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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Bio-Kraftstoff aus Klärschlamm

Bei hohem Druck und großer Hitze verwandelt sich Biomasse in Bio-Rohöl, aus dem sich nachhaltige Kraftstoffe wie Diesel und Kerosin herstellen lassen. Im Labor funktioniert die hydrothermale Verflüssigung schon länger. Nun sollen Pilotprojekte zeigen, wo sie sich rechnet.

Von Tomma Schröder | 28.06.2022
Reaktor zur hydrothermalen Liquifizierung von Biomasse an der Universität Aarhus
Hydrothermale Verflüssigung: In diesem Reaktor wird Biomasse unter Druck und bei hohen Temperaturen in Bio-Rohöl verwandelt. (AU Foto)
Die Anlage an sich sieht unscheinbar aus: Ein Container aus Plexiglas, vollgestopft mit Kolben und Rohren, Pumpen und Behältern, Kabeln und Messgeräten. Doch im Innern dieser Anlage geschieht Erstaunliches: Ganz gleich ob vorne Stroh oder Algen, Gras oder Holz, Essensreste oder Klärschlamm hineingegeben werden, am Ende kommt aus einem dünnen Rohr eine helle, etwas gelbliche Flüssigkeit mit einem zähen schwarzen Schleim heraus. „Das kann man sich so ein bisschen vorstellen, wie wenn ein Öltanker irgendwie verunglückt. Da schwimmt das Öl auf dem Wasser und das ist bei unserem Reaktor eben auch so“, erklärt Patrick Biller von der Universität Aarhus.

Druck und Hitze zersetzen Biomasse im Eiltempo

In der Natur wandern organische Reste in Jahrmillionen in tiefe Erdschichten und werden bei den dort herrschenden hohen Temperaturen und Drücken zu Erdöl. In dem Reaktor in seinem Labor laufe ein ganz ähnlicher Prozess ab – nur ungleich schneller, erklärt Biller. In seinen 20 Liter fassenden Rohren verdaut er kontinuierlich Biomasse: „Und es dauert ca. 15 Minuten, bis das einmal durchläuft. Erst kommt die kalte Biomasse mit hohem Druck durch den Wärmetauscher. Nach dem Wärmetauscher hat man ein bisschen elektrische Hitze, die man dazu gibt, um seine Reaktortemperatur zu erreichen. Und dann, nach fünf Minuten bei 325 Grad, geht es zurück durch den Wärmetauscher, wo die Wärme dann wieder zurückgewonnen wird. “

Die eingesetzte Energiemenge vervierfacht sich

Am Ende wird nur noch nach und nach der Druck abgelassen und schon quillt das schwarze Öl aus den Rohren. Dabei könnten dank der Wärmetauscher 80 Prozent der zugeführten Wärmeenergie wieder zurückgewonnen werden, sagt Patrick Biller: „An unserem Pilotreaktor hier, da ist das Verhältnis vier zu eins. Also wir kriegen vier Energieeinheiten als Öl raus und müssen eine Energieeinheit investieren.“
Für eine Pilotanlage, meint Biller, sei das ein ganz gutes Verhältnis, dass sich künftig wohl noch verbessern ließe. Nach der Weiterbehandlung in einer Raffinerie könnte das gewonnene Öl als Treibstoff für Diesel, Benziner oder auch als Kerosin für Flugzeuge verwendet werden.

