Die ukrainische Regierung wirbt um Kämpfer aus dem Ausland und setzt dabei auch auf martialische Bilder. In einem Werbevideo sind Raketeneinschläge und blutverschmierte Leichen zu sehen, dazu das Versprechen, dass man in der Ukraine ein Held werden kann. Auch aus Deutschland ziehen nun Menschen in den Krieg, die Bundesregierung hat erklärt, dass das nicht per se strafbar sei. Die deutsche Bundespolizei ist allerdings besorgt, dass Rechtsextremisten ins Kriegsgebiet reisen könnten.
Kämpfer aus Deutschland
Dass deutsche Rechtsextreme sich den Kämpfen anschließen, könne die Bundesregierung nicht vollständig verhindern, sagte der Extremismusforscher Alexander Ritzmann im Deutschlandfunk. Sie könnten dort Kampferfahrung sammeln, um dann in Deutschland Anschläge zu verüben. Deutschland müsse sich daher auf die Rückkehr solcher Extremisten vorbereiten. Sehr wahrscheinlich würden Rechtsextreme unter den ausländischen Kämpfern allerdings nur eine kleine Minderheit ausmachen.
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Denn die ukrainische Regierung rekrutiere schließlich offiziell Freiwillige aus dem Ausland. Das sei 2014, als Russland die Krim besetzt hat, anders gewesen. In dieser Anfangszeit des Krieges habe es sowohl auf der russischen als auch auf der ukrainischen Seite viele Milizen gegeben, die wild rekrutiert hätten. Auf der ukrainischen Seite war dabei vor allem das rechtsextreme Asow-Regiment in den Blick geraten, das zum Sammelbecken für Extremisten wurde. Dieses sei inzwischen aber wie andere Milizen in die regulären Streitkräfte integriert. Das Asow-Regiment werbe weiter um Freiwillige, das spiele aber zahlenmäßig angesichts der Rekrutierung durch die Regierung keine große Rolle mehr, sagte Ritzmann.
Asow-Regiment
Die Miliz wurde im Jahr 2014 gegründet, um die ukrainische Armee im Kampf gegen die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Als Erkennungszeichen nutzte das Regiment anfangs unter anderem die "Schwarze Sonne", die im Nationalsozialismus zur Symbolik der SS gehörte. Auch die "Wolfsangel", die das Bataillon heute noch nutzt, gehört zur SS-Symbolik. Der ultranationalistische Verbund hält zudem auch Verbindungen zu rechtsextremen Bewegungen in Europa, in Deutschland zur Kleinpartei „Der III. Weg“ und zu den „Identitären“. Das Asow-Regiment ist inzwischen allerdings in die ukrainischen Streitkräfte integriert und untersteht damit dem Befehl des Innenministerium. Innerhalb der ukrainischen Streitkräfte machen die Asow-Kämpfer nur einen kleinen Bruchteil aus.
Die Miliz wurde im Jahr 2014 gegründet, um die ukrainische Armee im Kampf gegen die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Als Erkennungszeichen nutzte das Regiment anfangs unter anderem die "Schwarze Sonne", die im Nationalsozialismus zur Symbolik der SS gehörte. Auch die "Wolfsangel", die das Bataillon heute noch nutzt, gehört zur SS-Symbolik. Der ultranationalistische Verbund hält zudem auch Verbindungen zu rechtsextremen Bewegungen in Europa, in Deutschland zur Kleinpartei „Der III. Weg“ und zu den „Identitären“. Das Asow-Regiment ist inzwischen allerdings in die ukrainischen Streitkräfte integriert und untersteht damit dem Befehl des Innenministerium. Innerhalb der ukrainischen Streitkräfte machen die Asow-Kämpfer nur einen kleinen Bruchteil aus.
Man müsse auch betonen, dass es in der Ukraine keineswegs besonders viele Neonazis gebe, sagte Ritzmann: "In Russland gibt es viel mehr Neonazis als in der Ukraine – auf jeden Fall". Der russiche Präsident Putin behaupte zwar, dass er den Krieg führe, um die Ukraine von Faschisten zu befreien, das sei allerdings eindeutig Propaganda.
Das Interview im Wortlaut:
Stephanie Rohde: Was weiß man darüber? Wer kommt aus dem Ausland zum Kämpfen in die Ukraine?
