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Post Vac
Neu entdeckte Biomarker weisen auf Impfschäden hin

Warum treten bei einigen Menschen nach Corona-Impfungen Probleme auf? Was passiert dabei im Körper der Betroffenen und schädigt am Ende die Gefäße oder das Gehirn? Inzwischen liefert die Forschung Erkenntnisse für einige schwere Befunde.

Von Joachim Budde | 22.11.2022
Eine Hand hält eine Impfdose mit dem Moderna mRnA-Impfstoff und zieht ihn mit einer Spritze heraus
Schwere Nebenwirkungen nach Corona-Impfungen treten äußerst selten auf. Forschende versuchen zu ergründen, warum es bei manchen Menschen zu solchen Impfreaktionen kommt. (imago images / Sven Simon)
Man muss es immer vorweg sagen: Schwere Nebenwirkungen nach den Corona-Impfungen sind äußerst selten. Aber sie kommen eben vor. Wie unlängst bei einem Patienten von Harald Prüß.

Schwere Nebenwirkungen nach Corona-Impfung

„Das ist ein älterer Herr, der nicht mehr auf normales Ansprechen so adäquat reagiert hat, wie man das von ihm kannte, bewusstseinsgetrübt war und damit sich dann in der Rettungsstelle bei uns an der Charité vorstellte, dann auch stationär einige Tage untersucht wurde, wo sich auch herausstellte, dass im Liquor eine sogenannte Pleozytose, also eine Vermehrung von Entzündungszellen da war, und das sind natürlich ganz starke Hinweise dafür, dass hier wirklich eine harte organische Ursache seiner Beschwerden vorliegt.“
Etwa zwei Wochen zuvor hatte der Mann sich gegen Corona impfen lassen, sagt der Neurologieprofessor von der Berliner Charité.
Es ist nicht leicht, die Zusammenhänge zu klären. Denn sämtliche Impfreaktionen können auch ganz andere Ursachen haben und lediglich zufällig kurz nach einer Impfung auftreten. Multiple Sklerose zum Beispiel diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte in Deutschland im Schnitt 30 Mal pro Tag.
„Wenn immer dann eine Impfung natürlich in einem zeitlichen engen Zusammenhang auftritt, ist man persönlich dazu geneigt zu denken: Das hat damit zu tun. Obwohl epidemiologische Studien, wie zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose ja ganz klar was anderes sagen. Und für die Standardimpfung zum Glück ja nach jahrzehntelanger Forschung und Beobachtung sagen können, das ist kein Risiko für Postvakzinierungsstörungen.“

Post Vac Symptome

Liquor, also das Nervenwasser des Gehirns und Rückenmarks, enthält normalerweise so gut wie keine Zellen. Bei Harald Prüß‘ Patienten aber fanden die Mediziner Entzündungszellen, als sie weitersuchten auch Antikörper in sehr hoher Zahl. Und sie konnten zeigen, dass diese Antikörper an Hirngewebe binden. Dass Menschen in seltenen Fällen nach einen Impfung Autoantikörper entwickeln, die auch gegen Bestandteile ihres eigenen Körpers gerichtet sind, ist lange bekannt.
„Das am besten etablierte Beispiel ist ja die Hirnvenen-Thrombose nach der Impfung mit AstraZeneca. Da ist ja sogar der Mechanismus genauestens aufgeschlüsselt. Und dass dieser Mechanismus natürlich nicht nur für Blutplättchenantigene gilt, sondern auch für Hirnantigene, ist eigentlich sehr plausibel, weswegen ich denke, dass wir jetzt mit intensivierter Forschung in den nächsten ein, zwei Jahren auch da Mechanismen wirklich eindeutig zeigen können, die zu solchen Post-Vac-Beschwerden führen.“

Antikörper, die gegen körpereigene Strukturen reagieren

Zumal andere Gruppen ähnliche Ergebnisse vorweisen können. Ein deutsches Medizinerteam hat gezeigt, welcher Antikörper hinter den seltenen Fällen stecken dürfte, wenn Menschen nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff eine Herzmuskelentzündung – eine Myokarditis – entwickeln. Und ein Forscherteam aus Chicago hat gerade beschrieben, dass das Immunsystem einiger Patientinnen und Patienten Antikörper herstellt, die sowohl gegen das Virus als auch gegen Angiotensin zwei binden. Dieses körpereigene Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Blutdrucks. Kommt dieses System durcheinander, können Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation landen.
„Das ist so ein paradigmatischer Fall, der uns zeigt, Antikörper können gegen beides reagieren, sowohl gegen das Virus als auch gegen körpereigene Strukturen und dadurch Schäden verursachen.“
Mit Hilfe der neu entdeckten Biomarker suchen Harald Prüß und sein Team jetzt nach dem genauen Mechanismus hinter den Bewusstseinsstörungen, wie sie der ältere Patient hatte.
„Deswegen glaube ich, werden wir auch da in Kürze mit Daten aufwarten können und nachweisen können, dass genau das gleiche, was jetzt für Angiotensin zwei gezeigt wurde, auch für einige neuronale Antigene gilt, dass also die eigentlich gute Virusabwehr bei ganz wenigen Menschen auch die negative Konsequenz automatisch mit sich bringt, dass diese guten Antikörper gegen das eigene Gehirn reagieren und Funktionsstörungen machen.“

Meldungen zu Impfreaktionen werden weltweit gesammelt

Seit Beginn der Impfkampagne sammeln Überwachungsbehörden auf der ganzen Welt Meldungen über Impfreaktionen und -schäden. Je länger die Kampagne dauert – inzwischen sind allein in Deutschland mehr als 180 Millionen Dosen verimpft – desto besser zeigt sich, wie selten schwere Folgen sind. Gerade deshalb sind Biomarker ein wichtiges Instrument, um die wenigen Fälle zu finden, aufzuklären und wo möglich zu verhindern.