Wasser für morgen
So wird Deutschlands Versorgung krisensicher

Wenn die Temperaturen steigen, wächst der Wasserbedarf – in Haushalten, auf Feldern, in Fabriken. Doch das Grundwasser schwindet. Der Schutz unserer Wasserversorgung ist längst eine Sicherheitsfrage.

    Der Rhein bei Düsseldorf bei Niedrigwasser. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit liegt das Flussbett an vielen Stellen trocken. Ein Hund spielt im Wasser. (Themenbild, Symbolbild) Düsseldorf, 22.05.2025
    Wie gehen wir mit der Ressource Wasser um? Im Bild: Der Rhein bei Niedrigwasser (picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt)
    Kürzlich kam es im Landkreis Pinneberg in Schleswig-Holstein zur Störung der Wasserversorgung. Die Bevölkerung war angehalten, auf das Befüllen von Pools, auf Rasensprengen oder die Autowäsche zu verzichten.
    Ähnliche Szenarien drohen auch anderswo in Deutschland. Experten des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnen, dass über die Hälfte der Landkreise mehr Grundwasser verbraucht als sich regeneriert. Besonders kritisch ist die Situation im Nordosten des Landes, entlang des Rheins in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in hessischen Landkreisen.
    Um den Wasserverbrauch zu senken, schlagen Ökonomen eine Erhöhung der Wasserentnahmegebühren vor, um insbesondere die Industrie zum Sparen anzuregen. Doch es gibt noch mehr Lösungen. Die Dringlichkeit ist in jedem Fall groß.

    Inhalt

    Warum ist Grundwasser für die Wasserversorgung wichtig?

    Grundwasser ist aus mehreren Gründen von zentraler Bedeutung für die Wasserversorgung in Deutschland: als Hauptquelle für Trinkwasser, zur Speisung von Oberflächengewässern, die wiederum zur Trinkwasserversorgung beitragen, und weil es neben der Luft zum Atmen der wichtigste Bestandteil des Stoffwechsels ist.
    Kaum noch natürlich in ausreichender Menge vorhanden, muss es oft aus immer größeren Tiefen gepumpt und technisch aufbereitet werden.

    Was sind die Ursachen der Wasserknappheit?

    Die Ursachen sind vielfältig und miteinander verbunden. Steigende Durchschnittstemperaturen führen einerseits zu mehr Dürre, andererseits zu mehr Starkregen und Überschwemmungen. Der Wasserhaushalt der Erde gerät so aus dem Gleichgewicht. In Deutschland steigen die Temperaturen sogar schneller als im globalen Mittel. 2024 war das wärmste je gemessene Jahr.
    Regelmäßiger Regen fehlt, während Starkregen über ausgetrockneten Böden abfließt anstatt zu versickern. Wasser geht auch bei der Versiegelung von Flächen durch Bebauung und Straßenbau verloren. Dann sickert das Regenwasser nicht mehr in den Boden und füllt das Grundwasser auf, sondern fließt stattdessen in die Kanalisation. Durch die Zerstörung von Wäldern und Mooren gehen zudem natürliche Wasserspeicher verloren.
    Bei der Abwärme von Kraftwerken und Industrie in Seen und Flüssen fließt Kühlwasser wärmer ab als es hineinfließt und entweicht als Wasserdampf in die Umwelt. Dieses Wasser fehlt dann dem Fließgewässer, was erneut zu dessen Erwärmung beiträgt.
    In Berlin droht der Spree ab 2028 ein Wasserverlust von 75 Prozent, wenn der Braunkohletagebau in der Lausitz eingestellt wird. Denn das geht mit dem Abschalten der Pumpen einher, die derzeit den Grundwasserspiegel für den Tagebau künstlich absenken und das Wasser in die Spree umleiten.
    Wasserverschwendung für Konsum und Profit – etwa für Autowäschen, Swimmingpools oder Schneekanonen in Skigebieten – ist ein weiterer Grund für Wasserknappheit.

    Welche Umweltfolgen entstehen durch Wasserknappheit?

    Wasserknappheit, oft als "Katastrophe in Zeitlupe" bezeichnet, hat weitreichende und vielfältige Umweltfolgen, die sich auf Böden, Wasserwege, Ökosysteme und das städtische Klima auswirken.
    Dürre etwa führt zum Verlust von fruchtbarem Boden und somit zu Ernteausfällen. Wenn die Grundwasserpegel sinken, gibt es auch weniger Trinkwasser, denn 87 Prozent des Trinkwassers stammt aus Grundwasser.
    In der Region Hannover, wo eine „außergewöhnliche Dürre“ im Oberboden auf zu wenig Grundwasser hinweist, gilt schon jetzt zwischen Juni und September bei Temperaturen ab 27° ein Bewässerungsverbot für landwirtschaftliche Flächen, Sportanlangen, Parks und Gärten.
    Zuwenig Wasser verursacht Baumsterben und ist für den Verlust von Kaltluftquellen- und schneisen etwa in Städten verantwortlich. Städte werden zu „Asphaltwüsten“, die sich immer mehr aufheizen.
    Höhere Durchschnittstemperaturen, aber auch industrielle Abwärme, tragen zur Erwärmung von Gewässern bei. Das ist für viele Tier- und Pflanzenarten verhängnisvoll, während andere wie Algen übermäßig gedeihen.

