Dienstag, 16. April 2024

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Afghanistan
Baerbock: EU muss sich gemeinsam auf Flüchtlinge vorbereiten

Mit steigender Zahl der Binnenflüchtlinge in Afghanistan sollten sich alle 27 EU-Länder darauf vorbereiten, dass viele Menschen wegen der dramatischen Situation ihr Land verlassen werden, sagte die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, im Dlf. Man müsse deshalb Flüchtlingskontingente verabreden.

Annalena Baerbock im Gespräch mit Klaus Remme | 15.08.2021
"Der Afghanistan-Einsatz zeigt, wieviel Fehler immer wieder aufeinander gereiht worden sind", sagte Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, im Deutschlandfunk-Interview der Woche. Diese Kette von Fehlern habe jetzt zu einer wirklich katastrophalen Situation für die Menschen im Land geführt.
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Baerbock: Fehler in Syrien dürfen nicht wiederholt werden

Angesichts der massiv gestiegenen Zahl von Binnenflüchtlingen in Afghanistan, warnt Baerbock davor, Fehler während des Syrien-Kriegs zu wiederholen. Fatalerweise waren die Europäer damals nicht auf die Flüchtlinge vorbereitet, so Baerbock.
Man dürfe nicht den "katastrophalen Fehler" wiederholen, zu warten, bis alle 27 EU-Länder bereit sind. Man müsse sich "mit den europäischen Ländern, die wollen, und vor allem den Amerikanern und den Kanadiern zusammenschließen, damit wir klare Kontingentregeln gemeinsam vereinbaren", so die Co-Vorsitzende der Grünen.

Team Baerbock/Habeck

Baerbock äußerte sich auch zum Grünen-Co-Vorsitzenden Robert Habeck und unterstrich die Teamarbeit. Auf die Frage, ob offene Kritik Habecks an Fehlern Baerbocks abgesprochen war, sagte die Kanzlerkandidatin: Ja. "Wir reden über sehr viele Dinge, weil man nur im Team funktionieren kann, wenn man ehrlich miteinander umgeht und gemeinsam Dinge reflektiert."
Ihr Anspruch sei eine andere Art von Führung, so Baerbock, und weiter: "Richtlinienkompetenz aus dem Kanzlerinnenamt bedeutet für mich, wirklich Ministerien zusammenzubringen und die großen Zukunftsaufgaben gemeinsam zu meistern. Das tun Robert und ich als Parteivorsitzende, als Spitzenkandidaten und so wollen wir auch die nächste Bundesregierung anführen."
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Das Interview im Wortlaut:

Klaus Remme: Willkommen Annalena Baerbock zum Interview der Woche. Hallo.
Annalena Baerbock: Hallo, schönen guten Tag.
Remme: Wir zeichnen dieses Interview am Freitagmittag auf, und Sie kommen gerade von der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Mauerbaus vor 60 Jahren – gar nicht weit weg von hier, wir sind in Berlin Mitte. Sie sind Jahrgang 1980 und insofern haben Sie die Mauer, die Teilung, allenfalls als Kind persönlich erlebt. Sind da dennoch Erinnerungen in der Familie an diese Zeit?
Baerbock: Ja. Also, ich habe das große Glück gehabt, meine Generation, nicht nur in Frieden in Europa aufzuwachsen, sondern auch den allergrößten Teil meines Lebens in einem wiedervereinten Europa. Aber ja, auch familiär waren Teile meiner Familie in Ostberlin. Deswegen, das Hin- und Herreisen auch zwischen Westdeutschland und Ostberlin, das habe ich noch so in dunkler Kindheitserinnerung und vor allen Dingen auch dieses Bedrückende, gerade von meiner Oma, wenn sie von ihrer Verwandtschaft zurückgekommen ist und immer dieses ‚Jetzt müssen wir wieder Abschied nehmen und wir wissen nicht, wann wir uns wie eigentlich auch wiedersehen‘.

