
Natürlich ist es nur schwer zu ertragen, wenn ausgerechnet der Außenminister des Landes, das ein Nachbarland überfallen hat und die Charta der Vereinten Nationen mit Füßen tritt, als Präsident des UN-Sicherheitsrats über Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit fabuliert, während seine Soldaten Gräueltaten gegen Zivilisten begehen und die Ukraine verwüsten – und die Regierung in Moskau schon wieder damit droht, das Getreideabkommen auslaufen zu lassen und damit die Ernährungssicherheit der Welt gefährdet.
Und natürlich ist es auch verständlich, wenn gerade die Ukraine den Aggressor Russland am liebsten ganz aus dem wichtigsten UN-Gremium werfen würde.
Auch anachronistische Regeln gelten
Aber so einfach ist es eben nicht. Wer auf die Einhaltung einer regelbasierten Ordnung pocht, muss für sich auch Regeln akzeptieren, die ihm nicht passen – und scheinen sie noch so anachronistisch.
Die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats spiegelt die Ordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Kolonialzeitalters wieder. Russland hat 1991 die Position der UdSSR in allen internationalen Organisationen übernommen – ausdrücklich auch den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. So wollten es die sowjetischen Teilrepubliken damals.
Aus diesem Grund ist Russland genauso zu Recht Veto-Macht in diesem wichtigsten UN-Gremium, wie die USA, China, Großbritannien und Frankreich.
Ob das im Jahr 2023 noch sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage. Und so lange die nicht gelöst wird, ist es nun einmal so, dass auch Russland alle 15 Monate für einen Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat übernimmt. So wie in diesem April.
Der Ruf nach Reformen ist wohlfeil
Dass ausgerechnet gerade jetzt auch von westlicher Seite der Ruf nach einer Reform des Gremiums wieder lauter wird, ist verständlich – aber auch ziemlich wohlfeil. Denn nicht nur Russland, auch die vier anderen ständigen Mitglieder werden einen Teufel tun und freiwillig Teile ihrer Macht abgeben und den Sicherheitsrat erweitern oder gar ihren Sitz ganz aufgeben.
Es ist also zum großen Teil eine Scheindiskussion, die nun angesichts des Besuchs des russischen Außenministers Lawrow in New York geführt wird. Denn letztlich wurden auch bei der von manchen mit Spannung erwarteten Sitzung nur die erwartbaren Positionen ausgetauscht. Und auch in den Wochen zuvor hat Russland die Präsidentschaft im Rat nicht nutzen können, um noch mehr Desinformation zu verbreiten als sowieso schon.
Ein Ort der Debatte
Die Vereinten Nationen sind gegründet worden, um einen gemeinsamen Ort und Institutionen zu haben, um im Gespräch zu bleiben und Positionen auszutauschen – seien sie noch so gegensätzlich. Das gestrige Treffen von UN-Generalsekretär Guterres mit dem russischen Außenminister Lawrow zur Zukunft des Getreideabkommens ist ein gutes Beispiel dafür.
In gewisser Weise sollte man also froh sein, dass Russland weiterhin am Tisch der Weltgemeinschaft sitzt. Auch und gerade im UN-Sicherheitsrat. So schwer zu ertragen das auch im Einzelnen manchmal ist.
Was wäre die Alternative?












