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Coronavirus
USA lässt Corona-Impfstoff für Kleinkinder zu

Kleinkinder können sich mit Corona infizieren und auch schwer daran erkranken. In den USA kam es schon zu Todesfällen. Die US-Behörde FDA hat nun die Corona-Schutzimpfung für Kinder ab einem halben Jahr zugelassen. Um welche Impfstoffe es geht und wie die Zulassung zu bewerten ist.

Von Arndt Reuning | 21.06.2022
Der Impfstoff von Biontech/Pfizer wird aufgezogen
Die US-Behörde FDA lässt die Corona-Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer für Kleinkinder zu (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
In den USA hat die Behörde Federal Drug Administration (FDA) am 17. Juni die Corona-Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer für Kleinkinder ab sechs Monaten zugelassen. In Europa hat bislang nur Moderna einen Zulassungsantrag für diese Altersgruppe gestellt.

Was hat die FDA zu einer Zulassung bewogen?

Bei Impfstoffen geht es immer um die Abwägung von Nutzen und Risiko. Zunächst zu den Risiken: Auch bei Kleinkindern wurden in den Zulassungsstudien die bekannten akuten Nebenwirkungen der Impfungen, etwa Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber und Mattigkeit beobachtet. Diese verschwanden aber schnell wieder und waren auch nicht so stark waren wie bei älteren Kindern. In der Moderna-Studie gab es bei einem einjährigen Mädchen einen Fieberkrampf, bei dem ein Zusammenhang zur Impfung möglich ist.
Die Behörden sahen sich insbesondere auch mögliche Entzündungen am Herzen an. Solche Erkrankungen nach Coronaimpfungen treten vor allem bei jungen Männern auf, insbesondere beim Moderna-Vakzin. In den Zulassungsstudien der Impfstoffhersteller traten keine Herzentzündungen bei kleinen Kindern auf. Allerdings wurden in diesen Studien nur einige tausend Kinder geimpft, sodass sehr seltene Nebenwirkungen auch übersehen werden können. Deshalb betont die FDA: Diese Entzündungen ließen sich in den meisten Fällen gut behandeln. Vor allem treten sie bei so jungen Kindern sonst kaum auf. Deshalb werde das Risiko als sehr gering eingeschätzt.

Brauchen Kleinkinder den Impfschutz?

In der Omikron-Welle lässt sich die Infektion bei Kleinkindern ähnlich wie bei Älteren durch eine Impfung kaum verhindern. Hier lag die Wirksamkeit der Vakzine zum Teil nur bei rund 40 Prozent. Die Impfung soll aber vor allem gegen schwere Verläufe wirken. Ob dies auch für Kinder unter fünf Jahren gilt, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht beurteilen, weil die Studien dazu nicht groß genug sind. Die US-Behörde sah sich daher die Immunreaktion an, die durch die Impfung bei den Kleinkindern ausgelöst wird. Dabei zeigte sich, dass diese ebenso verlässlich angeregt wird wie bei Erwachsenen. Damit besteht mutmaßlich auch für geimpfte Kinder unter fünf Jahren ein Schutz vor schweren Verläufen.
Familien, deren Kleinkinder in Folge einer Coronainfektion hohes Fieber und starke Muskelschmerzen bekamen, wollen die Impfung. In den USA gab es in zweieinhalb Jahren Coronapandemie mehr als zwei Millionen Corona-Fälle bei den unter Fünfjährigen und 20.000 Krankenhauseinweisungen. Das liegt etwa auf dem Niveau einer Grippewelle. Die Hälfte der Kleinkinder, die mit einer Covid-19-Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten, hatte keine Vorerkrankungen.
Außerdem gibt es in den USA mehr als 200 Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren die einen Bezug zu SARS-CoV-2 haben. Andere Todesursachen sind in dieser Altersgruppe allerdings deutlich häufiger. Unfälle zum Beispiel sind in den Vereinigten Staaten für den Tod von zehn Mal mehr Kleinkindern verantwortlich. Unter anderem deshalb wurde die FDA kritisiert, dass sie die Bedeutung der Todesursache Corona überbewertet habe - zum Teil aufgrund einer Studie mit großen methodischen Problemen. Diese Studie war aber nur ein Element in der FDA-Argumentation. Viel relevanter ist der Vergleich zu anderen Krankheiten. So wird in den USA unter anderem gegen Hepatitis A, gegen Meningkokken, gegen Röteln und Rotaviren geimpft - Krankheiten, die alle für erheblich weniger Todesfälle als SARS-CoV-2 verantwortlich sind . Daher argumentiert die FDA, die Corona-Impfungen könnten auch in der Altersgruppe von einem halben Jahr bis zu vier Jahren erhebliches Leid verhindern, nicht nur Todesfälle, sondern auch Krankheit und Post-Covid.

Gibt es Unterschiede zwischen den Kleinkinder-Impfstoffen von Moderna und Biontech?

Einen erkennbaren Unterschied zwischen den Impfstoffen von Moderna und Biontech/Pfizer gibt es bei der Dosierung des Wirkstoffs. Moderna verwendet bei Kleinkindern ein Viertel der Erwachsenendosis. Biontech reduziert die Dosis auf ein Zehntel, um Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Das geht aber offenbar auf Kosten der Wirksamkeit: Bei Moderna tritt schon nach zwei Dosen eine gute Immunreaktion auf. Bei Biontech/Pfizer reicht das nicht aus, so dass die FDA hier ein Impfschema mit drei Dosen zugelassen hat. Wahrscheinlich werden die Impfstoffe ab sofort in den USA ausgeliefert. Eltern können sich dann entscheiden, welchen Impfstoff sie für ihr Kind wollen.

Wann könnte der Kleinkinderimpfstoff in Deutschland zugelassen werden?

In der Europäischen Union hat bislang nur Moderna eine Zulassung der Impfung für Kinder ab einem halben Jahr beantragt. Wann die Europäische Medizinagentur (EMA) ihre Entscheidung trifft, steht noch nicht fest. Im Falle einer Zulassung durch die EMA würde in Deutschland dann die Ständige Impfkommission tätig werden und beraten, ob sie eine Impfempfehlung für Kinder unter fünf Jahren aussprechen soll. Das nimmt Zeit in Anspruch. In Deutschland werden Eltern, die ihre Kleinkinder gegen SRARS-CoV-2 impfen lassen wollen, daher noch geraume Zeit warten müssen.