"Impfen ist jetzt das Allerwichtigste"

Remme: Wir sind nicht nur in der heißen Phase des Wahlkampfes, Frau Baerbock, wir sind auch noch immer mitten in der Pandemie. Auf den ersten Blick könnten wir ja unsere Lage durch eine Impfpflicht verbessern, Impfstoff ist reichlich da, wie denken Sie darüber?
Baerbock: Impfen ist jetzt das Allerwichtigste. Ich war jetzt in den letzten Wochen an unterschiedlichen Orten, wo Impfzentren zum Teil jetzt geschlossen werden und auf der anderen Seite ist es nach wie vor unklar, wie es mit den mobilen Impfzentren weitergeht, also, die Impfteams, die in Stadtteile gehen, wo man Menschen erreicht, die bisher vielleicht die Informationen noch nicht hatten, wo man im Gespräch überzeugen kann. Und in dem einen Impfzentrum oder Impfteam, wo ich war, war durch dieses direkte Gespräch jemand, der gesagt hat: ‚Okay, ich lasse mich jetzt doch impfen‘. Und deswegen muss diese Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die Finanzierung der mobilen Impfteams, jetzt das Allerwichtigste sein.
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Remme: Ja, jetzt hatte ich nach der Impfpflicht und Ihrer Meinung dazu gefragt. Ich weiß, dass es eine öffentliche Diskussion darüber gibt, aber ich würde gerne wissen, was Sie davon halten.
Baerbock: Wenn es so große juristische Hürden dafür gibt, dann halte ich das nicht für den zentralen Schritt, das jetzt in der Debatte weiterzuführen. Weil, es kommt jetzt auf jeden Tag an, dass wir Menschen wirklich impfen. Wir haben in der jetzigen Situation die Rechtsgrundlage so, dass es keine Impfpflicht allgemein geben wird. Ich glaube auch, dass es kontraproduktiv in der jetzigen Situation entsprechend wäre. Wir wissen nicht, was in den nächsten Monaten noch alles so passiert, aber für mich ist zentral, jetzt für Kinder und Schulen alles zu tun, vor Ort an die Einrichtungen zu kommen, die mobilen Impfteams entsprechend weiter auszuweiten, damit wir real impfen und nicht weiter politische Diskussionen führen.

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Remme: Und das gilt auch für mögliche Zwischenschritte, wie sektorale Impfpflichten oder aber regionale, wie sie in den USA erwogen werden?
Baerbock: Die USA ist ein ganz anderes Land als Deutschland.
Remme: Frankreich nicht so.
Baerbock: Frankreich nicht so, aber nichtsdestotrotz gibt es unterschiedliche Verfassungen und unterschiedliche juristische Einschätzungen. Jetzt hat Priorität mobile Impfteams. Wir wissen, dass zum Beispiel auch im Bundeswehrbereich es für einzelne Berufsgruppen immer wieder auch die Möglichkeit gibt. Und wenn wir zum Beispiel im Bildungsbereich oder in anderen sehen, wir kommen mit den Maßnahmen, die wir jetzt angehen, nicht voran, dann müssen wir natürlich weiter darüber reden, was ist noch möglich. Aber der erste Schritt, der jetzt möglich ist, der muss jetzt auch gegangen werden.
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"Wir als Grüne allein werden wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen"

Remme: Sie und Robert Habeck haben die erste Woche einer fast 100-Städte-Wahlkampftour hinter sich. Die Umfragen schwanken stark. Jüngste Daten sehen die Union, die Grünen, die SPD so nah beieinander wie noch nie. Vor allem – nach meinem Eindruck –, weil die Union schwächelt. Meine Frage ist, wir reden seit Wochen über das Klima und die Erderwärmung und die Klimafolgen, wir hatten die Flutkatastrophe, die Brände in Südeuropa, den IPCC-Bericht, warum können die Grünen in dieser Themenlage als Partei mit der stärksten Umweltschutzkompetenz nicht stärker profitieren?
Baerbock: Wir stehen seit zweieinhalb Jahren bei Umfragewerten um die 20 Prozent, und zwar weil ganz, ganz vielen Menschen schon seit Langem klar ist, dass die Klimakrise im Hier und Heute passiert, dass wir dringend mehr Klimaschutzmaßnahmen brauchen. Und diese Erkenntnis, die jetzt vielleicht die CDU und die SPD haben, ‚Oh, Klimakrise findet ja auch bei uns statt‘, das ist ja nicht der Erkenntnisgewinn der Gesellschaft, sondern mehr als zwei Drittel haben kontinuierlich immer gesagt, Klimaschutz ist eines der wichtigsten Themen. Und deswegen stehen wir seit längerer Zeit auch in den Umfragen bei den 20 Prozent, wo wir derzeit stehen.
Remme: Für die grüne Wählerschaft überzeugt mich das, für diejenigen, die sich überlegen, von einer Partei, die sie bisher gewählt haben, zu Ihrer Partei zu wechseln, würde ich denken, dass die Schlagzeilen, die ich erwähnt habe, dem Thema eine solche Brisanz verleihen, dass es dann eigentlich einen Zuwachs geben müsste, wenigsten in den Umfragen.
Baerbock: Ja, die Umfragen gehen derzeit auf und ab. Und dass das Klimathema eine zentrale Rolle spielt, das ist erstmal eine absolut positive Nachricht. Weil wir als Grüne allein werden wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, dafür braucht es alle demokratischen Parteien, dafür braucht es Gewerkschaften, dafür braucht es die jungen Menschen, die zu Recht seit Langem sagen: ‚Mensch, ihr Erwachsenen, ihr müsste jetzt endlich was tun‘. Weil dieser Umbau der Industrie, der uns überhaupt nur auf den Weg der Klimaneutralität führen kann, der geht in einer Gesellschaft nur gemeinsam. Und deswegen auch mein Vorschlag, die nächste Bundesregierung muss als Querschnittveranwortung den Klimaschutz definieren, und da darf es in Zukunft keine Ausreden von einzelnen Ministerien mehr geben.