    Welche Maßnahmen gibt es gegen Wasserknappheit?

    Aus Sicht von Umweltdezernent Jens Palandt (Grüne) in der Region Hannover geht es beim Thema Wasserverbrauch vor allem darum, Nutzwasser wiederzuverwenden, anstatt ständig frisches Grundwasser zu verbrauchen. Mit neuen Technologien zur Wasseraufbereitung kann Wasser zurück in die Landschaft zu fließen und versickern.
    In Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover wird das Konzept „Schwammstadt“ bereits in die Praxis umgesetzt: Kanäle unter dem Asphalt speichern Regenwasser, das zur Bewässerung von Grünflächen genutzt werden kann, anstatt in die Kanalisation zu fließen. Das schützt auch das Grundwasser.
    Außerdem ist es erforderlich, den hohen Grundwasserverbrach zu reduzieren und Maßnahmen zur Verstärkung der Grundwasserneubildung zu ergreifen, sagt Gische Grützmacher, Hydrogeologin bei den Berliner Wasserbetrieben.

    Höhere Wasserentnahmentgelte für die Industrie

    Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, höhere Wasserentnahmentgelte in Sachsen, Brandenburg und Berlin als Anreize zum Wassersparen für Industrie und Gewerbe zu schaffen. Ein Vorschlag, der bei der Industrie nicht gut ankommt, wo man eher auf technische Lösungen setzen will.
    In der Landwirtschaft sollten Pflanzen gewählt werden, die regional passen und wenig Wasser benötigen. Ein Beispiel sind Kichererbsen, die ein sehr warmes Klima brauchen und schon jetzt in Deutschland erfolgreich angebaut werden.
    Städte sollten umgebaut werden, sodass natürliche Lüftungs- und Kühlungsschneisen entstehen, sagt Messari-Becker vom KIT. Bei der Bodenpolitik sollte eine Balance zwischen Grün- und Wasserflächen sowie Versiegelung gewahrt werden. Wenn zugemauerte Flüsse und Bäche freigelegt werden, kühlen sie die Stadt und schaffen soziale Räume.
    Maßnahmen wie der Einsatz von Trinkbrunnen, großen Sonnenschirmen oder Wasserspielen im Außenraum hingegen tragen kurzfristig zur Kühlung bei und sind relativ schnell umsetzbar, sagt die Umweltingenieurin.

    Welche politischen Rahmenbedingungen braucht es?

    Die Klimaneutralität bis 2045 ist in Deutschland bereits im Grundgesetz verankert.
    Die Nationale Anpassungsstrategie zielt darauf ab, Gebäude, Land- und Forstwirtschaft, Infrastrukturen und weitere Sektoren klimaresilienter zu machen. Sie beinhaltet Maßnahmen von der Fassadenbegrünung bis zur Moorrenaturierung.
    Das in Deutschland beschlossene Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klima ist eine wichtige Basis. 100 Milliarden Euro davon sollen in den Klima- und Transformationsfonds fließen, weitere 100 Milliarden Euro an die Bundesländer zur Klimaanpassung gehen.
    Diese Gelder müssten effizient eingesetzt werden, um Infrastruktur nicht nur zu reparieren, sondern sie moderner, leistungsfähiger und resilienter zu gestalten, fordert Umweltingenieurin Messari-Becker. Investitionen müssten explizit mit Kriterien der Klimaanpassung verbunden werden, da nur eine resiliente Infrastruktur eine gute Geldanlage sei.

    Trinkwasserversorgung als Bestandteil nationaler Sicherheit

    Aus Sicht von Carsten Schneider (SPD), Bundesminister für Umwelt und Klimaschutz, muss der Sicherheitsbegriff über das rein Militärische hinausgehen. Eine sichere Versorgung mit Trinkwasser sollte als zentraler Bestandteil der nationalen Sicherheit betrachtet und geschützt werden.
    Weitere Maßnahmen sind in Vorbereitung, etwa ein neuer Sonderrahmenplan "Naturschutz und Klimaanpassung zur Finanzierung der Klimaanpassung", insbesondere für Kommunen.

    Wem gehört das Wasser?

    Es gibt im Wesentlichen zwei Konzepte, wie Menschen Wasser verwenden und verteilen. Nach dem einen ist Wasser ein Gemeingut, auf das alle Menschen gleiches Recht haben. Nach dem zweiten ist Wasser Besitz und Handelsgut wie jedes andere auch.
    In der europäischen Wasserrahmenrichtlinie heißt es, dass Wasser keine übliche Handelsware ist, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. Die UN-Vollversammlung erkannte 2010 das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht an. Der Beschluss ist allerdings nicht bindend und nicht einklagbar.
    Erfahrungen mit privatisierten Wasserversorgern wie Thames Water (Großbritannien) oder American Waterworks (USA) zeigen, dass die Privatisierung zu hohen Kosten für Verbraucher, Raubbau an der Ressource und irreparablen Umweltschäden führen kann.
    2025 haben mehr als eine Milliarde Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und es werden noch mehr. Auch der französische Ort Vittel könnte bald auf dem Trockenen sitzen, wenn der Konzern Nestlé dort weiter sein bekanntes Mineralwasser abpumpt.

    tha