Montag, 13. Mai 2024

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Festnahme von US-Journalist
Klares Signal Russlands an den Westen

Die Verhaftung des US-amerikanischen Reporters Evan Gershkovich wegen Spionageverdachts sei ein Zeichen Russlands an die letzten unabhängigen Journalisten im Land, kommentiert Frederik Rother. Zudem habe Russland nun eine "politische Geisel".

Ein Kommentar von Frederik Rother | 30.03.2023
Evan Gershkovich in einer gelben Jacke, wie er von zwei Beamten in ein Polizeiauto verladen wird.
Der Reporter Evan Gershkovich bei seiner Festnahme in Moskau. Zuletzt hat er sich mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die russische Bevölkerung beschäftigt. (picture alliance / dpa / TASS / Sergei Savostyanov)
Vor zwei Tagen erschien ein Artikel von Evan Gershkovich über den Abschwung der russischen Wirtschaft. Es könnte für lange Zeit sein letzter gewesen sein. Denn Gershkovich landete in den Fängen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Dieser teilte lapidar mit: Der Reporter habe Informationen zu einer Firma aus dem militärischen Bereich gesammelt, die unter Staatsgeheimnisse fallen. Ein Strafverfahren sei eröffnet worden. Gershkovich ist der erste US-Journalist seit dem Kalten Krieg, der wegen Spionage verhaftet wurde.

Außenministerium: "Arbeit hatte mit Journalismus nichts zu tun"

Rhetorisch befeuert wurde die Festnahme von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, der sagte: Gershkovich sei auf frischer Tat ertappt worden. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums ergänzte: Mit Journalismus habe seine Arbeit nichts zu tun gehabt.
Solche Aussagen deuten darauf hin, dass der offiziell akkreditierte und seit Langem in Russland lebende Journalist länger in Haft bleibt. Mehr noch: Ihm könnte der Prozess gemacht werden, an dessen Ende womöglich 20 Jahre Gefängnis stehen. Ähnlich wie bei dem bis heute inhaftierten US-Bürger Paul Whelan, der in einem umstrittenen Verfahren wegen Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde.

Strenge Zensurgesetze und weite Definition zu "Staatsgeheimnis"

Prozesse dieser Tragweite finden in der Regel hinter verschlossenen Türen statt, angebliche Beweise werden nicht öffentlich gemacht. Auch wenn das Außenministerium jetzt sagt, man werde die Öffentlichkeit informieren - mit rechtsstaatlichen Verfahren hat das nichts zu tun.
Nichts ist unmöglich: Natürlich kann es sein, dass auch US-Bürger in Russland spionieren, aber wahrscheinlicher ist, dass die russische Führung hier Signale senden will - an die letzten unabhängigen russischen Journalisten im Land und an die westlichen Korrespondenten.
Gershkovich soll vor seiner Festnahme unter anderem zur privaten Söldner-Truppe Wagner recherchiert haben, deren Kämpfer momentan bei den Angriffswellen auf die umkämpfte ukrainische Stadt Bachmut vorgeschickt werden. So etwas will die russische Führung verhindern: mit strengen Zensurgesetzen und einer stetig erweiterten Definition, was Staatsgeheimnisse sind, hilft sie den Behörden, jeden Journalisten, der zum Krieg recherchiert, ins Visier zu nehmen.

"Politische Geisel" wie Brittney Griner

Außerdem sendet Russland eindeutige Signale an die USA. Sie sind der wichtigste westliche Ukraine-Unterstützer und Feindbild Nummer eins aus russischer Sicht. Da passt es gut, einen US-Bürger zu verhaften, vermeintliche Stärke zu zeigen und eine politische Geisel zu haben, die man - wie vor kurzem im Fall der US-Basketballerin Brittney Griner geschehen - gegen rechtsstaatlich verurteilte Russen im Ausland tauschen kann.
Gershkovichs Festnahme zeigt einmal mehr, wie der Kreml arbeitet, um seine Ziele zu erreichen. Das sollte vor allem im Westen registriert werden, wenn es darum geht, wie man mit Russland umgehen soll. Bitter bleibt das für Gershkovich selbst. Der - sollte er nicht bald freikommen - möglicherweise lange Zeit in russischen Gefängnissen sitzt.