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Kommentar zu BND-Spion
Staatsgeheimnisse zu verraten, ist ein schwerwiegender Vorwurf

Der mögliche Schaden durch einen russischen Spion im BND sei für Deutschland und auch verbündete Staaten sehr hoch, kommentiert Gerwald Herter. Erleichtert, dass ein mutmaßlicher Doppelagent aufgeflogen sei, könne deshalb jetzt niemand sein.

Ein Kommentar von Gerwald Herter | 23.12.2022
An einem Eingang der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes steht der Schriftzug des Geheimdienstes.
Verdacht auf Russland-Spionage durch BND-Mitarbeiter (picture alliance / Christophe Gateau)
Trotz aller Technik, trotz Satellitenaufklärung, Cyber-Angriffen oder dem systematischen Abfangen von Funksprüchen und anderen Signalen: Menschliche Quellen können für Geheimdienste nach wie vor von unschätzbarem Wert sein. Der beschuldigte Carsten L. arbeitete beim Bundesnachrichtendienst. Stimmen die Vorwürfe gegen ihn, so war er eine Innenquelle in russischen Diensten. Somit wäre das Schadenspotenzial für Deutschland und möglicherweise auch verbündete Staaten sehr hoch - und das in diesen Kriegszeiten.
Vor dem 24. Februar hatte der Bundesnachrichtendienst die deutsche Politik davor gewarnt, dass Putin es ernst meint, spätestens seit dem Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine beteiligt sich der BND an der Aufklärung im Kriegsgebiet. Er liefert der ukrainischen Seite inzwischen Informationen, etwa über Flugplätze und Munitionsdepots. Damit werden ukrainische Angriffe auf russische Ziele vorbereitet.

In Kiew sorgen die schlechten Nachrichten für Unruhe

Der BND verfügt außerdem über andere, höchst brisante Informationen, etwa über die Ausbildung ukrainischer Einheiten in Deutschland oder die Lieferung deutscher Waffensysteme. Hinzu kommen Erkenntnisse von ausländischen Verbündeten, etwa Großbritanniens und der USA. Dort und in Kiew dürften die schlechten Nachrichten aus Berlin für einige Unruhe sorgen.    
Erleichtert kann jetzt schon deshalb niemand sein. Ein mutmaßlicher Doppelagent ist aufgeflogen, ja, doch der mögliche Schaden ist hoch. Schon gibt es Spekulationen, wonach der Beschuldige ein leitender BND-Mitarbeiter mit Zugang zu umfangreichen Daten war, die auch von ausländischen Partnerdiensten geliefert wurden. Fest steht bisher nicht einmal, ob er Russland noch vor Kriegsbeginn oder erst danach Informationen geliefert haben soll.

Es geht um Staatsgeheimisse, nicht allein um Spionage

Nur eines ist klar: Der Vorwurf des Landesverrats wiegt besonders schwer. Es geht demnach um Staatsgeheimisse, nicht allein um Spionage. In besonders schweren Fällen kann Landesverrat in Deutschland mit lebenslanger Haft bestraft werden.
An Aufrufen zu mehr Wachsamkeit fehlt es jetzt nicht. Den Verantwortlichen von deutschen Sicherheitsbehörden und Diensten kann man in dieser Hinsicht nichts vorwerfen. Sie warnen seit Monaten. In Deutschland gibt es fast laufend Gerichtsverfahren wegen Spionagetätigkeiten, gerade in Diensten Russlands. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sollen mindestens 15.000 Beschäftigte für den russischen Auslandsgeheimdienst SWR arbeiten, 37.000 für den Militärgeheimdienst GRU, etwa 350.000 für den Inlandsdienst FSB.
Sie alle stehen wegen des Angriffs auf die Ukraine nun unter besonders hohem Druck, brauchbare Erkenntnisse zu liefern. Und gute Aufklärungsergebnisse waren für die Ukraine bisher ein großer Vorteil im Kampf gegen die russischen Angreifer. Sie dürfen nicht auf dem Spiel stehen, dabei muss es bleiben.  
Gerwald Herter
Gerwald Herter studierte Geschichte und Internationale Beziehungen in München und Straßburg. Tätigkeit im Institut für Zeitgeschichte, freie Mitarbeit bei ARTE und beim ARD-Fernsehen. Volontariat beim Bayerischen Rundfunk. BR-Korrespondent zunächst in Bonn, dann in Brüssel, anschließend Leiter des ARD-Studios Südosteuropa, später ARD-Terrorismusexperte. Seit 2011 in der Abteilung Hintergrund des Deutschlandfunks, Schwerpunkt Europa- und Internationale Politik.