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LNG-Beschleunigungsgesetz
Bundesumweltministerin Lemke (Grüne): Dramatische Beschleunigung für den Klimaschutz

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßt den vom Kabinett beschlossenen beschleunigten Ausbau von LNG Terminals. Trotz hohen Tempos werde es bei Umwelt-Standards keine Abstriche geben, versicherte sie im Dlf. Bedenken hat sie jedoch wegen der geplanten Laufzeit für die fossile Nutzung der Anlagen.

Steffi Lemke im Gespräch mit Jasper Barenberg |
Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Umweltminsterin Steffi Lemke ( Grüne): Der Ausbau der Erneuerbaren und die Unabhängigkeit von fossilen Importen aus anderen Staaten - beides sei zentrale Vorgabe der Bundesregierung (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Der Krieg in der Ukraine lässt den Umwelt- und Klimaschutz etwas in den Hintergrund treten - kritisieren derzeit nicht nur Umweltverbände. Energieversorgung und Versorgungssicherheit stehen auf einmal ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung. Selbst eine Laufzeitverlängerung für die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke wird in diesem Zusammenhang von einigen wieder vorgeschlagen. Vor diesem Hintergrund kommen die Umweltministerinnen und Umweltminister von Bund und Ländern in Wilhelmshaven zusammen. (12.05.-13.05.2022)
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/ Die Grünen) sagte im Deutschlandfunk, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe deutlich gemacht, wie verletzlich unsere Energieversorgung sei. Es sei eine "Not- und Ausnahmesituation", in der alles dafür getan werden müsse, dass es im Winter warm bleibe und die Industrie mit Energie versorgt sei. Der Naturschutz dürfe dabei aber nicht unberücksichtigt bleiben. Für den Klimaschutz sehe sie sogar "eine dramatische Beschleunigung" - jetzt werde forciert, von fossilen Energien unabhängig zu werden. Das helfe auch der Ukraine in ihrem Widerstandskampf.

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Lemke verteidigte den Beschluss des Bundeskabinetts für das sogenannte Planungsbeschleunigungsgesetz (10.05.2022) gegen Kritik von Umweltverbänden. Durch das neue Gesetz, dass unter anderem den Bau von Terminals für Flüssiggas (LNG) und von Windkraftanlagen schnell voranbringen soll, würde dass Prüfverfahren für Umwelt und Naturschutz zwar erleichtert, Standards aber nicht abgesenkt, insbesondere nicht im Hinblick auf die Sicherheit.
Die LNG-Terminals sollen keine rein fossilen Infrastrukturen sein, sondern "wasserstoff-ready" gebaut werden, also so, dass sie später auch zur Speicherung von Wasserstoff verwendet werden können, erläuterte Lemke. Bis 2043 dürften sie aber noch fossil versorgt werden. Da Klimaneutralität bis 2045 angestrebt werde, hätte sie ein früheres Ende gewünscht, räumte Lemke ein.
Explizit sprach sich die Umweltministerin gegen den Ausbau von Fracking in Deutschland aus. Die Dürre in vielen Teilen Deutschlands zeige, wie wichtig eine sichere und saubere Wasserversorgung sei, sagte Lemke. Fracking in Deutschland nicht zuzulassen, sei Konsens, denn diese Methode zur Gasgewinnung gefährde das Wasser. Dieser Ansicht habe sich auch die CDU angeschlossen.

Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Frau Lemke, wir hören viel über die geplanten neuen Terminals für Flüssig-Erdgas (LNG). Wir hören von umweltschädlichem Fracking-Gas aus den Vereinigten Staaten, Ölförderung im Naturschutzgebiet in der Nordsee. Warum ist auf einmal alles möglich und willkommen, was ja gerade die Grünen über Jahre verteufelt haben?
Steffi Lemke: Ich würde nicht sagen, dass alles möglich ist. Ich würde nicht sagen, dass alles willkommen ist. Ich würde es so beschreiben, dass wir uns in einer Notsituation, in einer Ausnahmesituation befinden, weil der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine deutlichmacht, wie verletzlich unsere Energieversorgung, unsere Energiesicherheit ist, wie abhängig wir von fossilen, von russischen Importen sind. Deshalb werden wir jetzt einerseits alles dafür tun müssen, dass es im Winter warm bleibt, dass auch die Industrie mit Energie versorgt ist, und auf der anderen Seite nicht der Naturschutz dabei unberücksichtigt bleibt. Für den Klimaschutz würde ich sogar eine dramatische Beschleunigung sehen, weil jetzt forciert wird, von fossilen Energien unabhängig zu werden. Das unterstützt die Situation in der Ukraine, das hilft der Ukraine in ihrem Widerstandskampf einerseits, aber wenn wir schneller unabhängig von fossilen Importen werden, bedeutet das auch, dass der Klimaschutz gestärkt wird.

