Mittwoch, 24. April 2024

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Skeleton-Olympiasiegerin Neise
"Ich bin einfach noch ein normaler Mensch"

Skeleton-Pilotin Hannah Neise hatten vor den letzten Winterspielen nur Insider auf dem Zettel. Dann fuhr sie überraschend zu Gold. An ihrer Bekanntheit hat sich trotz Olympia-Gold nicht viel geändert, sagte Neise im Dlf, ebensowenig wie an den geringen Vermarktungsmöglichkeiten.

Hannah Neise im Gespräch mit Matthias Friebe | 12.02.2023
Skeleton-Olympiasiegerin Hannah Neise
Skeleton-Olympiasiegerin Hannah Neise: "Der Kufensport, der die wenigsten Leute interessiert". (dpa-Zentralbild / picture alliance)
Debütantin Hannah Neise schrieb bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking mit ihrem großen Triumph Geschichte: Noch nie zuvor hatte es eine deutsche Olympiasiegerin im Skeleton gegeben. Ohne zuvor ein Weltcuprennen gewonnen zu haben, wurde sie mit 21 Jahren völlig überraschend Olympiasiegerin.

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Zwar denke sie noch öfters an Peking 2022 zurück, aber sie versuche sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, sagte Neise im Deutschlandfunk. So nutze sie den Titel "Olympiasiegerin" auch nicht wirklich gerne, eher schäme sie sich, wenn andere sie aus ihrem Umfeld als Olympiasiegerin bezeichen.
"Ich bin auch einfach nur ein normaler Mensch! Ich will auch nicht nur danach beurteilt werden", sagte Neise über den größten Titel ihrer bisherigen Sportlerlaufbahn. Sie sei einfach zurückgezogener, andere würden ihre Erfolge und Errungenschaften mehr auskosten.

Corona als wichtige Pause vor Olympia

Neise hatte sich zwei Wochen vor den Olympischen Winterspielen von Peking 2022 mit dem Coronavirus infiziert und deshalb unmittelbar vor den Spielen nur um ihre Teilnahme gebangt. "Im Nachhinein war die Infektion aber positiv", sagte sie. Denn dadurch habe sie sich ausruhen können und sei nicht permanent unterwegs gewesen.
Der erste Lauf im Olympia-Rennen sei relativ locker gewesen, gab Neise im Dlf zu, deswegen seien auch relativ viele Fehler passiert. Zur Halbzeit lag sie dann auf dem zweiten Platz und hatte dadurch den Vorteil nicht als Favoritin in die letzten beiden Durchgänge im Yanqing National Sliding Centre gehen zu müssen. So habe nicht der ganz große Druck über Nacht auf ihr gelegen. "Das ist eine schwierige Situation". Sie habe dann versucht, sich abzulenken und ihre Nervosität zu bekämpfen. Die Erfahrung bei Olympia habe ihr gezeigt, dass sie mit der Nervosität umgehen könne.
Die Kritik im Vorfeld an den Olympischen Winterspielen in Peking und Ausrichter China, habe für sie nicht im Vordergrund gestanden. Für sie habe sehr früh festgestanden, dass sie an den Spielen teilnehmen werde. Es könne aber durchaus sein, dass eine Olympia-Debütantin anders entscheide als eine erfahrene Olympionikin, die bereits an mehreren Spielen teilgenommen habe, sagte sie. Sie habe auch nicht viel von China selbst mitbekommen, da sie den größten Teil im Olympischen Dorf verbrachte.
Nach Olympia sei viel auf sie eingeprasselt, sie habe viel Stress erfahren und habe viele Termine absolvieren müssen. Auch daraus habe sie lernen müssen.

Durch puren Zufall zum Skeleton

Neise berichtete im Deutschlandfunk, wie sie durch Zufall zum Skeleton-Sport gekommen sei: "Ich wusste damals gar nicht, was das ist." In der Schule habe sie eine Sichtung gemacht und durfte nach Winterberg fahren, obwohl sie nicht nicht einmal wusste, dass es in Winterberg eine Bobbahn gebe. Da sie aber immer sehr ausprobierfreudig gewesen sei, was Sportarten angehe, habe sie es gewagt: "Ich habe schnell gemerkt, dass ich der Wettkampftyp bin."
Mit 13 Jahren fiel dann die Entscheidung pro Skeleton und gegen das Reiten, weil die Konkurrenz im Reiten höher gewesen sei. Im Skeleton war der Weg an die Weltspitze eher leichter gewesen.

Kritik an mangelnder Sichtbarkeit und Vermarktung im Skeleton

Neise kritisierte im Deutschlandfunk auch die mangelnde Vermarktung und Sichtbarkeit ihrer Sportart. Die Wettkampftage liegen mit Donnerstag und Freitag sehr unattraktiv für Zuschauer. Auch als Olympiasiegerin sei sie weiter noch sehr unbekannt. "Skeleton ist halt so die Sportart vom Kufensport, die die wenigsten Leute interessiert", sagte Neise.
"In Deutschland zählt halt fast nur Fußball", sagte Neise. Von den Wintersportarten stünden Skispringen, Biathlon und Ski Alpin im Vordergrund. Dadurch dass sie bei der Bundespolizei angestellt sei und auch die Sporthilfe habe, verfüge sie über ein sicheres Einkommen und müsse nicht um ihre Existenz bangen, sagte sie im Deutschlandfunk zu ihrer finanziellen Situation, doch es sei schon ein sehr großer Unterschied zu anderen Wintersportlern und Sportarten. Sie habe nach dem Olympiasieg viele Sponsoren angeschrieben, aber die aktuelle Zeit mit Ukraine-Krieg und Inflation sei extrem herausfordernd, auch für sie als Olympiasiegerin.