Samstag, 20. April 2024

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Ökonomin zur Klimafinanzierung
"Zielführendes Vorgehen, jetzt eine Rücklage zu bilden"

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz aufnehmen. Es sei aber wichtig, dass dabei eine Verbindung zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Krise geschaffen werde, sagte die Ökonomin Veronika Grimm im Dlf. Denn dafür war das Geld gedacht.

Veronika Grimm im Gespräch mit Barbara Schmidt-Mattern | 14.01.2022
60 Milliarden Euro nicht benötigter Kreditermächtigungen sollen in den Energie- und Klimafonds übertragen werden
60 Milliarden Euro nicht benötigter Kreditermächtigungen sollen in den Energie- und Klimafonds übertragen werden (picture alliance / dpa / Nestor Bachmann)
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat angekündigt, nicht benötigte Kreditermächtigungen in den Energie- und Klimafonds der Bundesregierung zu übertragen. Bereits im Dezember war der Nachtragshaushalt für 2021 vorgelegt worden. Die 60 Milliarden Euro sollen eingesetzt werden, um die Finanzierung des klimafreundlichen Umbaus von Energieerzeugung und der Wirtschaft voranzutreiben. Lindner sagte, man wolle mit dem Geld "Impulse zur wirtschaftlichen Belebung nach der Pandemie" setzen.
In der Opposition war der Plan auf Kritik gestoßen, Geld, das für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie vorgesehen ist, für Klima-Investitionen umzuwidmen.
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Veronika Grimm vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sagte im Dlf, es sei wichtig, dass der Konnex zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Pandemie gemacht werde.
In der Diskussion seien Investitionen in Energie-Effizienz und erneuerbare Energien im Gebäudebereich, Investitionen zur Beschleunigung des Ausbaus der Elektromobilität und die Finanzierung der Abschaffung der EEG-Umlage, um Verbraucher zu entlasten. Man könnte darüber hinaus auch die Stromsteuer auf das europäische Minimum reduzieren, meint Grimm. "Das würde dazu führen, dass man durchaus gleichzeitig Anreize zu stärkeren Klimaschutz-Aktivitäten aussenden würde, als auch aktuelle Belastungen, die im Zuge des Pandemie-Geschehens entstehen aufgrund der hohen Energiepreise, abfedern würde."

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Barbara Schmidt-Mattern: Wir haben es eben gehört: 60 Milliarden Euro will der Finanzminister der Ampel-Koalition mit einem Nachtragshaushalt für den Klimaschutz zurücklegen – Geld, das eigentlich als Stütze in der Corona-Pandemie vorgesehen war für das vergangene Jahr. Statt Corona jetzt kurz zusammengefasst Klima. Ist das legitim?

Brückenschlag zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Pandemie

Veronika Grimm: Das wird ja heiß diskutiert. Das sind ungenutzte Corona-Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro, die zurückgelegt werden sollen und in den kommenden Jahren für Investitionen in den klimagerechten Umbau der Wirtschaft genutzt werden sollen. Die Regierung plant ja, ab _23 die Schuldenbremse wieder einzuhalten, und mit Hilfe der Rücklage soll jetzt ein Übergang ermöglicht werden, ohne dass aufgrund drastischer Kürzungen im Haushalt die Konjunktur belastet wird. Insofern kann man natürlich argumentieren, dass mit der Rücklage ein Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen Notlage geleistet wird, welche durch die Pandemie verursacht wird. Der Finanzminister hat ja auch in dem Zusammenhang noch mal betont in der jüngeren Vergangenheit, dass es nicht um Finanzierung allgemeiner Projekte ginge, sondern genau darum, die wirtschaftliche Erholung abzusichern. Insofern wird hier natürlich der Konnex gemacht.
Schmidt-Mattern: Christian Lindner versucht hier eine Art Brückenschlag zwischen Corona und der Klimapolitik. Dafür hat er schon ein bisschen vorgebaut diese Woche im Haushaltsausschuss des Bundestages. Was genau hat der Finanzminister vor? Wie lautet seine Argumentation in diesem Punkt?
Grimm: Die Ampel-Koalition will ihre Pläne nun nachschärfen und offensichtlich soll der Energie- und Klima-Fonds, in den diese 60 Milliarden gepackt werden sollen, klare Vorgaben bekommen und man will damit den möglichen Problemen vorbeugen, wenn der Nachtragshaushalt vor dem Bundesverfassungsgericht landen sollte. Es ist so, dass zum einen Investitionen in Energie-Effizienz und erneuerbare Energien im Gebäudebereich in der Diskussion sind, Investitionen zur Beschleunigung des Ausbaus der Elektromobilität sind in der Diskussion und ein Teil der Rücklagen könnte genutzt werden, um die Abschaffung der EEG-Umlage zu finanzieren, und damit sollen Verbraucher entlastet werden, die gerade im Zuge der aktuellen Energiepreis-Krise, die ja auf die Pandemie zurückzuführen ist, besonders belastet sind. Insofern gibt es hier schon den Brückenschlag ganz klar zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Pandemie.

