Freitag, 19. April 2024

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Bioakustik
Wie Fische und andere Gewässer-Bewohner kommunizieren

Wale singen. Delfine schnattern. Vom Knurrhahn dürften auch schon viele gehört haben. Doch unter Wasser produzieren noch Abertausende weitere Lebewesen Geräusche, bis hin zu Langusten und Seeigeln. Bioakustiker und Bioakusterinnen wollen jetzt ein Weltarchiv der Unterwasser-Laute aufbauen.

Von Volker Mrasek | 17.02.2022
Bunte Fische an einem Korallenriff im Meer.
Bunte Fische an einem Korallenriff im Meer. (imago-images / Ocean Photo)
Ein paar Takte Jazz gefällig? Kein Problem für den Schwarzgefleckten Umberfisch. Ein Blöken als Untermalung vom Höhlen bewohnenden Froschfisch! Wer spielt die Tuba? Spatenfische! Und wenn es auch noch ein Trommeln wie vom Specht sein darf? Bitte schön, Schlangenfische vervollständigen das Unterwasser-Orchester!

Bis zu 20.000 aller bekannten Fischarten produzieren Geräusche

“Man kann ohne Weiteres davon ausgehen, dass zehn- bis zwanzigtausend aller bekannten Fischarten Geräusche produzieren. Die meisten davon liegen in unserem Hörbereich. Viele Fische haben eine gasgefüllte Schwimmblase und bringen sie durch spezielle Muskeln zum Vibrieren. So kommunizieren sie! Vor allem beim Laichen, wenn die Männchen versuchen, Weibchen anzulocken.“
Miles Parsons forscht am Australischen Institut für Meereswissenschaft und bezeichnet sich selbst als marinen Bioakustiker. Fische sollen stumm sein? So ein Quatsch!
Roter Knurrhahn Seeschwalbenfisch Trigla lucerna Chelidonichthys lucernus schwimmend tub gurnar
Knurrhähne erzeugen Geräusche mit Hilfe ihrer Schwimmblase. (imago/blickwinkel)
“Unter Wasser kann man nicht besonders weit sehen. Einige zehn Meter, das ist oft die Grenze. Wenn man in der Tiefsee ist oder das Wasser trübe, erkennt man nicht einmal die eigene Hand vor Augen. Schall dagegen wird äußerst gut im Wasser transportiert, manchmal über Hunderte von Kilometern. Man kann sagen: Lautäußerungen sind die wichtigste Verständigungsform für Tiere im Meer und im Süßwasser.“   

Auch Langusten und Seeigel verraten sich akustisch                 

Bei Walen spricht man von Gesängen im Meer. Langusten stridulieren, wie man sagt: Sie reiben Glieder ihrer Antennen aneinander. Und selbst Seeigel verraten sich in den Aufnahmen von Unterwasser-Mikrofonen.
Solche Hydrophone nutzt auch die Niederländerin Ilse Van Opzeeland, Verhaltensbiologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven: „Viele Geräusche sind auch quasi Nebengeräusche. Und das ist bei Seeigeln auch so. Das sind Fressgeräusche.“
Da wundert es dann auch keinen mehr, dass Krebstiere Krach machen wie diese Neuseeländische Ruderkrabbe.

Eine Bibliothek biologischer Unterwassergeräusche

Mehrere Forschungsinstitutionen und -gruppen unterhalten bereits aquatische Tonarchive. Jetzt gibt es den Plan, sie alle zusammenzuführen und weiter auszubauen. Um so eine Globale Bibliothek biologischer Unterwassergeräusche zu schaffen. Die Zeit sei reif, um Meere, Flüsse und Seen jetzt auch akustisch umfassend zu kartieren, sagt Miles Parsons:
“In den letzten zehn bis 15 Jahren gab es gewaltige Technologiesprünge - sowohl bei den Mikrofonen wie auch in der Auswertung und Speicherung von akustischen Daten. Wir können heute viel, viel größere Datenmengen sammeln und verarbeiten. Mittlerweile gibt es sogar kleine Hydrophone, die man an sein Smartphone anschließen kann! Diese Fortschritte kommen zu einer Zeit, in der die Biodiversität abnimmt und der Klimawandel dazu führt, dass sich die Verbreitung von Arten im Meer und im Süßwasser ändert. Es ist klar, dass wir das erfassen müssen.“   

Corona-Krise bot neue Chancen für die Bioakustik                                    

Die Corona-Krise bot den Bioakustikern ganz neue Chancen. Der Seeverkehr brach am Anfang stark ein. Dadurch erfassten ihre Hydrophone erstmals Arten, die vorher in dem ganzen Schiffslärm verborgen geblieben waren.
Delfin an der Küste der Bahamas.
Delfin an der Küste der Bahamas. (picture alliance / dpa / Launette Florian)
Es habe in dieser Zeit etliche akustische Studien gegeben, sagt Ilse Van Opzeeland. Zum Beispiel an Delfinen. Ihr Kommunikationsradius habe sich damals verdoppelt:      
„Das sind schon spannende Ergebnisse, wie man sieht, wie eigentlich der tagtägliche Unterwasserlärm sich auswirkt. Und wenn der mal wegfällt, was für einen krassen Unterschied das eigentlich macht.“     
Bei etlichen Lauten aus der Unterwasser-Welt ist noch unbekannt, von wem sie eigentlich stammen. Das neue Audio-Archiv soll helfen, diese Wissenslücken zu schließen. Damit in Zukunft für möglichst viele Tierarten im Salz- und Süßwasser auch akustische Steckbriefe zur Verfügung stehen.