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Bayern
Warum der Geothermie-Ausbau schwierig ist

Erdwärme aus großen Tiefen könnte ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs decken. Doch selbst in Bayern, das beim Ausbau der Ressource führend ist, ist es gerade ein halbes Prozent. Woran hapert der Ausbau?

Von Karl Urban | 10.10.2022
Beginn der Sondenbohrungen für die Wärmeversorgung, das Bohr-Gerät ist im Einsatz.
In Bad Grönenbach im Allgäu wird ein Loch für eine Geothermie-Anlage gebohrt. (Imago/ MiS)
Bayern ist deutschlandweit führend im Bereich der Geothermie, sagt der bayrische Staatsminister für Wirtschaft, Hubert Aiwanger: "Wir haben natürlich auch die größten Vorkommen, vor allem dieses süddeutsche Molassebecken, wo einfach die größten Wärmevorräte sind. Aber wir stehen noch ganz am Anfang."
Hubert Aiwanger kam zu einer Stippvisite auf dem Praxisforum Geothermie in Pullach im Süden von München. Vor allem diskutierten hier aber Geologinnen und Ingenieure darüber, wie ein gewaltiger Schatz aus erneuerbarer Energie tief in der Erde gehoben werden könnte.

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Studie: Geothermie kann Region von München bis Rosenheim beheizen

Einer von Ihnen ist Wolfgang Geisinger, dessen GmbH vor drei Jahren über die Geothermie Allianz Bayern eine Studie an der TU München initiiert hat: "Die sehr gut nachgewiesen hat, dass das geothermische Potenzial hier so groß ist, dass die komplette Region München bis raus nach Augsburg oder Rosenheim oder noch weiter komplett geothermisch beheizt werden kann."
Wolfgang Geisinger ist Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching, wo vor knapp 20 Jahren in gut drei Kilometer tiefes Gestein gebohrt wurde, um über 120 Grad Celsius heißes Thermalwasser zu erschließen und dann zu verteilen. Jeder Kilometer des Fernwärmenetzes kostete die Gemeinde weit über eine Million Euro, weshalb bis heute erst die Hälfte der 27.000 Einwohner angeschlossen sind.
Die freuen sich jetzt aber über Heizkosten, die auch im Jahr der Gaskrise nur um drei Prozent gestiegen sind. Herbert Pohl, Geschäftsführer des Unternehmens Deutsche Erdwärme, sagt dazu: "Die Geothermie muss aus meiner Sicht einen signifikanten Beitrag zur Wärmeversorgung leisten und kann es auch leisten."

Erdwärmevorkommen: Großes Potenzial, schwierige Umsetzung

Herbert Pohls Unternehmen plant und realisiert derzeit mehrere Tiefenbohrungen im Umfeld von Karlsruhe. Wie im südlichen Bayern liegen auch am Oberrhein besonders heiße Gesteine in der Tiefe. Deutschlandweit ließe sich laut einer Studie des Umweltbundesamts ein Viertel des Wärmebedarfs wirtschaftlich durch tiefe Erdwärmevorkommen decken.
Die praktische Umsetzung liegt allerdings noch in weiter Ferne. Herbert Pohls Unternehmen hat das mal ausgerechnet, sagt der Geschäftsführer: "Das hieße, dass wir über 20 Jahre hinweg parallel etwa 50 Bohrtürme haben, die permanent im Einsatz sind und solche Projekte entwickeln. Das ist ein Vielfaches von dem, was wir heute haben."
Doch für Pohl geht es nicht nur um Bohrtürme, "sondern es geht natürlich auch um die gesamten Spezialisten, die auf diesen Bohranlagen arbeiten. Es geht hinterher um diejenigen, die die Wärmenetze ausbauen. Es geht um die, die die Kraftwerke bauen."

Auch Milliardenforderung reicht nicht aus

Am Oberrhein haben ausgelöste schwache Erdbeben die Geothermie immer wieder in Verruf gebracht. Diesem Risiko könne man laut Herbert Pohl aber aus dem Weg gehen, wenn dort sehr tief liegendes Granit- und Schiefergestein gemieden wird, das unter allzu großer tektonischer Spannung steht.
Für das geologisch stabilere Bayern stellt sich für Hubert Aiwanger eine ganz andere Frage: "Die Bohrungen und die Leitungen, das sind Infrastrukturinvestitionen, die in die Hunderte Millionen gehen, teilweise pro Anlage. Und das muss jemand schultern." Der bayrische Wirtschaftsminister hofft auf Mittel des Bundes, der in den nächsten Jahren drei Milliarden Euro für die Fernwärmenetze zur Verfügung stellen wird. Doch diese Mittel reichen kaum aus.
Schon jetzt ist klar: Die Erschließung der tiefen Erdwärme braucht viel mehr Geld und vor allem Zeit. Als ernst zu nehmende Alternative zu Heizöl und Erdgas dürfte sie frühstens in ein bis zwei Jahrzehnten taugen.