"Dass es Gegenwind gibt, das war von Anfang an klar"

Remme: Sie haben als Kandidatin harte Wochen hinter sich, nach einer Reihe selbstverschuldeter Fehler. Sie wurden öffentlich massiv kritisiert, Ihre Qualifikation wurde in Frage gestellt. Das tägliche Non-Stopp dieser Meldungen in allen Medien zu erleben, das kann doch an einem Kandidaten, einer Kandidatin nicht spurlos vorüber gehen, oder?
Baerbock: Nein, das ist wie bei jedem Menschen, das geht nicht spurlos vorüber. So wie jeder gute Tage hat und weniger gute Tage, ist das auch bei mir als Politikerin. Aber mir geht es jetzt nicht um meine Person in diesem Wahlkampf, sondern wir stehen vor einer wirklichen Richtungswahl bei dieser Bundestagswahl. Wir stehen vor der Frage, welche Gesellschaft wollen wir sein, wollen wir uns gemeinsam als Land erneuern, damit wir den Wohlstand in Zukunft nicht nur auf Klimaneutralität bauen, sondern so gerecht, dass er wirklich allen zugutekommt: Jungen Menschen, älteren Menschen, Menschen mit wenig Einkommen…
Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sitzt zu Beginn der Vorstellung ihres Buches «Jetzt. Wie wir unser Land erneuern» mit einem Exemplar in der Hand auf der Bühne.
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Remme: Und da ist wieder dieser schnelle Schwenk auf Inhalte, den ich auch in Wahlkampfreden von Ihnen, angefangen beim Auftakt in Hildesheim, am vergangenen Montag, erlebt habe. Ich will aber noch ein wenig bei der Person bleiben. Ich frage mich, ob es in all diesen Wochen schlaflose Nächte gab, ob es Zweifel gab, ob Robert Habeck die richtige Wahl gewesen wäre?
Baerbock: Wer nicht selbstkritisch mit sich umgeht, der kann aus meiner Sicht nicht sagen, wir wollen Dinge wirklich erneuern. Natürlich muss man nicht nur reflektieren, welche Politik man macht, für welche Inhalte man steht, sondern immer wieder auch sich selbst reflektieren. Und ich trete an für eine Erneuerung in diesem Land. Das heißt, auch eine neue Person, die man bisher so noch nicht kannte. Und dass es da Gegenwind gibt, das war von Anfang an klar. Natürlich ärgert man sich, weil man dann selber auch sagt: ‚Mensch, das hätte ich eigentlich besser machen müssen‘. Aber mein Sinn von Politik ist, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern sagen, es liegt so Vieles auf dem Tisch, was möglich ist. Und ja, ich komme wieder zu den Themen. Weil deswegen bin ich in der Politik, weil ich Dinge verändern will.
Remme: Das verstehe ich gut. Sie sind aber Kanzlerkandidatin. Und wenn ich hier aus dem Fenster schaue, nach Gegenüber, dann sehen wir das Kanzleramt – dort wird kein Thema sitzen, dort sitzt eine Person. Und deshalb würde ich ganz gerne wissen – Sie treten ja als Spitzenduo an, das hat sich durch Ihre Kandidatur ja nicht geändert – Robert Habeck hat Ihre Fehler öffentlich konzediert, ausführlich bei Markus Lanz, das kann man möglicherweise als Krisenmanagement im Team vereinbaren, war das abgesprochen?
Baerbock: Ja. Wir reden über sehr, sehr viele Dinge. Weil man nur im Team funktionieren kann, wenn man ehrlich miteinander umgeht, wenn man gemeinsam Dinge auch reflektiert. Das haben wir dreieinhalb Jahre so gemacht. Und deswegen, Sie haben gesagt, da drüben im Kanzleramt, da sitzt dann nur eine Person, aber mein Anspruch ist, nicht nur eine andere Art von Politik inhaltlich zu machen, sondern auch eine andere Art von Führung, nämlich Führung gemeinsam im Team. Richtlinienkompetenz aus dem Kanzler*innenamt bedeutet für mich, wirklich Ministerien zusammen zu bringen und die großen Zukunftsaufgaben gemeinsam zu meistern. Das tun Robert und ich als Parteivorsitzende, als Spitzenkandidaten, und so wollen wir auch die nächste Bundesregierung anführen.

