Freitag, 19. April 2024

Archiv

Neues Infektionsschutzgesetz
Justizminister Buschmann (FDP): „Keine Lockdowns, keine Betriebsschließungen"

Die Regeln im geplanten neuen Infektionsschutzgesetz seien insgesamt sehr maßvoll, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Dlf. Masketragen gehöre zu den wichtigsten, gleichzeitig aber auch zu den mildesten Corona-Maßnahmen.

Marco Buschmann im Gespräch mit Moritz Küpper | 24.08.2022
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
Justizminister Marco Buschmann zeigte Verständnis für die Empörung der Öffentlichkeit über Fotos von Kabinettsmitgliedern ohne Maske im Regierungsflieger – das sei politisch unklug gewesen (imago / photothek / Felix Zahn)
Der Entwurf zum Infektionsschutzgesetz, über den sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verständigt haben, sieht ab 1. Oktober einen Zweistufen-Plan vor. Vorgesehen sind in Stufe 1 unter anderem einige bundeseinheitliche Maßnahmen wie die Maskenpflicht in Flugzeugen und im Fernverkehr der Bahn sowie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. In letzteren soll zudem eine Testpflicht gelten - diese sei angemessen, um die vulnerablen Gruppen zu schützen, sagte Buschmann im Deutschlandfunk.
Auf Stufe 2 können die Bundesländer Maßnahmen über die Maske hinaus festlegen. Denn die Gefahrenabwehr liege bei den Ländern, begründete der Bundesjustizminister. Wenn etwa die Überlastung des Gesundheitssystems drohe, könnten die Länder weitere Maßnahmen anordnen. Dazu gehörten neben der Maskenpflicht in bestimmten Innenräumen auch Hygienkonzepte. Insgesamt seien die Maßnahmen sehr maßvoll, betonte Buschmann. Es gebe keine Lockdowns oder Betriebsschließungen. Die Regelungen sollen bis 7. April gelten.
Um das Thema Schule habe man lange gerungen. Der Gesetzentwurf sieht keine Maskenfür Grundschüler von Klasse 1 bis 4 vor. Buschmann verteidigte dies im Deutschlandfunk mit warnenden Rückmeldungen von Kinderärzten und Verhaltenswissenschaftlerinnen zu den Folgen - er verwies etwa auf die Gefahr von Verhaltensauffälligkeiten. Deshalb wiege ein solcher Eingriff schwer, so Buschmann. Ab der 5. Klasse darf eine Maskenpflicht angeordnet werden - hier gelte es, den Präsenzunterricht sicherzustellen, so Buschmann.
Für die Empörung über Fotos aus dem Regierungsflieger, auf denen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) keine Maske trugen, zeigte Buschmann Verständnis. Es entstehe der Eindruck, als gälten "für die da oben andere Regeln". Auch wenn bei der Regierungsreise 2G+-Auflagen eingehalten worden seien, halte er es für klüger, möglichst überall die gleichen Regeln zu haben, so Buschmann.

Das Interview in voller Länge:
Moritz Küpper: Die Reise des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und des Trosses der Journalistinnen und Journalisten sorgt für Aufregung. Von dem Hinflug gab es Videoaufnahmen, auf denen eigentlich niemand eine Maske trug. Auch auf dem Rückflug gab es nur die Empfehlung, Masken zu tragen. Das hat für Irritationen gesorgt. Bei der Bundesregierung heißt es, kein Regelverstoß, auf Flügen der Luftwaffe gebe es keine Maskenpflicht. Alle Personen waren ja zudem auch mehrfach unter anderem PCR-getestet. Dennoch: Es gibt auch andere Stimmen, juristische Stimmen, die sagen, die Maskenpflicht gilt für „alle Verkehrsteilnehmer des Luftverkehrs“. Es gebe keine Differenzierung. Wissen Sie als Bundesjustizminister, wie die Rechtslage dafür ist?
Marco Buschmann: Die Aufsicht über die Flugzeuge der Luftwaffe führen nicht wir. Deshalb prüfen wir diese Fragen nicht. Aber das Entscheidende ist ja auch etwas anderes, nämlich dass hier der Eindruck entstanden ist, dass für die Bevölkerung in der Breite bestimmte Regeln gelten und „die da oben“, sage ich jetzt mal unzynisch, die Regierung, die nimmt sich aus, und so sieht das natürlich auf diesen Bildern aus. Deshalb wäre es politisch klüger, von solchen Ausnahmen, wenn sie denn bestehen, keinen Gebrauch zu machen, und nach meiner Information wird sich das Parlament auch noch mal damit beschäftigen. Das ist die erste Gewalt im Staat und deshalb, glaube ich, werden wir da auch zu einer guten Lösung kommen, die Akzeptanz findet.

