioNTech/Pfizer. Die Bundesregierung ist hier schon in Gesprächen mit China. Aber auch wenn die Impfprogramme jetzt an Fahrt gewinnen, rechnet Ben Cowling nicht mit einem schnellen Ende der Lockdowns.
“Man wird nach und nach akzeptierten, dass die COVID-Zahlen nicht wieder auf Null gehen werden. Die Priorität wird auf den Impfungen liegen, gleichzeitig bleiben Beschränkungen weiter sehr, sehr wichtig. Ich vermute, kurzfristig werden die Maßnahmen eher noch strikter, eben weil die Gefahr einer großen Welle besteht.“