Mittwoch, 08. Mai 2024

Archiv

Enormer Wasserverbrauch
Olympische Winterspiele zu 100 Prozent auf Kunstschnee

In den Regionen, in denen die Olympischen Winterspiele stattfinden, fällt kaum Niederschlag. Insofern hat es für die Pisten eine enorm energieaufwendige Kunstschneeproduktion gegeben. Das führe das Bild der „nachhaltigen Spiele“ in China ad absurdum, sagte Geografieprofessorin Carmen de Jong im Dlf.

Carmen de Jong im Gespräch mit Monika Seynsche | 04.02.2022
Skifahrer üben während eines Langlauftrainings vor den Olympischen Winterspielen 2022 in Zhangjiakou, China.
Langlauftraining für Olympia 2022 in Zhangjiakou auf Kunstschnee (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alessandra Tarantino)
In den Bergen nordwestlich von Peking und am Rand der Wüste Gobi wurden für die Olympischen Winterspiele in China gigantische Skipisten aus der Erde gestampft. Berichten zufolge gab es zwischen Januar und März 2021 gerade einmal zwei Zentimeter Schnee in der Region, und um den Ablauf der Skirennen zu garantieren, müsse man Kunstschnee erzeugen. Für diesen benötige der Veranstalter widerum extrem viel Wasser. Man rechnet dabei mit 185 Millionen Liter für die alpinen Skirennen. 

Alle Abfahrten müssten zu 100 Prozent beschneit werden, sagte die Geologieprofessorin Carmen de Jong im Dlf, weil es zwar kalt, aber auch extrem trocken in der Region werde. Damit es nach Winter aussehe, seien die Zufahrtsstraßen und teilweise auch die Hänge drumherum ebenfalls mit Kunstschnee präpariert.  Es werde viel mehr Schnee benötigt als in einem normalen Skigebiet in den Alpen.

Ein weiteres Problem sei die schlechte Wasserqualität des Kunstschnees. Das stagnierte Wasser werde durch Verdunstung noch mehr mit Salzen und Mineralien angereichert, erklärt de Jong. Dazu kämen noch Dieselreste von den Schneeraupen und Wachsreste von Skiern. Das sei alles andere als sauberes Wasser. Kleine Kinder sollten den Schnee auf gar keinen Fall in den Mund nehmen.

Mehr zum Thema:

Monika Synsche: Das Organisationsteam hat einen Bericht veröffentlicht, mit dem Titel "Nachhaltigkeit für die Zukunft". Darin werden die Spiele als komplett klimaneutral beworben. Die Hydrologin Carmen de Jong forscht an der Universität Strasburg schon lange zu den Umweltauswirkungen von Skigebieten und hat den Bericht gelesen. Ich habe sie gefragt, was sie davon hält.

Carmen de Jong: Ja, also der Bericht, den würde ich schlichtweg als Greenwashing beschreiben, weil der eben an den ganz großen Umweltproblemen vorbeigeht, zum Beispiel das Naturschutzgebiet Zunchan, wo die alpinen Skiwettbewerbe stattfinden werden, wird überhaupt nicht erwähnt, dass die Grenzen des Naturschutzgebiets verlegt wurden, dass die alpinen Abfahrten im Kerngebiet des Naturschutzgebiets liegen.

Kunstschnee in der Größe es Skigebiets in den Alpen

Seynsche: Die Spiele werden ja stattfinden in einer Region, die zwar sehr kalt ist, aber in der es eigentlich nicht schneit. Was bedeutet das, wenn ja jetzt wahnsinnig viel künstlicher Schnee produziert wird, was bedeutet das für die Hydrologie des ganzen Systems?
de Jong: Ja, das Problem ist, dass alle Skipisten zu 100 Prozent beschneit werden müssen, aber nicht nur die Skipisten, sondern auch die ganzen Zufahrtsstraßen und teilweise auch die Hänge drumherum, sodass es ein bisschen mehr nach Winter aussieht, weil ja zu wenig oder gar kein natürlicher Schnee liegt. Das heißt, summa summarum wird viel mehr Schnee benötigt als in einem normalen Skigebiet wie in den Alpen. Zum Beispiel benötigen die Beschneier drei- bis viermal so viel Wasser, das liegt auch daran, dass die Bedingungen sehr ungünstig sind, zum Beispiel wird ein Großteil vom Schnee verweht, das sieht man auch bereits schon auf den Google-Images und auch in den ganzen Filmen und in anderen Fotos. Dann geht eine Menge Wasser durch Verdunstung verloren, dann sind die Böden so trocken, dass der Kunstschnee schon gar nicht haftet, dann müssen die Böden im Voraus erst bewässert werden, das heißt, das benötigt dann noch mehr Wasser, bevor dieses Wasser dann gefrieren kann und der Kunstschnee darauf haftet.
Und dann kommt eben hinzu, dass überhaupt gar nicht genug Wasser lokal vorhanden ist. Das ist ein extrem trockenes Gebiet, eines der trockensten Gebiete in ganz China, es gibt weniger als 400 Millimeter Niederschlag im Jahr und nur einige Zentimeter natürlichen Schnee. Das heißt, die Wasserressourcen sind extrem knapp, und da muss dann eben mit viel Aufwand das Wasser von weit her hergebracht werden.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Dieselreste und Bakterien im Schmelzwasser

Seynsche: Jetzt werben die Veranstalter aber ja damit, dass sie Wasser sparen würden, indem sie das Schmelzwasser auffangen und wiederverwenden wollen. Das klingt doch erst mal nach einer guten Idee oder?
de Jong: Das mag eine gute Idee sein, aber es ist eine andere Sache, ob das funktioniert, weil dieses Schmelzwasser ja unterwegs verloren geht und es auch sehr hohe Verdunstung gibt. Das heißt, da wird nur ein kleiner Anteil von diesem Schmelzwasser dann in diesen Reservoirs landen. Und dann wird natürlich auch eine Menge Wasser durch Verdunstung verloren gehen. Das andere Problem ist natürlich auch die Wasserqualität, darüber spricht niemand. Dieses Wasser, dieses Kunstschneeschmelzwasser, ist von schlechter Qualität, weil das Wasser ja vorher schon von weither gepumpt wurde, stagnierte in Reservoirs, wurde aufgestaut. Dann stagniert das Wasser ja in Form von Kunstschnee auf den Pisten, da wird es dann durch Verdunstung noch mehr angereichert, das heißt, es gibt dann mehr Salze, mehr Mineralien, die sich da anreichern.
Dann kommen noch die Dieselreste von den Schneeraupen und Wachsreste von den Skiern und Bakterien, man findet ja auch eine viel höhere Anzahl an Bakterien im Kunstschnee vor. Dann ist das alles andere als sauberes Wasser. Und in den Alpen wäre das ja auch verboten, weil man in vielen alpinen Ländern Trinkwasserqualität verlangt für die Beschneiung, weil man ja auch sagt, dass die Kinder den Schnee in den Mund nehmen und so weiter.

Es geht um Prestige und Politik

Seynsche: Warum hat man sich denn für die Olympischen Winterspiele keinen anderen Ort in China gesucht, wo es vielleicht auch natürlicherweise Schnee hat, also viel bessere Bedingungen wären?
de Jong: Ich denke, dass da Prestige und Politik eine große Rolle spielen wie bei den meisten andern Olympischen Spielen. Man möchte natürlich das Aushängeschild haben, Winter- und Sommerspiele am gleichen Ort. Natürlich gibt es andere Gebiete, die mehr Schnee erhalten, aber da müsste man unwahrscheinlich weit gehen, und aus politischer Sicht wäre das dann uninteressant.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.