Alexander Ritzmann: Im Moment weiß man vor allem, dass es viele Ankündigungen gibt, dass Menschen auf sozialen Medien mitteilen, dass die ausreisen wollen oder werden. Es gibt einiges an Informationen, dass Menschen auf dem Weg sind, und auch schon, dass einige angekommen sind. Es ist hier aber, glaube ich, wichtig zu unterscheiden, was jetzt diese sogenannten ausländischen Kämpfer/Legionäre angeht, ob das Ukrainer und Russen sind, die im Ausland gelebt haben und jetzt in die Ukraine oder nach Russland fahren, um dort zu kämpfen, ob das nichtextremistische ausländische Kämpfer sind, oder ob das extremistische Kämpfer sind. Dass man da unterscheidet, wäre mir wichtig.
Rohde: Sie unterscheiden zwischen diesen drei Gruppen und sagen auch, dass die extremistischen die kleinste Gruppe sind, oder?
Ritzmann: Davon ist fest auszugehen. Wir wissen das noch nicht ganz genau, aber wenn man auf die erste Phase des Krieges schaut ab 2014, dann war der Anteil der Rechtsextremisten zum Beispiel gering im Vergleich zur Gesamtgruppe derer, die dort hingefahren sind, um zu kämpfen. Ja!
Ritzmann: Bundesregierung kann Ausreise von Rechtsextemen nicht verhindern
Rohde: Die Bundesregierung hat ja großes Interesse daran, Ausreisen von Extremisten zu verhindern. Das hat ein Sprecher von der Bundesinnenministerin noch mal betont. Kann sie das überhaupt tun? Kann sie das verhindern?
Ritzmann: Sie kann das generell nicht verhindern, außer wenn es gewisse Vorgaben gibt oder zum Beispiel Verurteilungen. Das lehnt sich ein bisschen an das Hooligan-Konzept, das Sie vielleicht kennen, dass gewaltbereite Fußball-Hooligans zu Spielen außerhalb Deutschlands nicht reisen dürfen, wenn sie davor straffällig geworden sind. Da wird dann zum Teil der Reisepass eingezogen oder der Personalausweis für eine gewisse Zeit. Man bekommt Auflagen und Ähnliches. Das sind sogenannte Gefährderkonzepte. Das gilt für eine allerdings kleine Gruppe innerhalb der Gruppe der Extremisten in Deutschland. Das kann man anwenden und das wird wohl auch angewendet.
Rohde: Was ist denn jetzt die Ausgangssituation? Wenn wir uns das anschauen: Ausländische Kämpfer, deren ideologische Absichten man im Zweifel auch nicht kennt. Droht da ein ähnliches Dilemma wie in Syrien, wo der Krieg hyperkomplex geworden ist durch verschiedene Interessen von ausländischen Kämpfern?
"Keine Priorität auf ukrainischer Seite, die Ideologie abzufragen"
Ritzmann: Davon ist fest auszugehen, dass es ein Dilemma gibt, dass es jetzt keine Priorität auf ukrainischer Seite ist, die Ideologie abzufragen, die Motivation, jenseits dessen, dass man helfen möchte. Die Ukraine befindet sich in einer Art existenziellem Überlebenskampf und ich nehme mal an, dass selbst wenn da Menschen auflaufen aus Deutschland und anderen Ländern, die sichtbare Tattoos zum Beispiel tragen, die auf eine politische Gesinnung schließen lassen, dass selbst solche Leute erst mal genommen werden und man sich vielleicht dann später versucht, darum zu kümmern.
Rohde: Welche Rolle bei der Rekrutierung von ausländischen Kämpfern spielt denn die Asow-Brigade oder das Regiment, das ja vor allem im Süden der Ukraine gerade kämpft?
Ritzmann: Keine so große mehr wie in der ersten Phase. Es gab ja in der ersten Phase des Krieges ab 2014 viele Milizen auf russischer Seite und auf ukrainischer Seite, die auch wild rekrutiert haben. Auf ukrainischer Seite ist jetzt alles integriert in die Streitkräfte, in die Heimatverteidigung, so dass zwar auch solche wie das Asow-Regiment, die eine politische Geschichte haben, die ganz klar rechtsextreme Symboliken verwendet haben, wo es auch eine gute Dokumentation gibt, dass es dort eine große Menge von Rechtsextremen gibt, die aber wieder selbst (das Asow-Regiment) in den ukrainischen Streitkräften eine verschwindend kleine Gruppe sind. Die werben weiterhin, zum Teil weniger explizit an Rechtsextreme gewendet, aber der Unterschied hier zur ersten Phase ist, dass ja der ukrainische Staat offiziell sagt, kommt zu uns, wir haben jetzt eine internationale Legion, hier ist die Online-Seite, registriert euch und los geht’s. Das hat es bisher so nicht gegeben.
