Mittwoch, 24. April 2024

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Petersberger Klimadialog
Edenhofer: Wir müssen jetzt global den Kohleausstieg hinbekommen

Es gebe keinen Grund, Energiekrise und Klimakrise gegeneinander auszuspielen, betonte Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Dlf. Wenn der globale Ausstieg aus der Kohleenergie jetzt nicht gelinge, schlage man die Tür zu den ambitionierten Klimazielen unwiderruflich zu.

Ottmar Edenhofer im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.07.2022
Professor Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, in der Bundespressekonferenz
Professor Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (picture alliance / Flashpic)
Die Weltgemeinschaft muss beim Klimaschutz aufs Tempo drücken, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Den Industriestaaten kommt dabei eine zentrale Verantwortung zu, denn sie haben den größten Teil der globalen Erderwärmung zu verantworten. Und so beraten beim Petersberger Klimadialog in Berlin Vertreter von rund 40 Staaten über den weiteren Kurs im Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland und Ägypten sind Ausrichter des zweitägigen Treffens, das die Weltklimakonferenz COP27 Anfang November im ägyptischen Küstenort Scharm el-Scheich vorbereiten soll.
Doch unter dem Eindruck von Russlands Krieg gegen die Ukraine rückt gerade ein anderes Thema in den Vordergrund: die verlässliche Versorgung mit fossiler Energie. Und so schwingt bei den Beratungen die Frage mit, wie viel Engagement für Klimaschutz in Zeiten des Krieges noch übrigbleibt.
„Mittelfristig und langfristig gibt es zwischen der Energiekrise und der Klimakrise keinen Zielkonflikt, denn die größere Unabhängigkeit von den fossilen Energieträgern schafft auch für Europa und Deutschland die notwendigen Sicherheits- und außenpolitischen Handlungsspielräume“, betonte Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Dlf. Klimapartnerschaften mit Ländern in Südostasien voranzubringen, sei eine wichtige Maßnahme, um das 1,5 Grad noch zu erreichen. In Europa seien mit dem Green Deal wichtige Weichen gestellt – jetzt müsse man zu seinen Verpflichtungen stehen und Maßnahmen umsetzen.

Das Interview im Wortlaut

Jasper Barenberg: Der WWF, Herr Edenhofer, fordert, auf dem Petersberg endlich die heiklen Fragen der internationalen Klimapolitik zu klären. Die Deutsche Umwelthilfe fordert so etwas wie eine Zeitenwende in Anlehnung an die Folgen aus dem Russlandkrieg beim Thema Finanzierung. Um wieviel geht es bei dieser Konferenz, vor allem auch mit Blick auf die Weltklimakonferenz im Herbst?
Ottmar Edenhofer: Na ja, es geht schon um einiges. Wir haben ja eine zweifache Herausforderung. Wir sehen, dass die Extremwetterereignisse weltweit zunehmen, und da verlangen vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer, dass sie da unterstützt werden. Zum zweiten haben wir die Folgen des Ukraine-Krieges. Die Gaspreise steigen schneller als die Kohlepreise. Und wir stellen fest, dass vor allem in Südostasien sich die Renaissance der Kohle fortsetzt. Wenn alle die Kohlekraftwerke, die jetzt am Netz sind, über ihre ökonomische Lebenszeit hinweg weiterlaufen würden, würden wir das gesamte CO2-Budget aufbrauchen, das mit der 1,5 Grad Grenze noch vereinbar ist. Es geht jetzt in der Tat um viel.

