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Schädliche Rußpartikel
Tourismus beschleunigt Eisschmelze in der Antarktis

Der Schnee in der Antarktis ist der sauberste der Welt. Aber auch hier hinterlässt der Mensch Spuren. Ein internationales Forschungsteam hat entdeckt, dass der Ruß aus Schiffsschornsteinen und Dieselgeneratoren zu mehreren Millionen Tonnen zusätzlicher Schneeschmelze im Jahr führt.

Von Monika Seynsche | 23.02.2022
Eselspinguine in der Antarktis
Eselspinguine in der Antarktis (imago/blickwinkel/McPhoto/Michael DeFreitas)
Die südlichen Shetlandinseln sind schroffe, eis- und schneebedeckte Felsen mitten im Meer vor der Antarktischen Halbinsel. Jedes Jahr kommen zehntausende von Touristen her, um die Seebären zu bestaunen und die einzigartige Landschaft zu genießen.
Sie kommen mit Kreuzfahrtschiffen. Und die meisten dieser Schiffe verbrennen spezielles Marinedieselöl, einen Kraftstoff, der zwar sauberer ist als normales Schweröl, aber immer noch viel Ruß verursacht, sagt Raul Cordero. Der Atmosphärenforscher der Universität von Santiago de Chile wollte wissen, welche Folgen dieser Ruß für den Schnee in der direkten Umgebung hat. Zusammen mit einem großen Forschungsteam sammelte und analysierte er zahlreiche Schneeproben im Labor.
„Wir haben herausgefunden, dass die Rußkonzentrationen in der Nähe der Touristenhotspots und Forschungsstationen etwa zwei- bis viermal so hoch sind, wie in Gebieten, die nur selten von Menschen besucht werden.“

Fast alle Kreuzfahrtschiffe folgen derselben Route

Der Antarktische Kontinent ist zwar riesig, aber fast alle Kreuzfahrtschiffe folgen exakt derselben Route. Sie starten in Südamerika, besuchen die Shetlandinseln und steuern dann mehrere Orte an der Nord- und Westküste der antarktischen Halbinsel an. Gleichzeitig finden sich in dieser Region auch die meisten Forschungsstationen. 76 gibt es insgesamt, mit über 5.000 Betten. Die Hälfte davon allein auf der Antarktischen Halbinsel und den ihr vorgelagerten Inseln.
„An diesen stark frequentierten Orten schmilzt der Schnee unseren Berechnungen zufolge durch den Ruß um zwei zusätzliche Zentimeter pro Jahr. Zwei Zentimeter klingt nach nichts. Aber jede der betroffenen Regionen ist einige Quadratkilometer groß. Und wenn Sie das zusammenrechnen, kommen Sie auf Millionen von Tonnen Schnee, der jedes Jahr durch die Rußablagerungen verloren geht.“
Eke Eijgelaar erforscht an der Fachhochschule im niederländischen Breda die Umweltfolgen von Tourismus und Transport. Er war nicht an der Studie beteiligt, hält sie aber für sehr interessant.

Touristenzahlen in der Antarktis in den vergangenen Jahren verdoppelt

Die Studie sei ein weiteres Puzzleteil, das zeige, dass es keine sonderlich gute Idee sei, in so großen Zahlen an einen derart besonderen und abgelegenen Ort wie die Antarktis zu reisen. Allein zwischen 2015 und 2020 haben sich die jährlichen Touristenzahlen in der Antarktis verdoppelt. Ein Argument für Tourismus in besonders bedrohten Ökosystemen ist die sogenannte Botschafter-Theorie. Sie geht davon aus, dass sich die Besucher nach ihrer Rückkehr - beeindruckt von der Schönheit der Natur - verstärkt für ihren Schutz einsetzen.
„Es gibt aber kaum Hinweise darauf, dass diese Theorie wirklich stimmt. Alles deutet eher darauf hin, dass sich die Leute zuhause wieder genauso verhalten wie vor der Reise. Und gleichzeitig sind die meisten Touristen Europäer und Amerikaner, die einen sehr langen Flug auf sich nehmen und dann noch mehrere Tage mit dem Schiff in die Antarktis unterwegs sind. Der CO2-Fußabdruck einer solchen Reise ist mit 7.000 bis 8.000 Kilogramm fast so groß, wie die kompletten jährlichen Kohlendioxid-Emissionen eines durchschnittlichen Niederländers oder Deutschen, der zuhause bleibt.“

Viele Forschungsstationen nutzen keine saubere Energie

Auch Raul Cordero ist dafür, die Zahl der Antarktisbesuche einzuschränken. Das gelte aber nicht nur für Touristen sondern auch für Forschende. Denn auch die Forschungsstationen in der Antarktis werden immer größer. Und dort wird durch Dieselgeneratoren, Schneemobile, Maschinen und Flugzeuge noch wesentlich mehr Ruß produziert als durch die Schiffe der Touristen. So haben Raul Cordero und seine Kolleginnen ausgerechnet, dass der Besuch eines Touristen für etwa 100 Tonnen zusätzliche Schneeschmelze sorgt, während es bei einem Forscher rund 1.000 Tonnen sind.
"Die belgische Forschungsstation nutzt schon sehr viel saubere Energie, aber die meisten anderen Stationen kümmern sich nicht darum. Es gibt nagelneue Forschungsstationen, die keine erneuerbaren Energien nutzen. Und dabei sind die Technologien dafür vorhanden. Die Staaten, die in der Antarktis Forschung betreiben, müssten sie stärker einsetzen und darauf achten, ihre Stationen mit sauberer Energie zu versorgen."
Denn nur dann bleibt der Schnee der Antarktis der sauberste der Welt und die Heimat der Kaiserpinguine vor dem Schmutz der Menschheit bewahrt.