Ökonomische und juristische Argumente müssen abgewogen werden

Schmidt-Mattern: Die Opposition, namentlich CDU und CSU, sind von diesen Plänen nicht überzeugt und wollen – Sie haben es schon genannt – vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Aus Ihrer Fachperspektive gesehen, wirtschaftspolitisch: Wie gut wäre denn ein solcher Gang vor das höchste deutsche Gericht begründet?
Grimm: Ja, das sind natürlich auch juristische Fragen, die da aufgeworfen werden, ob man diese Mittel so einfach umwidmen kann. Zu den Fragen gibt es aber bisher offenbar keine Rechtsprechung beim Bundesverfassungsgericht. Insofern werden da die ökonomischen und die juristischen Argumente abgewogen werden müssen. Ich glaube, es ist wichtig, dass dieser Konnex zur wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Pandemie gemacht wird, und ich halte das schon für ein zielführendes Vorgehen, jetzt eine Rücklage zu bilden. Andere Instrumente, wie man dauerhaft mehr öffentliche Investitionen stärken könnte – es waren ja Investitionsgesellschaften zum Beispiel auch in der Diskussion im Wahlkampf -, die würden natürlich in ganz anderem Ausmaß öffentliche Gelder dauerhaft der parlamentarischen Kontrolle entziehen, und das würde ich für schlechter halten, und ich glaube, das wäre auch noch weniger zu argumentieren, dass das tatsächlich einen Konnex zur Erholung von der Pandemie beinhaltet.

"Man könnte auch die Stromsteuer auf das europäische Minimum reduzieren"

Schmidt-Mattern: Das heißt, würden Sie so weit gehen, da von kleinen Klima-Schattenhaushalten zu sprechen? Oder wie muss man sich das vorstellen?
Grimm: Wir haben ja jetzt erst mal nur diese Rücklage, die tatsächlich Maßnahmen finanzieren soll, die jetzt auch der Erholung dienen. Ich hatte die EEG-Umlage erwähnt. Man könnte noch weitergehen: Man könnte auch die Stromsteuer auf das europäische Minimum reduzieren. Das würde dazu führen, dass man durchaus gleichzeitig Anreize zu stärkeren Klimaschutz-Aktivitäten aussenden würde, als auch aktuelle Belastungen, die im Zuge des Pandemie-Geschehens entstehen aufgrund der hohen Energiepreise, abfedern würde. Das ist natürlich ein zielführendes Vorgehen und dadurch, dass die Rücklage begrenzt ist – sie ist zwar hoch, aber es ist ja ein begrenzter Betrag -, ist es so, dass man dauerhaft planen muss, wieder im Rahmen der ganz normalen Fiskalregeln zu wirtschaften.
Schmidt-Mattern: Milliarden Euro, die die Ampel in den Klimaschutz investieren will. Bisher aber – das haben wir schon oft gesehen – fließen die Mittel, die bisher schon bereitstanden, überhaupt nicht ab. Milliarden an Euro sind da bisher liegengeblieben. Woran liegt das?
Grimm: Es gibt ganz klar Umsetzungsprobleme. Es gibt Hemmnisse zu beseitigen, und das ist ein ganz dickes Brett, das die Regierung da bohren muss. Das ist ja auch ein zentrales Thema des Koalitionsvertrages der Ampel-Regierung. Allem voran soll ja durch einen Pakt für Planungs- Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung mit den Ländern die Umsetzung von Infrastruktur-Maßnahmen und ganz allgemein auch von Investitionsvorhaben erheblich beschleunigt werden, und in dem Kontext gibt es eine Menge zu tun. Das geht von der Digitalisierung der Verwaltung, um schneller zu werden, bis hin zu der Adressierung von Akzeptanzproblemen, die ja immer wieder bei der Umsetzung von Projekten entstehen. Da ist sehr, sehr viel zu tun, da ist ein großer Handlungsbedarf, und um das Geld ausgeben zu können, vor allen Dingen schnell ausgeben zu können, wie es ja geplant wird, ist da viel zu tun.

"Man muss auch die Rahmenbedingungen attraktiver machen"

Schmidt-Mattern: Frau Grimm, auch angesichts der Zeit, die uns wegläuft – wir haben noch eine knappe halbe Minute. Die Umsetzungsprobleme angesichts der Vorbehalte, die es auch vor Ort gibt, etwa gegen die Windkraft, sind Sie zuversichtlich, dass die Umsetzungsprobleme, wenn man so viel Geld bereitstellt, künftig wegfallen, oder wird das Problem nicht bestehen bleiben?
Grimm: Nein. Das sind Handlungsfelder, die sind separat zu beackern. Man muss sehen, dass einerseits diese Umsetzungsprobleme adressiert werden müssen, aber es muss auch eine ganze Menge privates Kapital mobilisiert werden für die Transformation. Die öffentlichen Investitionen sind ja ein Bruchteil dessen, was geschehen muss. 90 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Investitionen sind private Investitionen und da ist viel zu tun, dass diese Gelder auch fließen können, sowohl die öffentlichen Gelder als auch die privaten Gelder. Da kann diese Politik einen Teil zu leisten, aber es wird nicht alles sein. Man muss auch die Rahmenbedingungen attraktiver machen und da wirklich schnell vorankommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.