Klimapartnerschaften voranbringen

Barenberg: Es geht unter anderem um die Frage, ob das fossile Zeitalter jetzt als Folge dieses Krieges nicht am Ende noch verlängert wird, statt es drastisch zu verkürzen.
Edenhofer: Ich glaube, hier muss man schon unterscheiden, was sind jetzt die kurzfristigen Maßnahmen, was sind langfristige Maßnahmen. Dass jetzt in Deutschland und in Europa die Gaskraftwerke im Stromnetz durch Kohlekraftwerke ersetzt werden müssen, das ist bitter, aber das ist unvermeidbar. Das hat aber auf die globalen Emissionen keine so großen Auswirkungen.
Wichtiger ist, dass jetzt die Klimapartnerschaften vorangebracht werden, denn durch diese Klimapartnerschaften wird es möglich werden, dass man vor allem auch in Südostasien, zum Beispiel in Indonesien, in Vietnam, in Bangladesch die Kohlekraftwerke schnell stilllegen kann. Aber dann muss man auch die Länder entsprechend unterstützen, dass sie diese Transformation zu akzeptablen Kosten hinbekommen.

Oberste Priorität: Ausstieg aus der Kohle

Barenberg: Da gab es ja erste Überlegungen, erste Beratungen im Kreis der G7, für die der Kanzler aber von den Umweltverbänden einigermaßen gescholten wird. Was sie uns sagen ist, gerade diese Initiative, diese Klimapartnerschaften auf den Weg zu bringen, unter anderem mit Indonesien, das ist genau der richtige Weg.
Edenhofer: Davon bin ich fest überzeugt, dass das der richtige Weg ist, und man kann da noch sehr viel radikaler denken, etwa die multilateralen Entwicklungsbanken mit einzubeziehen, die Kohlekraftwerke aufkaufen könnten, dass es dann zinsverbilligte Kredite gibt zum Umstellen auf die Erneuerbaren. Ich halte das für absolut notwendig, denn wir müssen auch Prioritäten setzen, und die Priorität muss jetzt heißen, dass wir aus der Kohle aussteigen. Das muss jetzt schnell passieren, aber dafür gibt es jetzt auch die Instrumente und diese Instrumente könnten auch eingesetzt werden, wenn es jetzt Konflikte gibt zwischen USA, China, Europa, Russland. Das ist für die Klimapolitik eine äußerst schwierige Situation, aber diese Klimapartnerschaften, das ist etwas, was man jetzt angehen kann und auch angehen muss.
Barenberg: Ist das am Ende wichtiger als die Frage, wieviel Geld wir in diesen Topf geben für die Anpassung an Klimaveränderungen und für Schäden, die dabei entstehen? Da gibt es ja auch Forderungen der Verbände, da jetzt noch nachzulegen.
Edenhofer: Das ist schon eine wichtige Frage, weil das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir dürfen ja nicht vergessen: Glaubwürdigkeit ist im Augenblick eine der wichtigsten Währungen, denn die Europäer kommen im globalen Süden im Augenblick als relativ egoistisch und selbstbezogen rüber, weil sie sich jetzt zurecht um den Ukraine-Krieg kümmern. Aber der globale Süden ist durch das steigende Risiko von Hunger bedroht und auch durch die Schäden der Extremereignisse. Die schlagen immer stärker zu und dass hier die Forderung bestehen bleibt und verschärft vorgetragen wird, dass man dafür entschädigt werden muss, das ist selbstverständlich, und ich denke, es ist jetzt dringend notwendig, dass die Versprechungen, die ja schon gemacht worden sind, jetzt auch glaubwürdig eingelöst werden. Hier kann man in der Tat auch die Bundesregierung fragen. Hier wurden bei der Klimafinanzierung Versprechungen gemacht. Sie sind aber im Bundeshaushalt noch nicht sichtbar und man kann nur hoffen, dass heute ein klares Signal gesendet wird, wir stehen zu unseren Versprechungen.

