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Synthetische Maus-Embryonen
Schlagendes Herz, frühes Gehirn

Forscherteams aus Israel, England und den USA züchten aus Stammzellen der Maus synthetische Embryonen. Sie reifen im Labor heran und besitzen ein schlagendes Herz, einen Darmtrakt und ein frühes Gehirn. Auch menschliche Embryonen könnten zukünftig aus Stammzellen gezüchtet werden.

Von Michael Lange | 26.08.2022
Ein Mäuseembryo, dem Zellen injiziert wurden, die durch Stress wieder pluripotent wurden.
Aufnahme eines (nicht-synthetisch) erzeugten Mäuseembryos. (Haruko Obokata)
Das winzige Herz schlägt schnell, ein Darm ist zu sehen und auch die Anlage für ein Gehirn. Das Gebilde aus dem Labor von Magdalena Zernicka-Goetz vom CalTec in Kalifornien sieht aus wie ein Mäuseembryo nach gut acht Tagen Entwicklung. Allerdings ist dieses „Embryoid“ auf unnatürliche Art und Weise entstanden: Ohne Eizelle, Spermium und Gebärmutter.

„Synthetischer“ Embryo aus Stammzellen

Die Wissenschaftler haben lediglich drei Sorten Stammzellen in drehbare Glasgefäße gegeben. Die Stammzellen geraten in Bewegung und nehmen Kontakt miteinander auf. Angeregt durch einige Botenstoffe entwickeln sie sich gemeinsam Richtung Embryo. Nach acht Tagen bricht die Entwicklung ab. In der Natur würde es bis zur Geburt einer Maus 19 Tage brauchen.

Embryo oder Attrappe?

Viele Wissenschaftler sind begeistert und nennen das Ergebnis „atemberaubend“ oder „revolutionär“. Allerdings ist das Laborkonstrukt nicht in der Lage, sich über den neunten Tag hinaus weiter zu entwickeln. Die embryonale Entwicklung bricht ab. Auch die Verpflanzung in die Gebärmutter einer Maus brachte nichts.  Deshalb sprechen manche Experten lieber von einer Embryo-Attrappe als von einem synthetischen Embryo.

Weiter Weg zur Medizin

Das Team um Magdalena Zernicka-Goetz hat die Absicht auch menschliche Embryonen aus Stammzellen zu entwickeln. Ihr Ziel ist es, die Embryonalentwicklung des Menschen besser zu verstehen und die künstliche Befruchtung zu verbessern. In Zukunft könnten ähnlich wie Embryonen kleine Organe (Organoide) gezüchtet werden, für Experimente im Labor als Ersatz für Tierversuche. Fernziel der Wissenschaftler ist es, menschliche Organe für die Transplantation im Labor zu züchten.  
Wie synthetische Embryonen aus menschlichen Stammzellen ethisch und juristisch zu bewerten sind, ist noch unklar. Vorher müsste man wissen, ob es sich tatsächlich um Embryonen handelt, die das Potenzial haben, sich zum Menschen weiter zu entwickeln.