
Das Bundesverfassungsgericht hat dem deutschen Strafvollzug heute ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben über die Verfassungsbeschwerden zweier Inhaftierter entschieden. Sie hatten sich gegen den Stundenlohn für die Arbeit von Gefangenen gerichtet. Der liegt zwischen einem und drei Euro. Dieser Stundenlohn ist laut Gericht verfassungswidrig, weil er nicht der Resozialisierung dient. Anders gesagt: mit einem Hungerlohn wird auch hinter Gittern niemand auf ein straffreies Leben in Freiheit vorbereitet.
Anspruch auf Resozialisation
Mehr als die Hälfte aller Gefangenen in Deutschland schreinern Möbel, verpacken Schrauben oder waschen die Wäsche ihrer Mitgefangenen. Laut den Justizministerien der Bundesländer sollen sie so einen geregelten Tagesablauf erlernen. Doch wie genau das funktionieren soll, ob das alle Gefangenen erst noch lernen müssen und ob ein mickriger Stundenlohn nicht kontraproduktiv wirkt, das konnten die Bundesländer dem Gericht nicht überzeugend darlegen. Im Gegenteil: Die Resozialisierungskonzepte seien widersprüchlich und nicht schlüssig, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Dabei haben die Gefangenen einen verfassungsmäßigen Anspruch darauf, resozialisiert zu werden.
Ja, Straftäterinnen und Straftäter zahlen nicht dafür, dass sie im Gefängnis ein Dach über dem Kopf haben. Ein Mindestlohn, wie ihn die Gefangenengewerkschaft fordert, wäre dementsprechend nur dann gerecht, wenn arbeitende Gefangene an den Haftkosten beteiligt würden. Zum Beispiel in Höhe einer ortsüblichen Miete und einem Grundbeitrag für Essen und Trinken. Das hätte auch den Vorteil, dass sie lernen, mit solchen Ausgaben und den Einnahmen aus legaler Arbeit in Freiheit umzugehen.
Alternativen zu Gefängnissen
Das Urteil ist für die Länder besonders peinlich, weil das Problem längst bekannt war. Schon 1998 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Höhe der Vergütung für Strafgefangene zu niedrig sei. Die Bundesländer sollten damals den Lohn anheben – taten dies aber nur in zu geringem Ausmaß. Wie hoch der Lohn konkret sein soll, hat das Gericht in seiner aktuellen Entscheidung offengelassen. An der Umsetzung entscheidet sich nun, wie ernst es die Bundesländer mit der Resozialisierung meinen.
Zwei Jahre haben die Bundesländer nun Zeit, um schlüssige Resozialisierungskonzepte zu beschließen und als Teil davon einen angemessenen Lohn festzulegen. Dabei stehen die Bundesländer nun vor einer Richtungsentscheidung. Wollen sie der gleichen Anzahl an Gefangenen mehr Resozialisierung ermöglichen? Dann wird der Strafvollzug in Deutschland für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler teurer. Oder führen wir eine längst überfällige Diskussion: Nämlich, ob wir uns Gefängnisse leisten wollen und ob es nicht bessere Alternativen gibt.