Diesel, Benzin und Kerosin aus Bio-Rohöl

Warum also stehen diese Wunderanlagen nicht längst allerorten? Patrick Biller: „Ich denke, der allergrößte Nachteil der hydrothermalen Verflüssigung ist, dass man eben diese Wasserphase hat am Ende. Und das Wasser ist eben schmutzig und das schmutzige Wasser ist wirklich eine Herausforderung.“
Das Wasser zu entsorgen, zu reinigen, ist kostspielig. Allerdings nicht, wenn man die Kläranlage direkt nebenan hätte. Das wiederum macht den Klärschlamm als Ausgangsstoff für die Produktion von Bio-Rohöl besonders attraktiv. Wenn man den Schlamm direkt vor Ort verarbeiten würde, könnte man das Wasser in der Kläranlage gleich wieder reinigen und könnte sich auch die sehr hohen Kosten für die Entsorgung des Schlamms sparen. Wichtige Nährstoffe wie Phosphor ließen sich dabei sogar deutlich besser zurückgewinnen als bei der bisher oft praktizierten Verbrennung des Klärschlamms.
Patrick Biller forscht an der Universität Aarhus in Dänemark an der hydrothermalen Verflüssigung Gülle, Pflanzenabfällen und Klärschlamm.
Patrick Biller forscht an der Universität Aarhus in Dänemark an der hydrothermalen Verflüssigung Gülle, Pflanzenabfällen und Klärschlamm. (AU Foto)

Biosprit aus Klärschlamm vielversprechend

Eine erste kommerzielle Anlage zur hydrothermalen Verflüssigung solle Ende des Jahres bei einer Kläranlage im dänischen Fredericia errichtet werden, sagt Patrick Biller von der Universität Aarhus. Ein kleines „Aber“ gibt es indes auch beim Klärschlamm: „Der einzige Nachteil ist, dass es nicht so viel Klärschlamm gibt, dass man da wirklich einen sehr großen Einfluss auf den kompletten Kraftstoffverbrauch Europas oder Deutschlands machen kann.“
Valentin Batteiger von der Forschungseinrichtung Bauhaus Luftfahrt bei München sieht das zwar genauso, stellt aber klar: „Auch wenn es so ist, dass wir jetzt nicht mit Klärschlamm die Luftfahrt betreiben können, sondern nur eben zu einem kleinen Teil, muss man auch sagen: Der Kraftstoffbedarf der Luftfahrt, der ist eben sehr groß. Und auch dieser kleine Teil ist schon ein massives Geschäftsfeld.“

Produktionskosten bereits konkurrenzfähig

Gemeinsam mit Patrick Biller und der Universität Aarhus hat Valentin Batteiger ökonomische Analysen für verschiedene Ausgangsmaterialien durchgeführt. Die Algen schnitten dabei eher schlecht ab, das Stroh durchschnittlich und der Klärschlamm besonders gut. Würde er in kommerziellen Anlagen zu Rohöl verarbeitet, dann käme man auf einen Marktpreis von 90 Euro pro Barrel, so das Ergebnis der Analyse – und läge damit unterhalb des derzeitigen Preises für Erdöl.
Außerdem laufen derzeit noch zwei größere Projekte, die weiche Plastikabfälle verwerten, so Patrick Biller: "Zum Beispiel Polypropylen, Polyethylen - also so Plastiksorten, die eben schwer zu recyceln sind.“ Wie beim Klärschlamm auch, gibt es beim Plastik ein Entsorgungsproblem, was es als Ausgangsmaterial für Bio-Rohöl besonders interessant macht.

Verwertung von Plastikabfällen

Im englischen Teesside etwa wird gerade eine kommerzielle Anlage gebaut, in der auch schwer recyclebares Plastik verarbeitet wird." Dabei werde durch hydrothermale Verflüssigung das für die Plastikproduktion verwendete Erdöl quasi zurückgewonnen, so dass es anschließend zu neuen Kraftstoffen, Chemikalien oder auch wieder zu Plastik verarbeitet werden kann, sagt Biller: „Und da ist der Business Case eben sehr sehr gut. Da das Plastik relativ trocken ist, wenn man das bekommt, kann man das Wasser direkt im Prozess recyceln. Also hat man kein so großes Problem mit dem Abwasser.“
Ob es schließlich die Gülle sein wird, die künftig Schiffe antreibt, oder Klärschlamm, der zumindest einige Flugzeuge abheben lässt oder aus bisher entsorgtem Plastik wieder neue Chemikalien hergestellt werden – all das ist derzeit noch nicht recht abzusehen. Denn es kommt auf den jeweiligen Standort, die verfügbaren Rohstoffe oder Abfälle und die Transportwege an. Sowohl Batteiger als auch Biller gehen aber davon aus, dass die Technologie in den kommenden Jahren auch kommerziell deutlich mehr genutzt werden wird.