Olaf Scholz zögert. Wieder einmal. Viel zu lang. Der Kanzler kann sich nicht dazu durchringen, der Ukraine die ersehnten Taurus-Marschflugkörper zu überlassen. Es ist ein Déjà-vu. Auch bei der Lieferung von Kampfpanzern hatte er lange gewartet und dann doch zugestimmt. Mit Blick auf westliche Kampfflugzeuge hatte er von einer roten Linie gesprochen, um dann mit ansehen zu müssen, wie andere NATO-Partner Zusagen machten. Jetzt aber scheint Scholz fest entschlossen, bei seinem Nein zu bleiben.
Kanzler Scholz: Kriegsgefahr für Deutschland durch Taurus-Lieferung
Dieses Mal folgt der deutsche Regierungschef nicht einmal den Amerikanern, wie es sonst seine Art ist. Die USA nämlich wollen zumindest eine kleine Zahl von Raketen bereitstellen, Briten und Franzosen haben sie längst geliefert. „Sie können etwas, was wir nicht dürfen!“ Mit diesem Satz hatte der Sozialdemokrat sein Nein in vertraulicher Runde begründet. Es ist eine fadenscheinige Begründung.
Damit meint er, dass beide Länder sogenannte Geo-Daten übermitteln, die die Marschflugkörper brauchen, um sich über unbekanntes Terrain hinweg ihren Weg ins Ziel bahnen zu können. Zudem werde deutsches Personal benötigt, um die Waffensysteme mit den entsprechenden Daten zu füttern. Dafür bedarf es eines Bundestagsbeschlusses, darin bestehe die Gefahr, Deutschland in den Krieg hineinzuziehen, argumentiert der Kanzler.
Olaf Scholz' Argumente sind nur vorgeschoben
Es sind vorgeschobene Argumente. Militärexperten nämlich bestätigen: Nach entsprechender Schulung wären auch ukrainische Soldaten in der Lage, Taurus zu bedienen, und geologische Daten und Zielkoordinaten liefert der Westen der Ukraine ohnehin schon lange. Der Kanzler also kann seine Zurückhaltung nicht überzeugend begründen, es bleibt der Verdacht, dass er dem ukrainischen Präsidenten nicht traut, der immer wieder versichert, die Marschflugkörper nicht für Angriffe auf russisches Territorium nutzen zu wollen.
Wie kriegsentscheidend sind Taurus-Waffensysteme?
Scholz fürchtet offensichtlich auch einen Beschuss der Krim-Brücke als wichtigen Nachschubweg der Russen. Putin könnte das als deutsche Kriegsbeteiligung werten, so sein Kalkül. Die Deutschen werden es ihm hoch anrechnen, wenn er vorsichtig bleibt, hofft der Kanzler, und: Er nimmt Rücksicht auf die vielen Skeptiker in der eigenen Partei. All das sagt er natürlich nicht, Scholz erklärt seine Haltung nicht, er spricht nicht über die wahren Gründe seiner Skepsis.
Man mag darüber streiten, ob deutsche Marschflugkörper kriegsentscheidend sind, aber ein Regierungschef muss sich in deutlichen Worten dazu verhalten. Scholz muss sich ehrlich machen. Zögern allein reicht nicht, schon gar nicht, da seine Koalitionspartner Grüne und FDP ganz anderer Ansicht sind und eine Taurus-Lieferung für richtig halten!