Flug ohne Maske: "Als würden die sich um nichts scheren"

Küpper: Das heißt, Sie können die Aufregung verstehen?
Buschmann: Na ja. Es sieht auf den Bildern ja erst mal so aus, als ob die sich um nichts scheren. Dass beispielsweise auf diesem Flug ja in Wahrheit strengere Regeln gegolten haben, nämlich nach den Informationen, die mir vom Bundespresseamt gegeben worden sind, galt ja dort 2G+. Die Menschen mussten genesen oder geimpft sein und dann zusätzlich einen Test, und zwar einen PCR-Test vorlegen. Würden wir so strenge Regeln für Linienflüge vorsehen, dann würden wir zurecht, glaube ich, Ärger bekommen. Aber trotzdem: Auf den Bildern zeigt sich ein anderer Eindruck und da sind die Leute natürlich wütend. Deshalb ist es, glaube ich, politisch klug, wenn wir möglichst überall die gleichen Regeln anwenden.
Küpper: Wird dieser Flug, diese Flüge, diese Bilder nun Konsequenzen haben für die anstehende Gesetzgebung? Ihr Parteifreund, Alexander Graf Lambsdorff beispielsweise, der FDP-Fraktionsvize, der hat getwittert: „Nach diesen Bildern kann es nicht bei einer Maskenpflicht in normalen Flugzeugen bleiben.“
Buschmann: Das was Karl Lauterbach und ich ja heute vorstellen werden, was heute durchs Kabinett geht, ist ja eine Formulierungshilfe. Das heißt, wir haben Ideen so ausgearbeitet, wie wir sie für angemessen halten.
Küpper: Da haben Sie eine andere Idee in diesem Entwurf.
Buschmann: Ja. Aber das letzte Wort hat da natürlich das Parlament und dafür habe ich persönlich auch gekämpft. Ich habe immer dafür gekämpft, dass die Corona-Politik in die Parlamente kommt, dass die Abgeordneten das letzte Wort haben, und so wird das natürlich auch bei dieser Frage sein.

"Keine Lockdowns, keine Betriebsschließungen"

Küpper: Würden Sie sich denn jetzt für eine Änderung an diesem Punkt aussprechen?
Buschmann: Man muss folgendes sehen: Wir reden ja nicht über die Lage jetzt, sondern diese Diskussion über die Regelung führen wir vor dem Hintergrund, dass viele seriöse Wissenschaftler sagen, dass man in einigen Monaten mit einer deutlich angespannteren Lage rechnen muss. Es gibt auch Belege dafür, wenn Menschen auf engem Raum dicht beieinander sitzen, auch bei allen Vorkehrungen, die es natürlich in einer solchen Kabine gibt, dass es dort zu Infektionsgeschehen kommen kann. Das sagt jedenfalls das fachlich zuständige Bundesgesundheitsministerium an dieser Stelle. Deshalb war der dringende Wunsch des Gesundheitsministers, mit diesem Instrument der Maske auch in Fliegern zu arbeiten. Insgesamt haben wir aber sehr maßvolle Regeln. Es gibt keine Lockdowns, keine Betriebsschließungen. Ich bin noch im Sommer von CDU-Ministerpräsidenten aufgefordert worden, ich solle Kontaktbeschränkungen einführen, 2G, 3G-Regeln. Das machen wir alles nicht, das ist alles unverhältnismäßig, sondern dass sich die ganze Debatte jetzt in Wahrheit auf die Maske konzentriert, die ja in Wahrheit das mildeste Mittel unter den Corona-Schutzmaßnahmen ist, zeigt ja schon einen echten Fortschritt in der Debatte, finde ich.