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Remme: Sie sind ja im April Kanzlerkandidatin geworden. Wie ist das eigentlich nach der Wahl, löst sich das wieder auf, diese Hierarchie?
Baerbock: Wie ich gerade schon gesagt habe, Führen bedeutet für mich vor allen Dingen im Team zu führen. Und das bedeutet, gemeinsam Dinge zu vereinbaren. Man führt ja Koalitionsverhandlungen als Parteivorsitzende, das sind wir beide und das ist auch unsere Stärke. Dass wir nicht wie in anderen Parteien, bei der SPD gibt es eine Person, in der CDU gibt es eine Person und dann einen Gegenspieler, sondern wir sind die beiden Parteivorsitzenden, es gibt eine Kanzlerkandidatin und wir führen diesen Wahlkampf gemeinsam. Und wir werden auch alles was danach kommt – und das entscheiden in einer Demokratie ja zum Glück die Wählerinnen und Wähler –, wer da mit wem in welchen Koalitionsverhandlungen sitzt, solche Gespräche gemeinsam führen.

Baerbock: In der Pflege bis zur Rente arbeiten können

Remme: Jetzt ist da ja nicht allein nur die Diskussion über Ihre Person, die Medien schauen ja genauso auf Armin Laschet und auf Olaf Scholz – in diesem Wahlkampf stärker als sonst. Ich erkläre mir das dadurch, dass eben erstmals kein Amtsinhaber oder keine Amtsinhaberin antritt. Deswegen wundert es mich ein wenig, warum Sie in den Reden – und ich habe mir einige angehört – verhältnismäßig wenig über sich selbst sprechen. Sie haben damals, als Sie das Buch geschrieben haben, bei der Vorstellung in Berlin explizit gesagt, Sie wollten eigentlich keine Autobiografie schreiben, haben es auch nicht getan, haben das mit Ihrem Alter begründet. Aber es ging ja nicht um die Frage, ob Sie Ihre Memoiren schreiben müssen mit 40, sondern etwas schreiben, damit das Land Sie besser kennenlernt. Glauben Sie, das Land kennt Sie inzwischen als Person gut genug?
Baerbock: Deswegen bin ich ja auf Tour. Und zwar, wie Sie ja gesagt haben, sind wir gemeinsam in 100 Städten, so fast hälftig aufgeteilt, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Weil, ich glaube nicht, dass man wirklich Verbindung, dass man das Gefühl für das, was Menschen bewegt, über Fernsehtalkshows oder über Bücher bekommt, sondern im Austausch miteinander, im direkten Gespräch.
Das ist natürlich im Wahlkampf auch mal nur ein paar Minuten, aber wenn eine Krankenschwester, wie gestern bei mir in Pinneberg, dann auf einer Veranstaltung sagt: ‚Ich liebe eigentlich meinen Job, aber ich kann ihn in meinem Alter nicht mehr so zu Ende bringen‘, dann macht das natürlich einen ganz anderen Eindruck, was das bedeutet, was wir in der Pflege machen müssen. Eben nicht nur in Krisenzeiten zu klatschen, sondern dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen so sind, dass man auch bis zum Ende arbeiten kann. Und dann selber als Person, als Kanzlerkandidatin der Grünen in dieses direkte Gespräch zu kommen, gemeinsam sich auszutauschen, wie man die Pflegesituation vor Ort wahrnimmt, das ist mir total wichtig. Weil, ich will Politik aus dem Leben und aus dem Alltag der Menschen heraus machen und nicht nur abstrakt in irgendwelchen Büchern oder Talkshows.
Pflegekräfte, die an einer einer Demonstration zum Internationalen Frauentag teilnehmen, halten Plakate. Seit genau 100 Jahren wird an jedem 8. März weltweit für Frauenrechte, für Gleichberechtigung und Emanzipation demonstriert.
Pflegekräfte und ihr neuer Kampf um höhere Löhne
Die Pflegereform verspricht zwar Lohnerhöhungen, doch die gibt es nur, wenn die Arbeitgeber sich auf gute Tarifverträge einlassen. Für die Beschäftigten heißt das: Sie müssen sich bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne selbst erstreiten.
Remme: In diesen Reden, da erwähnen Sie, was die persönlichen Details angeht, häufig Ihre Kinder, Sie erwähnen häufig in den vergangenen Wochen und Monaten das Trampolin, ich weiß, dass Ihnen früher der Bus gefehlt hat und Sie deshalb das Auto als große Freiheit, damals, empfunden haben. Aber das alles dient immer nur der Illustration der politischen Punkte. Und mein Interesse wäre zu hören über jemand, der dieses Land führen soll: Hat sie mit sich gerungen, auf der Suche nach dem richtigen Weg, Entscheidungen getroffen im Leben, richtige oder falsche, Selbstzweifel, wie ist sie mit denen umgegangen. Würden Sie das als Wählerin nicht auch gerne hören über eine Kandidatin, über die Sie wenig wissen, die das Land aber führen soll?
Baerbock: Für mich ist wichtig als Bürgerin und damit selber dann auch als Politikerin, die antritt, dass man Politik nicht nur abstrakt macht, sondern mit dem Herzen, dass man die Menschen sieht. Und deswegen, wenn Sie fragen, warum ich darüber viel erzähle, warum ich auf dem Land groß geworden bin, weil es mir wichtig ist, dass es eben nicht nur den einen Menschen gibt und dafür macht man Politik.
Zum Glück sind nicht alle Menschen gleich, sondern es macht einen großen Unterschied, ob ich im ländlichen Raum lebe – Sie haben den Bus angesprochen –, ob ich selber mobil sein kann oder ob ich halt nur dreimal am Tag in die Stadt fahren kann, ob man weiß, wie es ist, als Alleinerziehende zwei Kinder groß zu ziehen. Und das ist für mich eine Politik der Menschlichkeit, der Empathie, die einzelnen Menschen auch zu sehen. Und da unterscheide ich mich sicherlich auch von anderen Spitzenpolitikern. Und daher mache ich auch so deutlich, auch in Zeiten wie einer Coronapandemie, ja, es treibt mich um, was in den Schulen dieses Landes passiert, weil ich tagtäglich sehe, was bei den Kindern passiert. Und natürlich gibt es da Zweifel, wo man sich immer wieder auch fragt, tun wir als Politik genug? Was bringe ich selber mit ein, damit wir diese großen Herausforderungen angehen?
Aber wir stehen ja jetzt vor einem Moment, wo die Frage ist: Machen wir einfach so weiter wie bisher oder übernehmen wir als grüne Partei, als eine Generation, die ich bin, mit 40 Jahren, Verantwortung dafür, jetzt die nächsten Jahrzehnte zu gestalten? Und genau das ist mein Anspruch zu sagen: Ja, wir müssen den Mut haben, Dinge jetzt wirklich auch anzupacken, um dieses Land zu erneuern, und zwar auch mit dem persönlichen Risiko, nicht superperfekt von Anfang zu sagen: Und das ist jetzt alles aalglatt schon vorgestylt.

