Dienstag, 19. März 2024

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Dürre trotz Regen
Trockenheit im tiefen Boden behindert Grundwasserbildung

Trotz des Regens derzeit: Vor allen in Nord- und Ostdeutschland herrscht noch immer Dürre. Betroffen sind die tieferen Bodenschichten, die für die Grundwasserneubildung nötig sind. Das behindert die Erholung unserer wichtigsten Trinkwasserressource.

Von Sven Kästner | 09.01.2023
Risse ziehen sich durch einen sehr trockenen Boden.
Die Dürrephasen der vergangenen Jahre haben den Boden in Teilen Deutschlands bis in tiefe Schichten ausgetrocknet. (dpa / Melissa Erichsen)
Es regnet in diesen Tagen - eine gute Nachricht. Denn noch immer ist der Boden vielerorts tatsächlich völlig ausgetrocknet. Andreas Marx leitet beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung den Dürremonitor Deutschland. „Bei der Dürre-Einordnung gucken wir: Wie müsste eigentlich im Januar die Bodenfeuchtigkeit sein? Und wir gucken quasi jetzt den aktuellen Januar-Wert gegen alle Januar-Werte zurück bis 1951. Und wenn die Böden jetzt trockener sind als das, was man statistisch erwartet und so trocken, wie es maximal alle fünf Jahre auftaucht, dann hat man eine Dürre-Situation.“

Versickerndes Regenwasser muss gesamten Boden durchfeuchten

Zwar hat der Regen die Bodenoberfläche schon etwa 25 Zentimeter tief durchfeuchtet. Aber für Schichten in 1,80 Meter Tiefe zeigt der Dürremonitor vor allem in Nord- und Ostdeutschland extreme Trockenheit an. In den betroffenen Regionen bildet sich deshalb kein neues Grundwasser. Denn zunächst muss das versickernde Regenwasser ja den gesamten Boden durchfeuchten, bevor es bis in die Grundwasserschichten darunter fließen kann.
„Einzelne Niederschlagsereignisse, gerade auch starke Niederschlagsereignisse, helfen in Dürreperioden wenig oder gar nicht. Auch so ein oder zwei Wochen mit überdurchschnittlichem Niederschlag, das hilft dem Grundwasser nicht. Wir reden eigentlich so von vier bis sechs Monaten, in denen man keine Hitzeperioden haben sollte, mit überdurchschnittlichem Niederschlag.“
Der Grundwassernachschub ist in den vergangenen Jahren schon aus dem Takt geraten. Normalerweise füllen Regen und Schnee im Winterhalbjahr die Speicher auf. Wegen der niedrigen Temperaturen verdunstet dann kaum Wasser und in der Vegetationspause verbrauchen Pflanzen nichts. Andreas Güntner untersucht am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam per Satellit die gesamte Süßwasserspeicherung in Deutschland – im Grundwasser, im Boden, aber auch in Seen und Gletschern. Schon seit 2015 registriert er, dass die Speicherstände deutlich sinken.
„Und 2018 und 2019 waren bisher die Jahre, wo wir im Sommer die niedrigsten Speicherwerte über den gesamten Bobachtungszeitraum von 2002 ab vorgefunden haben in unseren Daten. Und jetzt, für 2022, haben wir gerade die neuesten Daten vom Sommer bekommen. Hier sehen wir jetzt für den August 2022 wieder ein Minimum. In etwa von den Werten her so gering wie im Sommer 2018 und ’19.“

"Wiederauffüllen wieder komplett aufgezehrt"

Nach den Dürresommern damals haben die Forschenden registriert, dass die Grundwasserpegel in den kühlen Jahreszeiten wieder stiegen. Allerdings nie so stark, dass sie die Werte des langjährigen Mittels wieder erreichten. „2022 aber hat dieses Wiederauffüllen dann im Grunde wieder komplett aufgezehrt.“
Das Grundwasser ist hierzulande der wichtigste Trinkwasserspeicher. Tatsächlich wissen Forschende über dessen Zustand aber noch zu wenig. Zur Bodenfeuchte unterhalb von 80 Zentimetern gibt es kaum valide Daten. In welcher Höhe das Grundwasser regional steht, ist zwar recht gut bekannt. Aber es fehlt Wissen zum Volumen. „Weil man dazu nicht nur die Information braucht: Wie hoch steht das Wasser? Sondern quasi auch, wie viel Porenvolumen im Boden ist eigentlich gefüllt?“

Fehlende Daten zur Grundwassernutzung

Ein weiterer Punkt: Wie viel Grundwasser verbrauchen Landwirtschaft, Industrie und natürlich die Natur? Auch da ist noch zu wenig bekannt, kritisiert der Hydrologe Tim aus der Beek vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasser. „Die Daten sind noch nicht vollständig vorhanden, insbesondere die Nutzungsdaten nicht. Also die Landwirtschaft zum Beispiel hat kaum Daten veröffentlicht oder besitzt teilweise auch keine Daten, wie viel Wasser wo wann genau entnommen wird.“
Forschung und Politik wollen dieses Problem lösen. Der Entwurf für die Nationale Wasserstrategie sieht vor, deutschlandweit jeden Grundwasserbrunnen und die Menge des daraus abgezapften Wassers zu erfassen.