Bau von LNG-Terminals - keine Abstriche bei den Standards

Barenberg: Jetzt hören wir die Tage, dass in Windeseile diese LNG-Terminals für Flüssig-Erdgas errichtet werden sollen. Noch vor Jahresende soll das erste schwimmende in Wilhelmshaven in Betrieb gehen. Und wir hören auch, die Verträglichkeit für die Umwelt, all die Prüfungen, die da früher mal vorgesehen waren, die müssen jetzt gar nicht mehr stattfinden. Was anderes heißt das, als dass Umweltschutz, Artenschutz, Klimaschutz am Ende zurückstecken muss?
Lemke: Wir sehen ja gerade in diesen Tagen, wo die Gasversorgung aus Russland reduziert worden ist, dass es auf jede Woche ankommt, damit wir die Energiesicherheit gewährleisten können. Deshalb finde ich es einerseits richtig zu beschleunigen. Dafür habe ich mit dem Bundeswirtschaftsminister ein Verfahren ausgearbeitet, das Ausnahmerechtsbestände, die es im EU-Recht jetzt bereits gibt, genutzt werden können für den beschleunigten Ausbau der LNG-Terminals. Aber es ist nicht so, dass dabei kein Umwelt- und Naturschutz mehr berücksichtigt werden muss. Wir erleichtern die Möglichkeit mit der Umweltverträglichkeitsprüfung auf der einen Seite, aber Naturschutzauflagen müssen eingehalten werden, Naturschutzauswirkungen müssen dennoch berücksichtigt und ausgeglichen werden, wenn es welche gibt, und insbesondere beim Bundesemissionsschutz, das heißt der Frage, ist die Anlage sicher, was tritt möglicherweise aus, Schadensvorsorge, Notfallpläne, in diesem Bereich gibt es keine Abstriche. Wir beschleunigen das Verfahren, senken aber nicht die Standards.

Verfahren beschleunigen - auch beim Ausbau der Windkraft

Barenberg: Sie sagen, es wird sehr viel schneller gehen, aber ohne jeden Abstrich beim Umweltschutz. Da fragt man sich ja unwillkürlich, warum war das bisher nicht möglich.
Lemke: Das wäre vermutlicherweise eine andere Diskussion. Wir sind ja auch beim Ausbau der Erneuerbaren insgesamt, beim Ausbau der Windkraft gerade dabei, Verfahren zu beschleunigen, indem wir beispielsweise Standardisierungen vornehmen, einheitliche Regelungen schaffen, Klarheit in der Auslegung der Regelungen schaffen. Ich möchte aber auch betonen, dass vor allem die Frage, ob genug Personal in den Planungsbehörden, auch in den Naturschutzbehörden im Übrigen da ist, eine entscheidende Frage dafür sein wird, ob wir mit dem Ausbau der Erneuerbaren schnell genug vorankommen.
Barenberg: Wenn jetzt diese LNG-Terminals gebaut werden, zunächst mal vorläufige schwimmende, und dann ist ja auch der Plan, dass das feste Anlagen werden, was anderes ist das als zu zementieren, dass wir noch auf Jahre hinaus genau abhängig sein werden von fossilen Brennstoffen, ungefähr das Gegenteil von dem, was Sie als Umweltministerin ja eigentlich bezwecken wollen?
Lemke: Wir werden in diesem Beschleunigungsgesetz, das jetzt sehr schnell im Deutschen Bundestag verabschiedet werden soll von den Koalitionsfraktionen, einerseits festlegen, dass die Anlagen so gebaut sein müssen, dass sie für erneuerbare Energien, sprich für Wasserstofftechnologie nutzbar sein werden. Das heißt, es dürfen keine rein fossilen Infrastrukturen sein.