Mut zur Verantwortung haben - auch ohne Regierungsverantwortung

Remme: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk. Und wir sprechen mit Annalena Baerbock, Co-Vorsitzende der Grünen und Kanzlerkandidatin ihrer Partei. Frau Baerbock, im amerikanischen Wahlkampf gibt es häufig das Thema des sogenannten "3 a.m. call", eines Anrufs mitten in der Nacht, also die Konfrontation mit einer Lage, einer Krise, die sofortiges Reagieren und Entscheiden erzwingt. Jetzt hatten Sie bekanntlich noch keine Regierungsverantwortung – wie versichern Sie Wählern und Wählerinnen, dass Sie diesem Druck gewachsen sind?
Baerbock: Indem man, wenn man Entscheidungen treffen muss, für sich klar hat, auf welcher Grundlage treffe ich die Entscheidung, habe ich die richtigen Informationen, um dann in der Lage zu sein, mitten um 3 Uhr in der Nacht hellwach zu sein und solche Entscheidungen auch gemeinsam mit seinen Beraterinnen und Beratern zu treffen. Und jeder, der ins Kanzler*innenamt einziehen wird, wird das zum ersten Mal machen. Das ist für alle Kandidierenden eine neue Aufgabe, in die alle Hineinwachsen müssen. Und damit ist es etwas, was für keinen vom Himmel fällt. Aber jetzt zu sagen, man muss vorher schon 20 Jahre alle Politikmühlen durchlaufen haben, führt aus meiner Sicht dazu, dass wir bei den entscheidenden Fragen eben nicht um 3 Uhr nachts dann den Mut auch haben zu sagen, okay, wir tragen jetzt die Verantwortung, Dinge auch wirklich in Zukunft anders zu machen, damit wir erhalten, was uns lieb und teuer ist.
Remme: Ein solcher Anruf könnte internationale Krisen betreffen – Afghanistan ist da ein gutes Beispiel.
Baerbock: Ja.
Remme: Auch wenn die deutschen Soldaten abgezogen sind – Sie kennen die Meldungen, eine Provinzhauptstadt nach der nächsten fällt in die Hände der Taliban –, was tun?
Baerbock: Da Sie ja gerade so ein bisschen darauf anspielen, dass ich eine jüngere Generation an der Stelle bin, ist, glaube ich, Afghanistan ein Beispiel dafür, dass eine Politik des "Einfach weiter so" nicht dazu führt, dass es mehr Sicherheit oder dass es mehr Vertrauen und Verlässlichkeit gibt. Weil der Afghanistaneinsatz ja zeigt, wie viel Fehler immer wieder aufeinandergereiht worden sind, immer wieder auch nicht Bereitschaft da war, mal zu analysieren, was machen wir eigentlich in Afghanistan richtig und was machen wir eigentlich in Afghanistan falsch.
Und diese Kette von Fehlern hat dazu geführt, dass wir jetzt in einer wirklich katastrophalen Situation für die Menschen im Land sind, zusätzlich, dass der Abzug gerade der Amerikaner jetzt so überhastet war, dass – heute zeichnen wir auf, am Freitag – wir am Sonntag nicht wissen, wie dann die Lage in Afghanistan ist. Und das bedeutet für mich jetzt eben, eine klare Haltung zu haben und zu handeln. Und das tut die aktuelle Bundesregierung nicht. Wir müssten jetzt die Ortskräfte, diejenigen Menschen, die die deutsche Bundeswehr unterstützt haben, ihnen Schutz gegeben haben, da muss die Bundesregierung ihr Wort halten. Und sie zögert und sie zaudert und geht nicht auf das Angebot der Amerikaner ein, diese Ortskräfte jetzt gemeinsam mit einer Luftbrücke auszufliegen. Aber das wäre jetzt genau das Nötige, was wir tun müssen, eine gemeinsame Luftbrücke zu bauen für diejenigen, die jetzt unseren Schutz brauchen.
UPDATE: Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte unterdessen an (nach Aufzeichnung des Interviews, Anm. der Red.), fast alle Botschafts-Mitarbeiter sowie die afghanischen Ortskräfte möglichst schnell auszufliegen zu lassen. Die Taliban-Milizen sind heute Medienberichten zufolge bis auf 50 Kilometer vor Kabul vorgerückt.
Remme: Das Problem Ortskräfte ist ein Splitter dieser Gemengelage, die von Ihrer Partei, von Robert Habeck, sicherlich auch von Ihnen, als Fiasko bezeichnet wird. Als Wahlsiegerin hat man es ja damit zu tun, dass man Probleme einer Vorgängerregierung erbt, das heißt, Sie können da nicht bei Null anfangen, die Situation ist so, wie sie ist. Norbert Röttgen sieht die Notwendigkeit eines neuen Einsatzes, weil er die Gefahr einfach für so groß hält, falls die Taliban die Hauptstadt erobern würden, Einfluss bekommen auf die Politik – wenn man es so nennen will – in Afghanistan. Was würden Sie tun?
Baerbock: Natürlich tragen wir alle eine Verantwortung, auch Grüne tragen eine Verantwortung. Und deswegen haben wir in den letzten Jahren, ich auch ganz persönlich, immer wieder analysiert, was lernen wir aus diesem Einsatz, der so wahnsinnig viele Fehler hat. Und Außenpolitik bedeutet dann immer wieder auch, sich der knallharten Realität zu stellen. Das ist kein Wünsch-dir-was, sondern ein Abwägen zwischen Pest und Cholera.