"Die Länder entscheiden nach Lage vor Ort"

Küpper: Das Ganze ist ja: Sie schlagen vom Bund einen Rahmen vor und die Länder müssen dann, können dann verschärfen, je nachdem wie die Lage ist. Allerdings in diesem Rahmen – und daran gibt es jetzt Kritik – schreiben Sie in diesem Entwurf, den das Parlament – Sie haben es gesagt – noch beschließen muss, in welcher Form dann auch immer, diese Verschärfungen, die Maßnahmen, die hängen an gesetzlich geregelten Indikatoren. Was verstehen Sie darunter?
Buschmann: Zunächst einmal muss man ja sagen, Sie haben ja recht. Das einzige was der Bund überhaupt nur verpflichtend bundesweit anordnet sind Masken und Tests in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen, weil dort sehr viele vulnerable Menschen leben, wo es auch ein wirklich relevantes Todesfallrisiko gibt. Das ist eine Maßnahme, die ist, glaube ich, sehr angemessen. Alles andere sind reine Optionen für die Länder. Deshalb: Diese Idee, wir würden jetzt per Gesetz eine bundesweit einheitliche Maskenpflicht in Innenräumen anordnen, stimmt nicht, sondern die Länder entscheiden nach Lage vor Ort, und die Länder sind in unserem föderalen System für die Gefahrenabwehr zuständig. Die kennen die Lage vor Ort. Die Lage – das haben wir im Laufe der Pandemie gesehen – kann in den Bundesländern sehr unterschiedlich sein und deshalb haben wir den Ländern diese Möglichkeit gegeben.
Die Indikatoren, die Sie ansprechen, die betreffen ja die zweite Gefahrenstufe. Wenn es eine konkrete Gefahr für die Überlastung des Gesundheitssystems gibt, dann können die Länder bestimmte Maßnahmen über die Maske hinaus machen, aber sehr moderat, keine Lockdowns, keine Betriebsschließungen, sondern so etwas wie Hygienekonzepte. Der Gefahrenbegriff, der ist Verwaltungsjuristen geläufig. Das heißt, es wird auch ein bisschen kompliziert geredet. Ein guter Verwaltungsjurist weiß, was eine konkrete Gefahr in Bezug auf ein Schutzgut ist, und deshalb können die Verwaltungstechniker damit, glaube ich, sehr genau etwas anfangen.
Küpper: Aber Sie können das jetzt hier nicht beschreiben? Es kommt doch darauf an, dass man es versteht. Wir haben es ja gerade bei diesem Flieger und den Bildern und der Aufregung gelernt, dass es darum geht, nachvollziehbare Regelungen zu schaffen.
Buschmann: Ja, das kann ich gerne machen. Nehmen Sie mal diesen ersten Werkzeugkasten mit der Maske. Da ist es so: Im ÖPNV können die Länder das Gleiche tun, was sie jetzt auch im Sommer konnten. Da ändert sich nichts. Da können sie, müssen sie aber nicht.

