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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Schachtwasserkraftwerk schont die Natur

Wasserkraftwerke sind die einzige erneuerbare Energiequelle, die rund um die Uhr Strom liefern kann. Doch sie erfordern meist massive Eingriffe in die Natur. Ein umweltfreundlicheres Design sollte die ökologischen Nebenwirkungen verringern. Doch der Plan ging nur zum Teil auf.

Von Simon Schomäcker |
Im Fluss Loisach wurde 2020 ein von Forschern der Technischen Universität München entwickeltes Schachtwasserkraftwerk in Betrieb genommen.
Im Fluss Loisach wurde 2020 ein von Forschern der Technischen Universität München entwickeltes Schachtwasserkraftwerk in Betrieb genommen. (Frank Becht / TU München)
Die Loisach ist ein Nebenfluss der Isar und durchquert rund 65 Kilometer südlich von München die Gemeinde Großweil. Dass die etwa 800 Haushalte im Ort ihre Energie aus dem Fluss beziehen, ist auf den ersten Blick kaum zu erahnen. Aber im Flusslauf, integriert in ein Wehr, befindet sich seit 2020 ein Schachtwasserkraftwerk. Die Anlage produziert mit einer maximalen Leistung von 420 Kilowatt rund 2,5 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr.
Entwickelt hat das Kraftwerk ein Forschungsteam vom Lehrstuhl für Wasserbau der Technischen Universität München. Professor Peter Rutschmann war mit dabei und erklärt das Funktionsprinzip so: „Es ist im Prinzip ein Schacht im Flussboden drin. Das Wasser geht dann durch das Schachtgitter, den Rechen, hindurch, läuft dann durch die Turbine. Und unterhalb wird das Wasser dann wieder in den Fluss zurückgegeben. Die Turbine ist dann komplett unter Wasser und ist nicht sichtbar und nicht hörbar."

Den Schutz von Fischen im Fokus

Darum heißen diese Turbinen auch Tauchturbinen. Besonders wichtig war dem Forschungsteam, die Fische zu schützen. Bislang werden nämlich die Schaufelräder entweder im eigentlichen Flussbett oder einem Umleitungskanal betrieben, während die komplette Technik an Land steht. Im Wasser vor dem Schaufelrad befindet sich ein vorhangartiger Rechen, der größere Fische gar nicht hindurchlässt. Kleinere Tiere kommen zwischen den Stäben hindurch und werden von den Turbinenschaufeln oft getötet.
Über den horizontalen Rechen eines Schachtkraftwerks hingegen sollten die Fische einfach hinwegschwimmen – und das Wehr durch Öffnungen an der Stirnseite passieren können. Allerdings entwickelt sich auch an diesem Kraftwerkstyp ein Sog. Dieser könnte Fische, die dem Schutzgitter zu nahe kommen, in die Turbine saugen. Dagegen soll eine möglichst niedrige Fließgeschwindigkeit im Schacht helfen, sagt Peter Rutschmann.

Zehnfach geringere Sogkräfte als bei normalen Anlagen

„Wir wollen eigentlich durchschnittliche Geschwindigkeiten in der Rechenfläche von 0,3 Metern pro Sekunde. Ökologische Konzepte arbeiten mit 0,5 Metern sonst. Bei konventionellen Anlagen ist es noch höher, da geht es bis einen Meter pro Sekunde bei Altanlagen hinauf. Und weil die Sogkräfte auf Fische eigentlich mit dem Quadrat der Geschwindigkeit gehen, sind das fast zehnfach geringere Sogkräfte in unserem Konzept als in einem konventionellen Konzept.“
Erreicht wird das durch eine sehr große Einlauffläche. Doch trotz all dieser Schutzmaßnahmen zeigte sich: Die Sterberate liegt bei einigen Fischarten im unteren zweistelligen Prozentbereich – und damit fast genauso hoch wie bei konventionellen Anlagen.

Die Sterberate mancher Fischarten blieb nahezu gleich

Jürgen Geist, Professor für Aquatische Systembiologie an der Technischen Universität München, hat das Kraftwerk in der Loisach begutachtet. Er betont: Die beiden Turbinen auf halber Kraft laufen zu lassen, sei keine Lösung: „Das führt in aller Regel zu höheren Schädigungen, als wenn ich eine Turbine abschalte und die andere in Hochlast laufen lasse. Was einfach an den Spalt-Abständen und an den Schaufelstellungen liegen kann, je nach Bauart der Turbinen.“
Oder auch an der Größe der Propeller. In kleineren Modellen von etwa zweieinhalb Metern Durchmesser, die schneller drehen müssen, verenden mehr Fische als an größeren Exemplaren. Diese können bis zu zehn Meter messen, laufen langsamer, sind besser passierbar – gleichzeitig aber platzmäßig nicht überall geeignet und auch teurer. Und wegen der Wirtschaftlichkeit eines Wasserkraftwerks müssen beim Naturschutz manchmal Abstriche gemacht werden. Das hängt allerdings auch davon ab, wo die Anlage steht. Peter Rutschmann spricht da aus Erfahrung, weil seit Ende 2021 ein zweites Schachtwasserkraftwerk im bayerischen Fluss Iller läuft.
Blick auf die Tauchturbine im Schachtkraftwerk Großweil an der Iller in Bayern.
Blick auf die Tauchturbine im Schachtkraftwerk Großweil an der Iller in Bayern. (Christian Bäck / TU München)
„Es ist ein bestehendes Querbauwerk aus Beton, was da vorhanden war. Das Wehr wurde da durch eine Schneise durchbrochen, und das Schachtwasserkraftwerk-Konzept wurde da reingebaut. Die Baukosten sind weniger als die Hälfte von denen an der Loisach.“

Start-Up-Unternehmen will Schachtwasserkraftwerke künftig in Serie bauen

Denn in Großweil musste eigens eine Spundwand im Fluss errichtet werden. Dank einer Förderung durch das Land Bayern ist das Kraftwerk dort zwar wirtschaftlich tragbar. In der Iller hat das jedoch ganz ohne Förderung geklappt. Am Lehrstuhl für Wasserbau der Technischen Universität München blickt man deshalb optimistisch in die Zukunft. Es wurde eine Firma ausgegründet, die Schachtwasserkraftwerke künftig in Serie bauen und international vertreiben soll. Wehre, die sich als Standorte eignen, gibt es weltweit viele. Wenn sich dadurch Baukosten einsparen lassen, kann bestenfalls auch der Naturschutz noch mehr Raum bekommen.