"Keine Zementierung fossiler Infrastruktur"

Barenberg: Ab wann soll das dann sein, Frau Lemke?
Lemke: Es wird zweitens festgelegt, dass sie nur bis 2043 maximal auf diese Art und Weise betrieben werden dürfen, also mit fossiler Versorgung. Ich hätte mir hier auch ein früheres Ende ganz ehrlich gewünscht, denn wir wollen ja bis 2045 bereits klimaneutral sein. Und ich finde es auch sinnvoll, wenn man sich auf die schwimmenden Terminals konzentriert, oder nur die schwimmenden Terminals in Betrieb nimmt und baut, weil die flexibler sind, als wenn jetzt feste Strukturen an Land errichtet werden.
Barenberg: Wir können notieren, in der Auseinandersetzung mit dem Wirtschafts- und Klimaminister, mit Robert Habeck, Ihrem Parteifreund, da werden Sie darauf drängen, dass es möglicherweise vorläufige LNG-Terminals gibt, aber keinesfalls feste Anlagen, die ja auch erst in fünf bis sechs Jahren, glaube ich, betriebsbereit wären?
Lemke: Wir müssen darauf achten, dass, so wie Sie es sagten, keine Zementierung fossiler Infrastruktur stattfindet. Wir würden uns dann ja abhängig machen von Importen aus anderen Staaten, möglicherweise auch mit unsicheren geopolitischen Entwicklungen, und deshalb bleibt der Ausbau der Erneuerbaren, bleibt das unabhängiger machen von solchen Importen das zentrale Vorhaben der gesamten Bundesregierung, Klimaminister wie Umweltministerin.
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Saad Scharida al-Kaabi, Energieminister von Katar, bei einem Gespräch.
Neuer Gaslieferant Katar? Wirtschaftsminister Robert Habeck (l) bittet in dem arabischen Land um Gas (Bernd von Jutrczenka/dpa)
Barenberg: Wenn jetzt Katar zum Beispiel sagt, wir wollen Verträge gerne über die nächsten 20, 30 Jahre abschließen, dann sagen Sie, das können wir uns nicht leisten, das geht nicht unter Umweltgesichtspunkten?
Lemke: Die Vertragsgestaltung dafür wird im Detail in den Händen des Wirtschaftsministers Robert Habeck liegen, der gleichzeitig Klimaschutzminister ist. Deshalb können wir beide, können die Zuhörer*innen sicher sein, dass die Verträge den Klimaschutz, den Ausstieg aus den Fossilen, das unabhängig werden von Importen ganz vorne anstehen hat.

Kein Fracking in Deutschland zulassen

Barenberg: Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen. Da will der Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart von der FDP ja prüfen, ob bei uns auch Gas mit der Fracking-Methode gewonnen werden kann. Wir haben alle die Beispiele aus den USA vor Augen. Dann müsste man es nicht von dort importieren. Sind Sie da an seiner Seite?
Lemke: Da bin ich nicht an seiner Seite, weil das das Zementieren fossiler Strukturen wäre, mit langwierigen Investitionen, mit Belastungen möglicherweise des Wassers, und wir erleben ja gerade durch eine Dürre in vielen Teilen unseres Landes, dass die Frage einer sicheren und sauberen Wasserversorgung massiv an Bedeutung gewinnt. Deshalb ist in einem Konsens, dem sich ja auch die CDU angeschlossen hatte, festgelegt worden, dass wir kein Fracking mit dieser Methode, die das Wasser gefährdet, in Deutschland zulassen wollen.
Der einzige aktive Fracking-Standort in Großbritannien befindet sich in Kirkham in Nordengland. Dort bohrt die Firma Cuadrilla Resources Limited bohrt nach Öl und Gas.
Fracking in Großbritannien in Kirkham in Nordengland (imago images / ZUMA Press)
Barenberg: Letzte Frage noch, Frau Lemke. Es gibt auch Pläne von Wintershall, in der Nordsee, im schleswig-holsteinischen Wattenmeer-Naturschutzgebiet Öl zu fördern. Was sagen Sie dazu?
Lemke: Auch da muss man, glaube ich, sehr präzise hinschauen. Diese Möglichkeit existiert bereits jetzt und hat strenge Auflagen für den Nationalpark, für den Meeresschutz. Wenn jetzt von den Ländern dort tatsächlich die Ölförderung ausgeweitet werden sollte, dann muss dies meiner Ansicht nach mit einem früheren Förderende verbunden sein und nicht mit einer Erhöhung der Fördermenge über einen langen Zeitraum. So hat sich nach meiner Kenntnis auch der zuständige Landesumweltminister geäußert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.