Freitag, 29. März 2024

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Kindersachbuch von Eduard Altarriba
Krieg als Frage der Macht

"Was ist Krieg?" fragt der katalanische Autor und Illustrator Eduard Altarriba und gibt viele Antworten auf dieses komplexe Thema. Mit starken Illustrationen und klaren Texten klärt das Kindersachbuch darüber auf, woher Kriege kommen und welche Folgen sie haben.

Von Maria Riederer | 19.11.2022
Das Buchcover und eine Beispielseite von Eduard Altarriba: „Was ist Krieg?“
Eduard Altarriba hat bereits Themen wie Flucht und Relativitätstheorie für Kinder aufbereitet. Jetzt legt er ein Kindersachbuch über Krieg vor. (Beltz & Gelberg Verlag)
„Vati, wie lösen Soldaten, die sich gegenseitig umbringen, die Probleme der Welt?“
Dieses Zitat aus Bill Wattersons Comic „Calvin und Hobbs“ stellt der Autor und Illustrator Eduard Altarriba seinem Sachbuch über den Krieg voran. Reflexhaft möchte man diese scheinbar einfache Frage eines Kindes mit „Nein“ beantworten: Nein, natürlich lösen Soldaten, die sich gegenseitig umbringen, nicht die Probleme der Welt. Aber das wäre zu kurz gegriffen. Altarriba liefert keine einfachen Antworten. Schrittweise arbeitet er sich voran:
„Manchmal sehen Leute Dinge ganz anders als wir. Vielleicht werden wir wütend und geraten sogar in Streit miteinander, weil jede Seite davon überzeugt ist, dass sie Recht hat und die andere Unrecht. Wenn zwei so gegensätzliche Meinungen aufeinandertreffen, entsteht ein Konflikt. Wenn Diplomatie und Politik Konflikte nicht lösen können, führt dies möglicherweise zu Gewalt und einem Krieg.“

Nichts fürs schnelle Durchblättern

Altarriba arbeitet mit kurzen, markanten Texten und klaren, starken Bildern in Rot- und Grautönen. Er spielt mit Layout und Schriftgröße. So ragt aus dem eben zitierten Text das Wort „Konflikt“ dick und rot in der Mitte der Seite heraus, während das Wort Krieg eher unauffällig ausfällt. Der Auslöser ist der Konflikt – die Folge kann der Krieg sein. Solche Feinheiten erschließen sich erst auf den zweiten Blick, aber dieses Buch ist ohnehin nicht fürs schnelle Durchblättern gedacht. Dazu enthält es vor allem auf Bildebene zu viele Details, die sich näher zu betrachten lohnen.
„Krieg ist eine Frage der Macht. Wer den Krieg gewinnt, kann über die Zukunft des unterlegenen Landes entscheiden und kann selber eine Regierung einsetzen, über Waren oder Bodenschätze verfügen und sogar die Geschichtsschreibung beeinflussen.“
Das Bild dazu: Ein König – eher klein – sitzt auf den Schultern eines großen, breiten Soldaten, der mit entschlossener Miene, das Schwert in der Faust, auf seinen Gegner blickt. Der König hat also eine große Armee und wirkt deshalb auch selbst größer, als er eigentlich ist. Der Gegner, ein eher schmaler Soldat mit langem Speer, muss zu ihm aufblicken, und man ahnt, wer hier den Kürzeren zieht.
„Die Geschichte wird von Siegern geschrieben, heißt es. Deshalb wissen wir viel über die Römer, aber nur wenig über Kelten, Iberer und andere Völker, die sie erobert haben. Auch über andere Herrschende ist vieles bekannt, anders als über ihr Heer oder gar über die Männer, Frauen und Kinder aus dem Volk.“

Altarriba erzählt wertfrei von Zusammenhängen

Altarriba wertet nicht. Er ergreift nicht Partei, aber auf hintergründige Art und Weise lässt er einfließen, welche Mächte die Kriege antreiben und wer die Leidtragenden sind, oder auch diejenigen, die sich um Frieden bemühen. Er erzählt von den Zusammenhängen zwischen Macht, Geld, Rüstung und Propaganda, aber auch von Globalisierung, Diplomatie und Menschenrechten. Und von Aufständen der scheinbar Schwachen gegen die scheinbar Starken, von Revolutionen und Guerillakämpfen, Terrorismus und Bürgerkriegen.

Der moderne Terrorismus in den Medien

Eine bewaffnete Gruppe oder Einzelne können jederzeit und überall Anschläge verüben, um ihre Gegner gezielt in Schrecken zu versetzen. Die Furcht der Menschen wird durch die Berichterstattung über die Attentate im Fernsehen und im Radio zusätzlich geschürt. Der moderne Terrorismus seit Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich durch bewaffnete Gruppen aus, die häufig, aber nicht nur ihre religiöse Sicht überall auf der Welt durchsetzen wollen. Sie gehören keinem bestimmten Land an, verfügen aber über weitreichende Netzwerke.“
Altarribas Buch über den Krieg, über seine Ursachen und seine Folgen, informiert auf sehr anschauliche und vor allem differenzierte Weise. So gibt es auch ein Kapitel darüber, ob das Eingreifen in einen Krieg in bestimmten Fällen notwendig sein kann, zum Beispiel zur Selbstverteidigung oder um mit vereinten Kräften einen Aggressor zu stoppen.

Die Erwachsenen sollten mitlesen

Der Autor wirft einen Blick in die Geschichte – aber es ist auch ein hoch aktuelles Buch. Die Originalausgabe, die schon 2018 erschienen ist, enthielt ein Dossier über den Krieg in Syrien. Die neue Ausgabe, wie sie nun bei Beltz & Gelberg herausgekommen ist, wurde um fünf Seiten über Russlands Krieg gegen die Ukraine erweitert.
Leider fehlt am Ende ein ausführliches Glossar. Das wäre dringend nötig. Der Verlag empfiehlt das Buch ab acht Jahren, aber ein achtjähriges und auch ein zehnjähriges Kind stolpert darin über zu viele schwierige Vokabeln. Immer wieder setzt Altarriba außerdem Wissen voraus, etwa, wenn plötzlich von den Nazis die Rede ist, über die vorher nichts zu finden ist. Das Buch ist unbedingt lesenswert und die Aufmachung außerordentlich gut gelungen. Aber ein lesendes Kind, auch ein älteres, wird einen Erwachsenen brauchen, für ergänzende Erklärungen und für das gemeinsame Nachdenken über Krieg und Frieden.
Eduard Altarriba: "Was ist Krieg?"
Aus dem Katalanischen von Ursula Bachhausen
Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim. 48 Seiten, 15 Euro, ab 8 Jahren.