Und in dieser Situation – auf Ihre Frage kommend – stehen wir jetzt gerade. Wir können jetzt analysieren, dass es schlecht war, so überhastet abzuziehen – das war absolut fatal, ich war auch in Gesprächen mit den Amerikanern, in den letzten Monaten, dazu –, diese Situation dann, dass die Menschen einfach schutzlos dastehen, dass wir da hineingeraten. Sie haben jetzt gesagt, das ist nur ein Nebengeschichte, mit den Ortskräften, das ist es für mich überhaupt gar nicht. Weil, diese Menschen sind jetzt in diesen Stunden, in den Tagen, mit dem Leben bedroht, weil sie als Verräter gelten, weil sie mit den NATO-Truppen, mit unserer Bundeswehr zusammengearbeitet haben. Und in solchen Krisen, wo man abwägen muss, im Zweifel zwischen den schwierigsten Entscheidungen, geht es als allererstes für mich darum, Menschenleben zu retten. Und deswegen ist jetzt für mich das Wichtigste, diese Menschen dort rauszuholen, damit wir ihnen ein Leben überhaupt noch garantieren können.
Remme: Ich wollte das auf keinen Fall herabsetzen, das ist absolut wichtig, lebenswichtig, diese Menschen aus dem Land zu holen. Es ist eben nur ein Problem, neben vielen anderen.
Baerbock: Das stimmt.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bei einem Besuch in einer Kaserne in Augustdorf
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer: "Es ist nicht gelungen, Afghanistan nachhaltig positiv zu wenden"
Von "bitteren Bildern" vom Vormarsch der Taliban in Afghanistan spricht Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit Blick auf den beendeten Militäreinsatz dort.
Remme: Und die Großlage in Afghanistan ist eben die, dass sich seit dem Abzug der Truppen eine Viertelmillion Binnenflüchtlinge durch das Land bewegen. Die werden dort nicht im Kreis laufen, das wird sich irgendwann in die Nachbarländer und darüber hinaus bewegen. Deshalb nochmal meine Frage: Wie gehen wir um mit diesen Problemen, insbesondere wenn die Taliban weiter auf dem Fortschritt sind?
Baerbock: So, der zweite Schritt – weil wir gerade in dieser Akutsituation sind – ist jetzt, mit der afghanischen Regierung im Gespräch zu sein und nicht, wie es jetzt von einzelnen anderen Akteuren ja auch betrieben wird, vor allen Dingen mit den Taliban zu reden. Sondern die Bundesregierung, die NATO-Länder müssen zentral mit der afghanischen Regierung im Austausch sein, schauen, wie man es dort weiter unterstützen kann vor Ort. Und, wie Sie gesagt haben, die Frage, mit Blick auf die weitere Vertreibung, gilt es das zu tun, was in Syrien auf fatale Weise nicht getan wurde, sich als Europäer darauf vorzubereiten, dass weitere Menschen in so einer dramatischen Situation ihr Land verlassen müssen, dass man dafür als Europäer und wenn wir das nicht gemeinsam können, mit 27, und diesen katastrophalen Fehler dürfen wir nicht wieder wiederholen, zu sagen, wir warten, bis alle 27 Ländern bereit sind, sondern sich dann mit den europäischen Ländern zusammen zu schließen, die wollen und vor allen Dingen mit den Amerikanern und den Kanadiern, damit wir klare Kontingentregeln gemeinsam vereinbaren.
Symbolbild "Abschiebeflug"
Kommentar zum Abschiebe-Stopp: Es geht um mehr als "Härte oder Humanität"
Bis zuletzt hatte der Bundesinnenminister an der Rechtmäßigkeit von Abschiebungen nach Afghanistan festgehalten – das sei eine willentliche Realitätsverweigerung, kommentiert Gudula Geuther. Es gehe nicht nur um politische Signale, sondern auch um die Anerkennung von Fakten und Rechtsstaatlichkeit.
Remme: Sie leiten da praktisch über zu etwas, das ich gerne am Ende dieses Interviews besprechen würde. Ich habe auch Passagen in Ihrer Rede gehört, wo es eben um dieses Thema Einstimmigkeit, Mehrheitsentscheidung, möglicherweise Koalitionen von Freiwilligen innerhalb der Europäischen Union geht, wenn ein Konsens nicht zu finden ist. Sie haben es in Hildesheim im Zusammenhang mit Ungarn intoniert.
Baerbock: Ja.
Remme: Und ich habe mich gefragt, ich weiß natürlich, dass Sie darauf drängen, dass die Mehrheitsentscheidung auch in der Außenpolitik eingeführt wird, da bewegt sich nicht viel. Das heißt, Sie wollen dieses Bündnis der Freiwilligen – ob es nun fünf oder zehn oder zwölf Staaten sind – auf andere Politikbereich ausweiten, nicht etwa nur, wenn es darum geht, Flüchtlinge, die vom Mittelmeer gerettet wurden, aufzunehmen?
Baerbock: Auch da stehen wir vor einer Weichenstellung, auch mit dieser Bundestagswahl. Weil die bisherige Haltung von der Union und von der SPD zu sagen, ‚Okay, wir warten einfach mal auf den letzten in Europa und ansonsten tun wir gar nichts‘, führt uns nicht nur in der Flüchtlingspolitik, hat uns lange auch in der Finanzpolitik, wo Digitalkonzerne dann gar nicht besteuert worden sind, in eine Sackgasse geführt. Und das ist nicht meine Haltung, Politik zu machen.