Keine Verlängerung des fossilen Zeitalters

Barenberg: Da werden wir genau zuhören, wenn Olaf Scholz heute auf dem Petersberger Klimadialog redet. – Sie haben von der wichtigen Währung Glaubwürdigkeit gesprochen. Da steht vielen vor Augen, dass der Bundeskanzler gerade im Senegal signalisiert hat, dass die Bundesregierung dort helfen will, ein Erdgasfeld zu erschließen, und damit auch Zusagen aus der Klimadiplomatie, sage ich mal, ein Stück weit nach hinten schiebt und damit sich möglicherweise auch für Jahrzehnte festlegt. Was anderes als ein Schritt zurück ins fossile Zeitalter ist das?
Edenhofer: Ich glaube, man sollte auch hier noch mal klarmachen, worum es jetzt geht. Wir müssen jetzt global den Kohleausstieg hinbekommen. Es war immer klar, dass wir für diesen Übergang auch Gas benötigen, und durch den Ukraine-Krieg fällt jetzt russisches Erdgas aus und das muss teilweise ersetzt werden. Die Infrastruktur, die wir dort aufbauen, können wir später auch für Wasserstoff nutzen. Ich glaube, das ist als Übergangstechnologie verantwortbar, aber das ist nur dann verantwortbar, wenn gleichzeitig der globale Kohleausstieg vorangetrieben wird, denn das ist aus meiner Sicht eine der größten Gefahren. Wenn wir diesen globalen Kohleausstieg nicht schaffen, dann schlagen wir die Tür zu den ambitionierten Klimazielen unwiderruflich zu und da muss jetzt schnell etwas geschehen, denn was wir feststellen, dass gerade die steigenden Gaspreise dazu führen, dass Kohle wieder rentabel wird. Das darf nicht passieren und das muss auch klar sein für die Weltgemeinschaft und auch für Europa, dass vorübergehendes Nutzen von Kohle und dass Brückentechnologie Gas Brücken sind, aber nicht Verlängerung des fossilen Zeitalters, denn das können wir uns tatsächlich nicht leisten.

Mittelfristig kein Zielkonflikt zwischen Energiekrise und der Klimakrise

Barenberg: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Edenhofer, dann sagen Sie, bei dieser schwierigen Abwägung oder bei der Frage, kann man die Klimakrise und kann man die akute Energiekrise gleichzeitig lösen, oder geschieht das eine zum Preis des anderen, wir haben die Instrumente, wir haben die Politik, wir müssen es nur machen, das lässt sich beides gleichzeitig lösen, da gibt es so etwas wie einen Königsweg?
Edenhofer: Na ja. Ob es einen Königsweg gibt? – Das ist schon ein steiniger Weg. Aber es ist auf jeden Fall so, dass es aus meiner Sicht keinen Grund gibt, dass man jetzt die Energiekrise und die Klimakrise gegeneinander ausspielt. Wir haben jetzt über Kohle und Gas gesprochen; wir sollten auch darüber reden, dass der Ausbau der Erneuerbaren sich beschleunigen muss, in Deutschland, in Europa, aber auch im Rest der Welt. Es braucht eine beschleunigte Energiewende, das ist keine Frage. Und man muss auch zwischen kurzfristig, mittel- und langfristig unterscheiden. Mittelfristig und langfristig gibt es zwischen der Energiekrise und der Klimakrise keinen Zielkonflikt, denn die größere Unabhängigkeit von den fossilen Energieträgern schafft auch für Europa und Deutschland die notwendigen Sicherheits- und außenpolitischen Handlungsspielräume.
Barenberg: Wenn wir zurückblicken auf die ersten Monate der Ampel-Regierung mit Olaf Scholz und wenn Luisa Neubauer von Fridays for Future sagt, der war jetzt eher fossiler Kanzler als Klimakanzler, dann sagen Sie anders herum, die Weichen auf mittlere Sicht, auf lange Sicht sind eigentlich jetzt schon ganz gut gestellt?
Edenhofer: Die Weichen sind gestellt und das kann man auch sehen bei dem europäischen Green Deal. Wenn die Ziele, die wir uns da gesetzt haben, umgesetzt werden, dann bedeutet das, dass wir Öl- und Gasverbrauch mittelfristig, vor dem Jahr 2030 drastisch senken. Ich glaube, wir haben in der Tat ein Problem, dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nur mangelhaft umsetzen, und da müssen wir besser werden in Europa. Wenn wir das aber tun, dann ist klar, dass bereits vor dem Jahr 2030 die Öl- und Gasimporte drastisch zurückgehen werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.