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Raumfahrt
Europäer setzen auf die verbesserte Kleinrakete Vega C

Europas Raumfahrt befindet sich derzeit in einem großen Umbruch: Die bewährte Ariane-5-Rakete wird nur noch wenige Male vom Weltraumbahnhof abheben, die neue Ariane-6 lässt allerdings noch auf sich warten. Die viel kleinere Vega-Rakete wurde nun stark verbessert und ist Mittwochnachmittag zum ersten Mal abgehoben.

Von Dirk Lorenzen | 13.07.2022
Eine Vega-C-Rakete auf der Startrampe in Kourou.
Eine Vega-C-Rakete auf der Startrampe in Kourou. (ESA/J.Huart)
Um 15.13 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit stieg erstmals eine Vega-C-Rakete in den bewölkten Himmel über dem Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana. In den vergangenen zehn Jahren kam die Basisversion zwanzigmal zum Einsatz, mit durchaus gemischter Bilanz: zwei Starts schlugen fehl.
Nun soll die neue Version, die Vega-C, Europas Satelliten zu neuen Höhenflügen verhelfen. Das C steht für consolidated – also verstärkt, verbessert – erklärt Stefano Bianchi, der Leiter der Raketenentwicklung bei Europas Weltraumorganisation ESA:
"Wir brauchen die Vega-C aus zwei Gründen: Erstens wollen wir die Leistung der Rakete erhöhen – die neue Vega kann 2,2 Tonnen schwere Satelliten ins All bringen, das ist eine Zunahme von 50 Prozent. Zweitens reduzieren wir die Kosten, denn die Vega-C fliegt zum gleichen Preis wie die bisherige Version.“

Gleicher Motor wie in der Ariane-6-Rakete

Die Vega-C kann Forschungssatelliten in die Erdumlaufbahn tragen, die nicht die viel größere Ariane-Rakete brauchen. Beim Erstflug ist aus Vorsichtsgründen nur der kleine italienische Satellit LARES-2 an Bord. Er soll einen speziellen Effekt der Allgemeinen Relativitätstheorie genau untersuchen. Hinzu kommen noch einige Cubesats, also Minisatelliten. Der erfolgreiche Erstflug der Vega-C-Rakete hat erhebliche Auswirkungen auf Europas Arbeitspferd, die neue Ariane-6-Rakete, die im nächsten Jahr zum Jungfernflug abheben soll, betont der Leiter des Vega-Programms Giorgio Tumino:
„Der neue Raketenmotor P120C fliegt in beiden Raketen, sowohl in der neuen Vega als auch in der neuen Ariane. Damit bündeln wir Ressourcen und machen die Raketen günstiger und wettbewerbsfähiger. Der Motor kommt in der Hauptstufe der Vega-C zum Einsatz und in den Zusatzraketen der Ariane 6.“
Die Ariane-6 wird je nach Konfiguration zwei oder vier kleine Zusatzraketen nutzen, die seitlich montiert sind – Fachleute sprechen von Boostern. Die Nervosität war entsprechend hoch: Nach dem erfolgreichen Start ist nun aber auch die Ariane-6 ein Stück weiter.

Vega C soll den Space Rider ins All bringen

Wäre beim Start der Vega-C mit der Hauptstufe etwas schief gegangen, so hätte dies beide Raketen betroffen. Stefano Bianchi freut sich nun auf künftige Missionen für Europas neue Kleinrakete:
“Wir haben das wunderbare Projekt Space Rider. 2014 haben wir dieses unbemannte Raumschiff mit der alten Vega getestet. In etwa zwei Jahren kann die Vega-C den Space Rider ins All tragen. Dieses Fahrzeug kreist einige Zeit um die Erde, tritt dann wieder in die Atmosphäre ein und landet an einem Gleitschirm in Kourou. Mit dem Space Rider sind verschiedene Missionen denkbar: Man kann damit Experimente in die Schwerelosigkeit bringen, Weltraummüll einsammeln oder Satelliten betanken.”
Der Space Rider wird eine Art Minishuttle, das ohne Besatzung im All unterwegs ist. Das acht Meter lange Raumschiff soll Europa regelmäßige Touren in die Erdumlaufbahn ermöglichen. Doch die Freude auf die Vega-C ist bei der ESA nicht ungetrübt: Denn in der Oberstufe befindet sich ein Raketenmotor einer Firma aus Dnipro in der Ukraine.
Für die ersten Vega-Flüge sind bereits genügend Motoren geliefert, doch die ESA sucht händeringend nach Ersatz, falls künftige Lieferungen kriegsbedingt ausfallen – auf die Vega-C soll daher schon bald die Vega-E folgen, eine Version ohne Motoren aus der Ukraine.