Weltklimakonferenz COP30
Sechs Gründe für Optimismus in der Klimakrise

Vor der UN-Klimakonferenz gibt es viele alarmierende Nachrichten zum internationalen Klimaschutz. Doch gleichzeitig gibt es auch Fortschritte, die Mut machen. Insbesondere der Boom der Solarenergie hat das Potenzial, eine Trendwende herbeizuführen.

Von Tobias Pastoors |
    Solarmodule sind in langen Reihen über einem See installiert.
    Die chinesische Regierung treibt den Ausbau von Solarenergie massiv voran. (picture alliance / CFOTO / CFOTO)
    Die Welt steuert auf eine Klimaerwärmung von weit über 1,5-Grad Celsius zu. Doch es gibt auch Gründe, mit Hoffnung auf die Krise zu schauen. Manche Trends machen Mut und haben das Potenzial, zu einer Wende im Kampf gegen den Klimawandel beizutragen – wenn es der Menschheit gelingt, den positiven Wandel zu beschleunigen.

    Sechs Gründe für Optimismus:

    Wir kennen viele Lösungen und haben schon einiges erreicht

    Der Klimawandel ist keine unbekannte Katastrophe, die über uns hereinbricht. Tausende Wissenschaftler weltweit haben zahlreiche Zusammenhänge in unserem komplexen Erdsystem entschlüsselt.
    Wir stehen vor sehr großen Problemen, aber für viele Probleme kennen wir Lösungen: Wir können inzwischen große Mengen an Energie ohne Kohle oder Gas produzieren, wir wissen zunehmend, wie eine klimafreundliche Landwirtschaft aussehen kann, wir wissen, wie wir Moore renaturieren und Wälder aufforsten könnten.
    Wir wissen viel und tun zu wenig – trotzdem gibt es auch Fortschritte: Vor zehn Jahren haben Fachleute noch eine Erwärmung um die 4 Grad bis 2100 prognostiziert. Inzwischen rechnen die Vereinten Nationen mit einer Erwärmung um 2,8 Grad.

    Erneuerbare Energien sind inzwischen oft wirtschaftlicher als fossile

    Solarenergie ist die am schnellsten wachsende Energiequelle aller Zeiten. Alle zwei bis drei Jahre verdoppelt sich die installierte Leistung – und mit jeder Verdopplung sinkt der Preis um rund 25 Prozent. Und auch andere Erneuerbare Energiequellen, wie Windenergie, Wasserkraft, Bioenergie oder Geothermie wachsen kontinuierlich.
    Grafik zeigt die installierte Leistung an Solarenergie weltweit in Megawatt. 2015: 227.236 MW, 2020: 723.638 MW und für 2025 prognostiziert: 2.515.490 MW.
    Der weltweite Ausbau der Solarenergie steigt (Deutschlandradio / Andrea Kampmann / imago / Zoonar)
    Für Niklas Höhne vom New Climate Institute sind die Erneuerbaren Energien der Mutmacher Nummer eins: „Sie überraschen uns jedes Jahr wieder mit noch geringeren Kosten und noch schnellerem Ausbau.“ Seit 2010 sind die Preise für Solar-Module um mehr als 90 Prozent gesunken. Solarstrom ist inzwischen schlicht der günstigste Strom und das gilt sogar in nordeuropäischen Ländern mit vergleichsweise wenig Sonneneinstrahlung.
    Eine Kilowattstunde Strom aus Wind oder Sonne kann nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts in Deutschland inzwischen ab vier Cent produziert werden. Bis 2045 sehen die Forscher aber nur noch geringfügiges Potenzial für Kostenreduktionen. In den sonnenreichen Regionen der Erde wird Solarstrom hingegen bereits für etwa einen Cent pro Kilowattstunde produziert. Und auch in Deutschland gibt es inzwischen Phasen, in denen Strom an der Börse nichts mehr kostet. Wenn der Wind ordentlich weht und die Sonne kräftig scheint.

    Preis schlägt Ideologie: Auch Trump kann den Solarboom nicht stoppen

    Erneuerbare Energien setzen sich durch – trotz politischer Widerstände. Obwohl Präsident Trump bereits in seinem ersten Wahlkampf 2016 und jetzt erneut gegen die erneuerbaren Energien zu Felde gegangen ist, hat sich der Anteil von Wind und Sonne an der Stromproduktion mehr als verdoppelt.
    Ideologie sei dennoch das größte Risiko für die Erneuerbaren, heißt es in einem Bericht von REN21, einem Netzwerk zur Förderung Erneuerbarer Energien „Das ist kein technisches Problem, sondern ein systemisches“, schreibt Ramón Méndez Galain, der Präsident von REN21. Fossile Technologien würden in der Gesetzgebung bevorzugt: „Wir sind mitten in einem politischen Kampf.“
    Dass US-Präsident Trump und andere Fossil-Enthusiasten die Erneuerbaren inzwischen offen bekämpfen, ist für die Transformation des Energiesystem einerseits ein Risiko. Die Autoren des Global Tipping Points Report 2025 sehen darin aber auch eine Bestätigung für den Trend zu den Erneuerbaren: „Die Welt wird immer volatiler, da das etablierte, auf fossilen Brennstoffen basierende System an Stabilität verliert und sich immer heftiger gegen die voranschreitende Energiewende wehrt.“ Der Großteil des Solarbooms wird ohnehin aktuell von China vorangetrieben. Und China wird sich von Trump wohl nicht entscheidend bremsen lassen.