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Remme: Aber wie soll das laufen bei dem letzten Stichwort Steuerpolitik? Dann tun sich Vier zusammen und verhängen dort andere Steuerrichtlinien und die anderen machen weiter wie bisher? Das kann doch nicht funktionieren?
Baerbock: Na ja, ich mache aber Politik, um Dinge wirklich zu ändern und Probleme zu lösen. Und wo Sie die Steuerpolitik angesprochen haben, war es ja genau so, dass dann einige Länder – Frankreich zum Beispiel – gesagt hat, ‚Okay, wir warten jetzt nicht mehr länger auf Deutschland, sondern wir führen dann selber eine Digitalbesteuerung ein‘. Das erzielt natürlich viel, viel weniger Kraft auf globale Konzerne, als wenn sich europäische Staaten gemeinsam zusammentun. Und eigentlich wurde Europa immer so gebaut, unser Europa fußt darauf, dass einige den Mut hatten zu sagen, ‚Okay, wir machen jetzt ein paar Dinge anders, es sind zwar noch nicht alle mit dabei, aber wir haben den Mut, Veränderung wirklich voranzutreiben‘. So ist überhaupt die Friedensunion Europa entstanden, so ist der Euro entstanden – da haben auch nicht alle mitgemacht –, so ist Osteuropa zur Europäischen Union mit dazu gekommen. Und an einer solchen Weichenstellung stehen wir jetzt wieder, zu sagen: Wir gehen mit einigen Ländern voran. Dafür gibt es ja auch ein Instrument in der EU, das ist dann eben nicht die Coalition of the willing, auf die Sie ja gerade ein bisschen angespielt haben, sondern das ist das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit. Und, ja, ich will dieses Haus Europa gemeinsam weiterbauen, zur Stärkung unserer eigenen Werte, zur Stärkung des Friedens, aber auch, weil wir in Konkurrenz weltweit mit anderen Ländern, wie zum Beispiel China stehen.

