Samstag, 27. April 2024

Kommentar zum Gendern in Bayern
Formaljuristisch ist das Verbot ordentlich definiert

Das Genderverbot der bayerischen Staatsregierung ist keine populistische Hauruck-Maßnahme, sondern vernünftig und ausgewogen, kommentiert Michael Watzke. Die Änderung lasse den meisten Menschen in Bayern weiterhin die Wahl.

Ein Kommentar von Michael Watzke | 20.03.2024
Ein Aufkleber mit der Aufschrift "*INNEN"
Als erstes Bundesland hat Bayern das Gendern in Schulen, Hochschulen und Behörden verboten. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
Die Bundeswehr macht‘s richtig. Wer auf den Seiten des Verteidigungsministeriums nach Informationen über die Truppe sucht, findet Soldatinnen und Soldaten. So viel Zeit und Platz muss sein. Keine Soldat-Innen, keine Soldatierenden, keine Sternchen, keine Unterstriche. Wie erfrischend. Gut, dass Bayern das ab jetzt offiziell auch so macht.
Das neue Genderverbot der bayerischen Staatsregierung ist keine populistische Hauruck-Maßnahme, sondern vernünftig und ausgewogen. Denn die Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung des Freistaates Bayern (kurz: AGO) lässt den meisten Bayerinnen weiterhin die Wahl, ob und wie sie gendergerecht schreiben wollen.
Kein Student, keine Schülerin, kein Journalist, keine Bäckerin darf bestraft werden, wenn er oder sie ein Sternchen oder das Binnen-I benutzt. Das ist gut so. Es gilt übrigens auch umgekehrt an deutschen Hochschulen: Niemand darf einen Punktabzug bekommen, der NICHT gendert. Leider gab es vereinzelt Fälle, in denen Lehrende gegen dieses Hochschulgesetz verstießen.

Augenmaß ist gefragt

Einen solchen Fehler sollte der Freistaat mit seinem Genderverbot vermeiden. Er sollte im Zweifel die gute alte bayerische Formel „Leben und leben lassen“ anwenden. Das Thema taugt nicht für ideologische Grabenkämpfe. Konsequenzen könnte das Gendern in Bayern lediglich für Beamte haben, die in offiziellem Schriftverkehr oder in der Deutschklausur fortgesetzt das Sternchen oder Binnen-I benutzen. Wie genau diese Konsequenzen aussehen – ob sie dienstrechtlich sind, Geldstrafen nach sich ziehen oder gar zur Entlassung führen könnten – geht aus der Geschäftsordnung nicht eindeutig hervor.
Hier ist – vor allem juristisch – Augenmaß gefragt. Schließlich ist ein Verstoß kein Gesetzesbruch, sondern höchstens ein disziplinarrechtliches Vergehen. In den drei anderen Bundesländern, die bereits ein offizielles Genderverbot haben – Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Sachsen – ist es bis jetzt weder zu Schauprozessen noch zu Massendemos gekommen. Warum auch sollten wir in Zeiten von Ukraine-Krieg und Klimawandel wegen eines Binnen-i-Tüpfelchens zu Streithähnen und -Hennen mutieren?

Bitte keine Gender-Taskforce

Fakt ist, dass die bayerische Staatsregierung das Genderverbot formaljuristisch ordentlich definiert hat, den Empfehlungen des Rates für Deutsche Rechtschreibung folgt und die neue Geschäftsordnung maßvoll und im Dialog umsetzen will. Das Ziel: klare Regeln für eine verständliche Sprache. Die Umsetzung der AGO obliegt übrigens den jeweiligen Amtsstellen – und nicht einer zentralen Behörde wie etwa dem bayerischen Innenministerium. Sollte die Staatsregierung eine Gender-Taskforce einrichten und zur Sternchenjagd blasen, dann ziehen wir diesen Kommentar zurück.
Das bayerische Genderverbot tritt – kein Scherz – am 1. April in Kraft. Aber hier ein kleiner Scherz: An zwei Stellen dieses Kommentars haben wir nicht die genderkorrekte Form benutzt, sondern einmal nur die männliche, einmal nur die weibliche. Gar nicht gemerkt, oder? Tut auch gar nicht weh.
Michael Watzke
Michael Watzke
Michael Watzke, geboren 1973 in Remscheid, absolvierte die Deutsche Journalistenschule. Er studierte Politik und Soziologie in München und Washington DC. Nach Stationen bei SZ und BILD arbeitete er als Chefreporter für Antenne Bayern. 2003 gewann er den Axel-Springer-Preis. Danach Ausbildung an der Drehbuch-Werkstatt der HFF München. Als Autor des TV-Dramas "Das letzte Stück Himmel" (Regie: Jo Baier) erhielt er den Robert-Geisendörfer-Preis und war für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Arbeit als Regisseur und Produzent. Seit 2010 berichtet er für Deutschlandradio als Bayern-Korrespondent aus München.