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Priorisierung von PCR-Tests
Virologin Brinkmann: Bald werden die Zahlen stagnieren, weil wir nicht mehr testen

Instrumente wie PCR-Tests und Kontaktnachverfolgung würden angesichts der rasant steigenden Omikron-Variante versagen, sagte die Virologin Melanie Brinkmann im Dlf. Die Inzidenzen würden bald stagnieren, weil die tatsächliche Zahl der Infizierten nicht mehr zu sehen sei. Das sei ein Problem.

Melanie Brinkmann im Gespräch mit Jasper Barenberg |
Melanie Brinkmann von der Technischen Universität in Braunschweig
Melanie Brinkmann von der Technischen Universität in Braunschweig (pa/photothek/Thomas Trutschel)
Die Ministerpräsidenten beraten am 24. Januar 2022 wieder mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die Corona-Pandemie. Grundlegende Änderungen am Corona-Kurs wird es nicht geben. Der Beschlussvorlage zufolge sind aber neue Regelungen hinsichtlich der Coronatests geplant. Wegen Engpässen bei PCR-Tests sollen diese künftig etwa Risikogruppen sowie Krankenhaus- und Pflege-Beschäftigten prioritär zur Verfügung stehen. Die Virologin Melanie Brinkmann sagte im Deutschlandfunk, der Mangel an PCR-Tests sei ein Problem in der Pandemiebekämpfung. Die Corona-Fallzahlen würden bald stagnieren, weil nicht mehr genug Tests zur Nachverfolgung zur Verfügung stünden.
Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung, dem Brinkmann angehört, hat in seiner jüngsten Stellungnahme dazu geraten, bestehende Einschränkungen von Kontakten und Veranstaltungen beizubehalten. Er fordert aber, schon jetzt weitere Schritte vorsorglich vorzubereiten, sollten diese nötig werden.
Das Interview im Wortlaut:
Jasper Barenberg: Frau Brinkmann, Sie sind Mitglied im Expertengremium, das auch die Bundesregierung berät, jetzt auch Rat gegeben hat im Vorfeld der heutigen Bund-Länder-Gespräche. Kann man das auf den Punkt bringen, keine Verschärfungen, keine Lockerungen im Moment? Ist der Mittelweg der richtige Weg?
Melanie Brinkmann: Im Moment ist es tatsächlich so, dass das Geschehen ganz genau beobachtet werden muss, und wir wissen ja, dass die Belegung der Krankenhäuser immer etwas nachhinkt hinter den Inzidenzen. Deshalb ist es jetzt noch zu früh, wirklich zu sagen, wie sich die Omikron-Variante hier in Deutschland verhält. Ich denke, in zehn Tagen können wir das deutlich besser beurteilen, müssen aber wirklich ganz genau schauen, um rechtzeitig reagieren zu können, wenn es wieder eine höhere Belastung der Krankenhäuser gibt.

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Folgen der PCR-Test-Priorisierung

Barenberg: Einigermaßen genau wissen, was im Moment passiert. Das ist während der ganzen Pandemie immer ein sehr wichtiger Punkt gewesen. Jetzt wird heute auch darüber beraten, dass die Kapazitäten für PCR-Tests endlich sind und an Grenzen stoßen, dass es auch bei der Überwachung der Kontaktverfolgung in den Gesundheitsämtern von Tag zu Tag schwieriger wird. Da soll es jeweils eine Verringerung geben, PCR-Tests nur noch für bestimmte vulnerable Gruppen und die Kontaktverfolgung wird im Grunde genommen aufgegeben. Macht Ihnen das Bauchschmerzen?
Brinkmann: Ja, das sind natürlich zwei ganz wichtige Instrumente, die wir haben, um das Virus unter Kontrolle zu behalten, um seine Ausbreitung in der Bevölkerung zu kontrollieren. Diese Instrumente versagen jetzt, weil die Zahlen so hoch sind, und das war abzusehen, auch mit dem Blick in andere Länder, wo wir gesehen haben, wie schnell die Inzidenzen zeigen, dass auch bei uns die PCR-Kapazitäten relativ bald an ihre Grenzen kommen. Jetzt kann man nur noch so reagieren, wie jetzt reagiert wird, dass man priorisiert und dass man ganz klar mit der Bevölkerung kommuniziert, was sie tun muss, wenn sie einen positiven Antigen-Schnelltest hat, nämlich, dass sie sich zu Hause isoliert und, wenn sie nicht zu einer kritischen Gruppe gehört, erst mal kein Anrecht hat auf einen PCR-Test, weil es nicht genügend gibt. Das ist wirklich ein Problem in der Pandemie-Bekämpfung und bald werden die Zahlen, die jetzt noch stetig und schnell ansteigen, stagnieren, weil wir gar nicht mehr genau sehen, dadurch, dass wir weniger testen, wie hoch die Zahl der Infizierten wirklich ist.