Baerbock: Europäer müssen Souveränität definieren

Remme: Aber klingt dieses Wort, "verstärkte Zusammenarbeit", nicht schon nach einer Krücke? Denn wir wissen, die Grünen sind, wie kaum eine andere Partei, dem Multilateralismus verpflichtet. Dieser Multilateralismus wird häufig übersetzt als Zusammenarbeit auf Grundlage einer regelbasierten Ordnung. Man hat sich in der EU Regeln gegeben, diese Regeln sehen nun einmal – ob einem das gefällt oder nicht – im Moment Einstimmigkeit vor. Das wollen Sie umgehen oder aber aufbrechen – Sie wollen es aufbrechen, habe ich das richtig verstanden?! –, Sie möchten das Mehrheitsprinzip einführen?
Baerbock: Ich möchte das Mehrheitsprinzip einführen. Wir standen ja schon mal an einem Punkt und vielleicht nicht durch Zufall, auch durch einen starken grünen Außenminister, der gesagt hat: ‚Ich habe eine Vision von Europa – komm, wir bauen unser gemeinsames Haus weiter mit einer Verfassung‘. Und wir stehen jetzt wieder an einem Moment, wo wir als Europäer unsere eigene Souveränität definieren müssen oder wir werden zerrieben zwischen den anderen Kräften Amerika und China. Und das ist auch ein Ringen zwischen Demokratien und autoritären Regimen weltweit. Und ich möchte, dass dieses Friedensprojekt Europa – wir haben ja angefangen beim Interview, dass ich das große Glück hatte, als 40-Jährige im Frieden aufwachsen zu können –, ich will, dass das meine Kinder auch noch können. Und da kann ich doch nicht sehen, wie Europa immer mehr an Stärke verliert und zerrieben wird, sondern da will ich alles dafür tun, dieses Europa weiter zu bauen. Und das heißt nicht, dass man Regeln umgeht; es steht in den Verträgen, dieses Instrument der verstärkten Zusammenarbeit, was furchtbar technisch klingt, aber eigentlich ist es sozusagen der Kernmotor dessen, dass in Europa was vorangeht. Und genau dafür trete ich auch als Bundeskanzlerin an.
Remme: Frau Baerbock, vielen Dank für das Interview.
Baerbock: Herzlichen Dank. Alles Gute.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.