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Luftfahrt
Weltweit erste Pilotanlage für Kerosin aus Sonnenlicht bewährt sich im Test

Mit Kerosin hergestellt aus Wasser, CO2 und Sonnenlicht könnte Fliegen weniger klimaschädlich werden. Doch die Umsetzung ist kompliziert. Eine Pilotanlage in Spanien hat das Verfahren nun erprobt - mit ermutigenden Resultaten.

Von Frank Grotelüschen | 24.08.2022
Ein Passagierflugzeug im Anflug auf den Flughafen Hannover-Langenhagen fliegt über ein Rapsfeld mit gelben Blüten hinweg.
Synthetischer Flugzeugtreibstoff aus regenerativen Energien soll das Fliegen künftig klimafreundlicher machen. (picture alliance/ dpa/ Julian Stratenschulte)
„Die Idee ist kurz gesagt, dass man Wasser nimmt und CO2 und daraus bei hoher Temperatur mit konzentrierter Sonnenenergie Kerosin herstellt.“
Gewöhnliches Wasser, Kohlendioxid, dazu eine ordentliche Portion gebündeltes Sonnenlicht – und am Ende kommt Kerosin heraus, Flugzeugtreibstoff. Im Prinzip eine simple Rezeptur. Nur: Die Umsetzung ist alles andere als einfach, sagt Andreas Sizmann vom Thinktank Bauhaus Luftfahrt.
„Dazu muss man die Sonne hoch konzentrieren auf etwa Faktor 2.000 bis 2.500.“

Sonnenofen der Superlative

Das geschieht in einem sogenannten Solarturm – einem Sonnenofen der Superlative, beschreibt Sizmanns Kollege Christian Sattler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
„Ein Solarturm ist eine Anlage, die aus vielen großen Spiegeln besteht, die der Sonne nachgeführt werden. Die Spiegel reflektieren dann das Sonnenlicht auf die Spitze eines Turms.“
Dort trifft das gebündelte Licht auf einen chemischen Reaktor, bestehend aus einer schwammartigen Keramik. Er ist mit Wasser und CO2 gefüllt und wird durch die Sonnenstrahlung enorm erhitzt, auf 1.500 Grad Celsius.
„Und diese hohen Temperaturen nutzt man in einer chemischen Reaktion, um Wasser den Sauerstoff zu entziehen und Kohlendioxid den Sauerstoff zu entziehen. Dadurch entstehen Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das man dann in einem chemischen Prozess weiter umwandeln kann in Flugbenzin.“

Ganze Prozesskette getestet

Bislang gab‘s das Verfahren nur im Labormaßstab, es wurden nur einzelne Prozessschritte untersucht. Jetzt hat ein Team um Sattler und Sizmann das Verfahren im großen Maßstab getestet, die ganze Prozesskette.
„Jeden einzelnen Schritt zu zeigen, ist immer leicht. Aber das Ganze zusammenzuhalten und dann als wirkliche Produktionsanlage zu betreiben, das ist ein echter Schritt nach vorne.“
Die Tests verliefen erfolgreich, die Herstellung sei also machbar, sagt Sattler. Die aus 169 Spiegeln bestehende Anlage konnte tatsächlich solares Kerosin erzeugen, wenn auch keine großen Mengen. Einsatzreif ist das Verfahren damit aber noch nicht. Denn der Wirkungsgrad des Reaktors liegt bei gerade mal vier Prozent. Damit sich die Sache lohnt, müsste es deutlich mehr sein. 
„Das Ziel ist am Ende, einen Wirkungsgrad zwischen 20 und 25 Prozent zu erzielen.“
Bei der Pilotanlage geht noch viel Sonnenhitze während des Prozesses verloren. Künftige Anlagen sollen über eine ausgefeilte Wärmerückgewinnung verfügen und dadurch effizienter laufen. Der nächste Schritt jedenfalls ist schon in Vorbereitung. 
„Die Kommerzialisierung ist in vollem Gange. Es gibt die ersten Firmen, die diese Technologien in einen großen Maßstab umwandeln. Eine der Firmen ist Synhelion aus der Schweiz. Die bauen gerade größere Anlagen auf. Eine wird in Deutschland stehen als Demonstrationsanlage.“
Anfang September soll der Grundstein gelegt werden, und zwar in Jülich in Nordrhein-Westfalen. Nächstes Jahr schon soll die Pilotproduktion laufen, das Kerosin erhält eine Schweizer Fluggesellschaft. Für eine spätere Massenproduktion aber müssten die Anlagen riesig sein, sagt Andreas Sizmann.
„Eine Anlage müsste etwa 40 Quadratkilometer groß sein.“

Riesige Spezialfilter sollen CO2 aus der Luft fischen

Die könnte dann pro Tag 300.000 Liter Kerosin erzeugen, was für drei Flüge von Frankfurt nach Kalifornien reicht. Stehen sollen die Anlagen in Wüstenregionen, wo es viel Platz und jede Menge Sonne gibt. Zwar dürfte das solare Kerosin zwei- bis dreimal soviel kosten wie derzeit der fossile Treibstoff. Doch der dürfte sich in Zukunft durch Klimasteuern deutlich verteuern. Eine Frage aber stellt sich noch: Woher das CO2 nehmen, das es zur Herstellung des solaren Kerosins braucht? Klar ist, „dass wir keine fossilen Quellen verwenden dürfen, um eine gute Ökobilanz zu erreichen. Daher ist der CO2-Einfang für die kommerzielle Anwendung ein ganz wichtiger Faktor.“
Das bedeutet: Riesige Spezialfilter sollen das CO2 aus der Luft fischen. Und das ist eine Technologie, die auch noch in der Erprobungsphase steckt und sich noch im großen Maßstab bewähren muss.