„Man sieht auf den Normalstationen eine zusätzliche Belastung“

Barenberg: Ein bisschen verlieren wir dann doch den Überblick. – Wie groß bleibt die Gefahr, dass andere Virus-Varianten wieder in den Vordergrund treten, Virus-Varianten, die möglicherweise wieder gefährlicher sind als die Omikron-Variante im Moment? Alle haben ja ein bisschen den Eindruck, weil sie nicht gefährlicher ist, weil die Krankheitsverläufe milder sind, können wir einigermaßen entspannt auf die nächsten Wochen schauen. Christian Drosten von der Charité in Berlin sagt aber, es gibt durchaus die Möglichkeit, dass es wieder tödlichere Varianten in gewisser Weise geben wird. Haben Sie auch diese Sorge?
Brinkmann: Ja, die Sorge teile ich. Es ist tatsächlich so, dass die Omikron-Variante mildere Verläufe zu verursachen scheint. Aber trotzdem sieht man klar auf den Normalstationen in den Krankenhäusern eine zusätzliche Belastung. Die schiere Zahl der Menschen, die jetzt infiziert sind, das wirkt sich auch auf die Krankenhäuser aus, und das ist das Problem, vor dem wir wieder stehen. Obwohl Omikron milder zu sein scheint, ist es immer noch nicht mild. Es ist immer noch ein Virus, was auch schwere Erkrankungen verursachen kann. Im Sinne eines Vorsorgegedankens sollte man auf gar keinen Fall denken, nach dieser Welle ist es vorbei. Das ist tatsächlich so, wie Herr Drosten sagt. Es kann sehr gut sein, dass dieses Virus sich weiter verändert. Es zirkuliert ja in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit und Kraft gerade immer noch in der ganzen Welt und es entstehen überall und ständig neue Virus-Mutanten und wir können nicht absehen, ob noch eine schlimmere oder eine vielleicht sogar noch bessere Variante entsteht, die noch milder ist als Omikron. Das können wir nicht absehen und ich würde immer zur Vorsicht warnen. Wir müssen weiterhin sehr genau schauen, auch in andere Länder, welche Varianten zirkulieren dort, und auch hier in Deutschland ein Überwachungssystem immer scharfgeschaltet haben, damit wir vorher schon sehen, oha, da kann etwas Neues auf uns zukommen und wir müssen wieder Maßnahmen ergreifen. Das kann leider so sein.

Mit einer sehr hohen Impfquote können wir die Maßnahmen beenden

Barenberg: Frau Brinkmann, wir haben gleich Nachrichten. Trotzdem noch die Frage: Ich verstehe Sie aber richtig? Gedanken sich über eine Exit-Strategie, über ein Ende zu machen, das ist eigentlich in der Hinsicht noch zu früh?
Brinkmann: Das ist im Moment hier für Deutschland noch zu früh, weil wir noch einen zu großen Teil der Bevölkerung haben, die weder das Virus gesehen haben, noch den Impfstoff. Trotzdem ist immer die Strategie gewesen, durch diese nichtpharmazeutischen Maßnahmen, dass wir Zeit gewinnen und durch die Impfung die Bevölkerung immunisieren können, um sie vor dem Virus zu schützen, und so was kann man nicht ewig weitermachen. Ziel muss aber nach wie vor sein, dass wir eine sehr hohe Impfquote erreichen, und dann können wir nach und nach die Maßnahmen beenden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.