Keine Masken bis Klasse 4

Küpper: Die Frage ist nur, wann sie das tun können und sollen.
Buschmann: Herr Küpper, Sie haben mir die Frage gestellt, dass ich es einfach mal erklären soll, und das kann ich tun. In diesem ersten Werkzeugkasten können die Länder ab 1. Oktober genauso wie sie es auch jetzt können im ÖPNV Maske anordnen. Das kann medizinische Maske sein, einige Länder machen das jetzt auch mit FFP2. Da ändert sich eigentlich nichts.
Dann ist es so: Wir haben sehr lange gerungen um das Thema Schule und da haben wir gesagt, die ganz kleinen Kinder, die haben ja wirklich gelitten, und insgesamt muss man sagen, die Schülerinnen und Schüler haben in dieser Pandemie am meisten gelitten. Da haben wir sehr strenge Vorgaben. Da wird es so sein, Kinder bis einschließlich Klasse vier, in diesen Einrichtungen gibt es überhaupt keine Maske. Da ist die Rechtslage auch völlig klar.
Küpper: Da hätte ich direkt eine Nachfrage. Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Was unterscheidet eigentlich Viertklässler von Fünftklässlern?
Buschmann: Wir haben sehr warnende Rückmeldungen bekommen von Kinderärzten, Verhaltenswissenschaftlern und so weiter, dass sie sagen, je jünger die Kinder sind und je dauerhafter sie mit solchen ungewöhnlichen Situationen konfrontiert sind, desto größer ist die Gefahr, dass es dann auch zu Verhaltensauffälligkeiten kommt. Deshalb wiegt dort dieser Eingriff, der ja sowieso in der Schule !!Ehring:!! noch mal etwas schwerer ist – es ist ja ein Unterschied, ob Sie 20 Minuten in den Supermarkt mit Maske gehen oder vier, fünf oder sechs Zeitstunden mit einer Maske verbringen -, das wiegt einfach schwerer. So haben wir diesen Kompromiss geschlossen, dass wir die jungen Schülerinnen und Schüler und die jungen Kinder ganz rausnehmen.
Ab der Klasse fünf – die Regel, finde ich, ist auch unmittelbar einleuchtend; die kann man jedenfalls verstehen, wenn man sie verstehen möchte -, da ist im Gesetz der Gedanke festgelegt, dass wir ja wollen, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst viel Präsenzunterricht haben, denn der Ausfall von Präsenzunterricht war ja eine der schlimmsten Belastungen für die Schülerinnen und Schüler. Da sagt das Gesetz, wir machen Präsenzunterricht, wir machen ihn ohne Maske, aber wenn durch beispielsweise massenhaften Krankheitsausfall die Lage so zu eskalieren droht, dass wir dann schlichtweg, weil die Lehrer alle krank sind, die Schüler nachhause schicken müssen, dann ist es doch besser, mit medizinischer Maske Präsenzunterricht zu machen, als die Schüler nachhause zu schicken. Das ist auch im Gesetz klar so geregelt.

"Präsenzunterricht sicherstellen"

Küpper: Aber die Präsenzpflicht, den Präsenzunterricht in der Grundschule können Sie dann nicht absichern, weil da gibt es ja keine Masken?
Buschmann: Na ja. Es gibt ja andere Möglichkeiten und das Gesetz sagt damit indirekt, dass insbesondere in den Grundschulen noch mal verstärkt alles getan werden muss, um das zu verhindern. Es ist ja nach wie vor so: Die Lehrer können Maske tragen. Es gibt auch andere Instrumente. Dieser grundsätzliche Gedanke im Gesetz, wir müssen den Präsenzunterricht sicherstellen, aber wenn eine Lage eintritt, die diese Versorgung mit Präsenzunterricht systematisch zu unterspülen droht, dann ist es doch besser, mit medizinischer Maske Unterricht zu haben als keinen Präsenzunterricht zu haben, und ich glaube, das ist ein unmittelbar einleuchtender Gedanke.
Küpper: Das stimmt.
Buschmann: Weil Sie mich nach der Nachvollziehbarkeit auch bei dieser Pflicht gefragt haben, von der immer geredet wird, Maskenpflicht in Innenräumen, ist das Gesetz eigentlich auch viel maßvoller. Es gibt den Ländern die Möglichkeit, wenn nach Lage vor Ort sich dort etwas zuzuspitzen droht, dann können, aber sie müssen es nicht, dann können die Länder in bestimmten Innenräumen Maske anordnen. Sie können aber auch ganze Bereiche rausnehmen. Sie könnten sagen, die Gastronomie nehme ich raus. Sie könnten sagen, ich nehme die Hochschulen raus. Das, finde ich, ist sehr maßvoll.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.