Ritzmann: Deutsche Rechtsextreme könnten Kampferfahrung sammeln
Rohde: Aber diese Gruppierungen, die sind ja jetzt in die offiziellen Strukturen eingegliedert. Heißt das auch, dass sie damit eingehegt sind und weniger gefährlich ideologisch?
Ritzmann: Als Organisation auf jeden Fall! Aber für die Individuen macht das ja keinen Unterschied. Wenn ich als gewaltorientierter deutscher Rechtsextremer sage, ich will Kampferfahrung sammeln, ich will mich international vernetzen, vielleicht habe ich vor, in der Zukunft auch was für meine Sache zu tun, vielleicht sogar Anschläge zu planen, dann könnte das als eine Art Übungsfeld gesehen werden. Das ist ja die große Gefahr auf der einen Seite, dass Menschen ausreisen, aber vor allem, dass sie dann zurückkommen, dass sie zurückkommen, und zwar nicht dann nur motiviert sind, Schaden anzurichten, Anschläge zu verüben, sondern dass sie dann auch noch trainiert sind, Kampferfahrung gesammelt haben, und wahrscheinlich auch noch traumatisiert sind, weil ja niemand so aus dem Krieg zurückkommt, wie er reingegangen ist. Diese Situation aus deutscher Seite, auf der einen Seite die Situation in der Ukraine, aber für uns ist jetzt auch wichtig zu schauen, wie können wir uns vorbereiten auf diejenigen, die zurückkommen und damit die innere Sicherheit Deutschlands potenziell auch gefährden.
Ritzmann: Mehr Neonazis auf der russischen Seite
Rohde: Wenn wir kurz noch mal bei der Situation in der Ukraine bleiben und bei diesen Gruppierungen. Einige von denen verwenden ja auch Symbolik von Neonazis. Ist die Behauptung, die sind Neonazis, russische Propaganda?
Ritzmann: Es ist auf jeden Fall so, wenn man sagen würde, es gibt in der Ukraine besonders viele Neonazis. Das ist auf jeden Fall Propaganda. In Russland gibt es viel mehr Neonazis als in der Ukraine – auf jeden Fall. Aber natürlich gibt es überall Rechtsextreme und Neonazis und das Besondere hier ist, dass es dieses Asow-Bataillon gibt, das als Miliz gestartet ist, das ein Sammelbecken war auch für Extremisten, für Rechtsextreme, aber das voll integriert wurde in die Verteidigungsstruktur des Landes. Deswegen ist das in dem Sinne jetzt so ein einfaches Ziel, um sich aufzuregen oder aufzuhängen. Auf russischer Seite bei den Separatisten gibt es viel mehr Gruppierungen, die auch direkt oder indirekt rechtsextrem sind. Deswegen müssen wir hier aufpassen – gut, dass Sie das ansprechen –, dass wir nicht das Narrativ, die Geschichte erzählen, die ja von Herrn Putin nach vorne getragen wird, dass es hier darum ginge, die Ukraine zu denazifizieren. Das ist definitiv hier nicht der Hintergrund. Aber es gibt diese Geschichte mit dem Asow-Regiment.
Rohde: Ich habe noch kurz eine Frage zum Schluss, wir haben nicht mehr viel Zeit. Sie haben gerade gesagt, dass die ausländischen Regierungen jetzt auch überlegen müssen, was sie tun sollen. Was kann man denn präventiv tun, wenn man auf die Erfahrungen aus Syrien schaut?
Ritzmann: Die Erfahrung zeigt ganz klar, dass man eine Monitoring-Strategie braucht. Wir müssen versuchen, gerichtssicher zu dokumentieren, ob in der Ukraine von deutschen Staatsbürgern Straftaten verübt wurden, damit im Nachhinein da auch Anklagen gemacht werden können. Und wir müssen uns vorbereiten – das haben wir am Anfang nicht gemacht –, was die Rückkehrenden aus Syrien und Irak angeht, dass diejenigen, die zurückkommen, aufgenommen werden im Sinne von Strafverfolgung, im Sinne von Deradikalisierung und im Sinne von auch Traumaarbeit, medizinischem Support sozusagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.