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Klimaschutz im Flugverkehr
Ohne Verhaltensänderungen sind Klimaziele unerreichbar

Gut drei Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen gehen auf das Konto des Flugverkehrs. Eine Studie zeigt, was nötig wäre, um die Luftfahrtbranche bis 2050 zu dekarbonisieren. Die Herausforderungen sind enorm.

Von Anne Preger | 31.01.2023
Kondensstreifen eines Flugzeugs am Himmel
Kondensstreifen eines Flugzeugs am Himmel (picture alliance / Christian Ohde)
Der Flugverkehr tut sich besonders schwer, klimaneutral zu werden. Die Entwicklung von Elektroantrieben für die Luftfahrt steckt noch in den Kinderschuhen. Und wegen der hohen Energiedichte flüssiger Treibstoffe werden Flugzeuge noch lange darauf angewiesen sein, Sprit zu verbrennen. Wie könnte es dennoch gelingen, die Luftfahrtbranche bis 2050 klimaneutral zu machen? Eine Studie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Sustainability liefert Antworten.
Welche Technologien braucht es für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs?
Erstens: Die Entwicklung effizienterer und leichterer Flugzeuge. Die Industrie verbessert sich sowieso schon von Jahr zu Jahr. Wenn sie es aber schafft, in Zukunft noch schneller besser zu werden, dann könnte das laut dem US-amerikanisch-deutschen Studienteam 27 Prozent der Flugzeug-Emissionen einsparen.
Zweitens: Die Herstellung alternativer Kraftstoffe. Das können synthetische Kraftstoffe sein, die mit Hilfe erneuerbarer Energien hergestellt werden, und für die CO2 aus der Luft geholt und als Rohstoff genutzt wird, also e-Kerosin. Oder Biokerosin aus Energiepflanzen vom Acker bzw. aus Bioabfällen.
Könnten aktuelle Flugzeugtypen schon heute mit klimaneutralem Kerosin fliegen?
Ja, das geht und wurde auch schon getestet. Wobei Biokraftstoffe nicht unbedingt die gleiche Energiedichte aufweisen wie herkömmliches Kerosin - man kommt mit einer Tankfüllung also nicht ganz so weit. Aber grundsätzlich funktioniert die Umstellung: Der erste Flieger mit 100 Prozent Biokraftstoff im Tank hat 2021 in den USA rund 100 Menschen von Chicago nach Washington D.C. gebracht.
Wie groß wären die benötigten Flächen, um ausreichend Biokerosin zu erzeugen?
Im Extremfall würden weltweit bis zu 300 Millionen Hektar an Anbaufläche gebraucht. Das wäre rund ein Fünftel der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche von 2019 – nur für die Produktion von Flugzeugkraftstoff. Damit bestünde dann eine große Konkurrenz zur Herstellung von Lebensmitteln.
Werden Flugzeuge dank Biokerosin oder grünen E-Fuels wirklich klimaneutral?
Leider nein, denn aus den Triebwerken strömt nicht nur CO2, das die Erde erwärmt, sondern auch andere Abgasbestandteile. Unter anderem Stickoxide, Ruß und Wasserdampf, der hoch in der Atmosphäre Kondensstreifen bildet. Zusammen können diese Emissionen bis zu zwei Drittel der Klimawirkung von Flügen ausmachen. Und diese Abgase entstehen auch in Zukunft, auch bei alternativen Kraftstoffen.
Weil die Klimawirkung dieser anderen Abgase nicht so einfach zu beziffern ist, musste das Forscherteam einige Annahmen treffen, um sie zu berechnen. In jedem Fall müsste zur Kompensation der schädlichen Effekte zusätzlich weiteres Kohlendioxid aus der Atmosphäre geholt werden. Das wäre aufwändig und entsprechend teuer. Mit Technik allein wird sich das Problem deshalb kaum lösen lassen.
Müssen wir künftig weniger fliegen, um die Klimaziele zu erreichen?
Definitiv. Wenn weniger geflogen würde, könnten sich den Berechnungen der Forschenden zufolge 61 Prozent der Flugemissionen einsparen lassen. Sprich, wenn Menschen ihr Verhalten anpassen und seltener in einen Flieger steigen. 2050 werden Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben - und wohl auch mehr Wohlhabende. Die alle zusammen dürften dann aber nicht deutlich mehr fliegen als die kleinere Menschheit im Jahr 2019, vor der Coronapandemie. Das wäre im Flugverhalten schon eine deutliche Trendwende. Setzt sich das Wachstum im Luftverkehr dagegen so fort, wie in den vergangenen 20 Jahren, dann würden sich die geflogenen Personenkilometer von 2019 bis 2050 fast verdreifachen.
Wie stark müsste jede Einzelne ihre Flugkilometer reduzieren?
Um die notwendigen Einsparungen bei den Treibhausgasen im Flugverkehr zu erzielen, müsste im Durchschnitt jeder Mensch im Jahr 2050 statistisch gesehen 12 Prozent weniger Flugkilometer zurücklegen als Menschen im Schnitt in 2019. Das klingt im ersten Moment nach keiner großen Verhaltensänderung, aber für viele Menschen in Deutschland wäre es das durchaus. Denn die Deutschen gehören im weltweiten Vergleich bislang eher zu den Vielfliegern. Das heißt, sie müssten ihre durchschnittlichen Flugkilometer künftig um deutlich mehr als 12 Prozent reduzieren.