
Wie kann die neue Bundesregierung der Bevölkerung und ihren Wählerinnen und Wählern beweisen, dass sie aus den Fehlern des Vorgängerkabinetts gelernt hat? Gerade die Union steht unter dem Druck, den großen Worten, die von der Oppositionsbank aus und im Wahlkampf geäußert worden sind, Taten folgen zu lassen.
Nicht anders lassen sich die schlichten, aber vielsagenden Sätze erklären, die Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, in den vergangenen Tagen von sich hören ließ. Kaum ernannt und vereidigt, kündigte sie bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats wortwörtlich „die Abschaffung des Betriebsverbots für Heizkessel“ an. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ ergänzte die Christdemokratin: „Es muss Schluss sein mit dem Zwang zur Wärmepumpe.“
Das ist keine Überraschung, denn der Koalitionsvertrag formuliert klipp und klar: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“ Dass die erste deutsche Bundeswirtschaftsministerin diese Absicht in ihren ersten Tagen im Amt derart plakativ unterstreicht, ist kein Zufall: Klarer hätte sie sich in Fragen der Energiewende nicht von ihrem grünen Vorgänger Robert Habeck absetzen und auf größtmöglichen Beifall hoffen können. Das Heizungsgesetz gilt immer noch als Schreckgespenst der rot-grün-gelben Regierung.
Den "Zwang zur Wärmepumpe" gab es nie
Indes: Der Zwang zur Wärmepumpe – Katharina Reiche wird sehr wohl wissen, dass ein solcher Zwang nicht existiert und von Habeck oder anderen Grünen nie beabsichtigt war. Sie kommt aus der Energiewirtschaft. Sie war Vorsitzende der Geschäftsführung der Westenergie AG, einer E.ON-Tochtergesellschaft. Entsprechend ist dieser Satz symbolisch zu verstehen. Er soll vermitteln, dass die Neue im Wirtschaftsministerium und die Union die Bevölkerung nicht zu ihrem Glück und klimafreundlicherem Verhalten zwingen wollen. Womöglich kündigt die Aussage auch Reiches Politikstil an: klare Kante und klare Worte, populär bis populistisch.
Zwang – das war ein Schlüsselwort für die Opposition, um sich an der Ampelpolitik abzuarbeiten, insbesondere an der Arbeit der Grünen. Das Etikett der Verbotspartei haftet ihnen wohl stärker an als je zuvor. In einer Umfrage zur Bundestagswahl für die ARD stimmten mehr als die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass die Grünen ihnen vorschreiben wollten, wie sie zu leben hätten.
Das Heizungsgesetz, zu schnell und womöglich schlampig umgesetzt, obendrein schlecht vermittelt und zugespitzt kommuniziert, hängt den Grünen und ihrem Ex-Kanzlerkandidaten bis heute nach. Dabei gibt es wenig Zweifel daran, dass es sinnvoll ist, alte Öl- und Gasheizungen auszutauschen, weil sie zu viel CO2 ausstoßen.
Hausbesitzer davon zu überzeugen, ist allemal besser als ihnen die Daumenschrauben anzulegen, keine Frage. Dabei wirken finanzielle Anreize in der Regel besser als ideelle. Katharina Reiche setzt auf Eigenverantwortung: Hausbesitzern soll ein CO2-Wert zugebilligt werden, sie sollen selbst entscheiden, wie sie ihn einhalten. Der Koalitionsvertrag sieht außerdem vor, Spielräume bei europäischen Vorgaben auszuschöpfen und Übergangsfristen zu verlängern. Die Rede ist von steuerlichen Anreizen und finanzieller Förderung. Letzteres hat beim Umstieg auf umweltfreundlichere E-Autos bislang nicht geklappt. Die Zulassungszahlen sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Klimaschutz bleibt auf der Strecke
Schon im Wahlkampf wurde bemängelt, dass das Thema Klimaschutz zwischen den Themen Migration, Wirtschaftskraft und Sanierungsstau auf der Strecke geblieben sei. Klimaschutz sei eine Herausforderung, der man sich stellen müsse, räumt Katharina Reiche im „Handelsblatt“-Interview ein. Aber es könne nicht das einzige Ziel des Wirtschaftsministeriums sein. Auch damit wird sie den Nerv vieler Unionswählerinnen und -wähler treffen, die sich sorgen, wie teuer sie die Energie- und Wärmewende zu stehen kommt, und zwar jetzt und in Euro, nicht in einigen Jahren, um Klimaschäden zu beheben.
Das ist allzu menschlich und trotzdem kurzsichtig. Die schwarz-rote Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zu den deutschen und europäischen Klimazielen, zum Pariser Klimaabkommen und damit zur Klimaneutralität im Jahr 2045. Das Bekenntnis allein wird nicht reichen. Populäre Absetzbewegungen von der Vorgängerregierung und eine Positionierung als Gegenentwurf zu Habeck auch nicht.


Silke Hellwig hat volontiert bei der "Hessisch-Niedersächsischen" Allgemeinen und deren (einstiger) Tochter "Mitteldeutsche Allgemeine", danach war sie Redakteurin in Thüringen und Nordhessen. Sie wechselte zum "Weser-Kurier", anschließend ein Jahr bei der "FAZ", danach rund zehn Jahre bei Radio Bremen Fernsehen (Reporterin, CvD, Abteilungsleiterin). Währenddessen eine Zeit lang freie Tätigkeit für die "Zeit". Seit fünf Jahren ist sie Chefredakteurin beim "Weser-Kurier".