    Günstige grüne Energie trifft auf günstige Speicher

    Günstiger und grüner Strom allein genügt nicht. Ein stabiles Energiesystem muss Energie dann bereitstellen, wenn sie gebraucht wird – nicht nur bei Sonnenschein. Entscheidend ist daher ein zweiter Trend: Die Kosten für Batteriespeicher sind seit 2010 um fast 90 Prozent gefallen. Es gebe immer mehr Belege dafür, dass ein Energiesystem, das nahezu ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt, technisch machbar und zudem günstiger sei, heißt es in einem Bericht der International Renewable Energy Agency.
    Ein Blick nach Kalifornien zeigt, wie schnell ein Energiesystem heutzutage transformiert werden kann. Die Kapazität der Stromspeicher wurde in den vergangenen 7 Jahren von nahezu null auf über 15 Gigawatt ausgebaut. Tagsüber gibt es Sonnenstrom im Überfluss – und die Speicher versorgen den US-Bundesstaat inzwischen fast bis Mitternacht. In China addieren sich die Batteriespeicher inzwischen auf über 100 Gigawatt Leistung – bis 2027 sollen 180 Gigawatt zugebaut werden. Zum Vergleich: Das größte chinesische Kohlekraftwerk, gleichzeitig das größte der Welt, hat eine Leistung von knapp 7 Gigawatt.
    Neben den riesigen Stromspeichern bieten auch Elektroautos viel Potenzial. Die Bundesnetzagentur in Deutschland arbeitet daran, dass ihre Batterien zukünftig als Speicher für das Stromnetz bereitstehen.

    Ein neues Energiesystem als positiver Kipppunkt

    Der weltweite Stromverbrauch steigt – und das ist aus ökologischer Sicht teilweise wünschenswert. Denn für das Klima sollen Autos schließlich zukünftig mit Strom fahren und auch die Industrie soll ihre Prozesse elektrifizieren. Nach einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kann man die meisten Prozesse in der Industrie auch mit Strom antreiben, das größte Hindernis ist aktuell der Preis. Strom aus Sonne und Wind ist zwar günstiger als aus Kohle und Gas – doch für hohe Temperaturen ist das Verbrennen von Kohle oder Gas oft noch günstiger als Strom.
    Wenn die erneuerbaren Energien hier in den kommenden Jahren weiter günstiger werden – bestenfalls weiter positiv überraschen –, könnte sich diese Rechnung umkehren: Für immer mehr Branchen könnten erneuerbare Energien schlicht günstiger werden als fossile. Und je mehr Sonnen- und Windenergie im Energiesystem eingespeist wird, desto häufiger wird es auch Phasen geben, in denen Energie im Überfluss bereitsteht. Denn die Erzeugung des Stroms wird nahezu nichts kosten. Sonne und Wind schicken keine Rechnung. Unter diesen Bedingungen könnte eine zügige Transformation stattfinden.
    Zahlreiche Staaten im Globalen Süden nutzen die Revolution der Stromproduktion, um die fossile Ära in ihrer Entwicklung einfach zu überspringen. Solarmodule bringen Strom in Regionen, die bislang keinen Zugang zu Elektrizität hatten. Äthiopien etwa hat 2024 einen Importstopp für Verbrennerautos verhängt – man will dort gar nicht erst in die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern geraten.

    Wir können die Temperatur wieder senken

    Die globale Durchschnittstemperatur wird in den kommenden Jahrzehnten über die 1,5-Grad-Marke steigen – mit zahlreichen Folgen für Millionen von Menschen. Manche der Folgen gelten als irreversibel, Ökosysteme werden verloren gehen und verloren bleiben.
    Doch wir können die globale Temperatur auch wieder senken – und damit zahlreiche negative Folgen verhindern. Es sei „ambitioniert, aber möglich“, die Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts wieder unter die 1,5-Grad-Marke zu bringen, sagt Nico Wunderling vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
    Erstmal müsste der CO2-Ausstoß der Menschheit auf null fallen und danach sogar negativ werden. Solche sogenannten Negativemissionen lassen sich durch Aufforstung und durch Technologien erreichen. Und hier kommt erneut die Revolution der Stromerzeugung ins Spiel: Denn es braucht viel Energie, um CO2 mithilfe von Filtern direkt aus der Luft zu saugen.
    Forschende betonen immer wieder: Technische Lösungen für Negativemissionen dürfen nicht davon ablenken, dass wir im Hier und Jetzt die Emissionen reduzieren müssen. CO2 später wieder aus der Luft zu holen, ist aufwendig und teuer. Je tiefer wir in die Klimakrise rutschen, desto schwieriger wird der Kampf um die Lebensgrundlagen. Doch er ist noch lange nicht verloren.