Donnerstag, 25. April 2024

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Lehren aus der Corona-Pandemie
Wie Seuchen früher erkannt werden

In einer globalisierten Welt sind auch Erreger schnell unterwegs. Das Coronavirus hatte nach nur drei Monaten schon eine Million Menschen infiziert. Je eher so eine Ausbreitung entdeckt wird, umso effektiver können Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dafür müssen die Forscher aber auch gut vernetzt sein.

Von Volkart Wildermuth | 30.05.2022
Zwei behandschuhte Hände halten ein Gerät zur Sequenzierung von positiven PCR-Tests im Labor. Vor ihr auf dem Tisch stehen viele Proben (gestellte Szene).
Mithilfe der Sequenzierung von positiven PCR-Tests können die genauen Varianten und Mutationen vom Corona-Virus nachgewiesen werden. (picture alliance/dpa)
Die Corona-Pandemie begann lange vor dem Ausbruch in Wuhan, als es einem Coronavirus in einer Fledermaus gelang erstmals einen Menschen zu infizieren – und dann noch einen.  

Schutz vor Erkrankungen aus dem Tierreich

„Die meisten dieser neuartigen Erkrankungen kommen ja aus dem Tierreich, das heißt, hier muss man dann auch wesentlich fokussieren.“
Es wird sicher weitere Spillover-Events geben, also ein Überschwappen neuer Erreger vom Tier auf den Menschen, so Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Institutes FLI. Deshalb ist der One-Health-Ansatz entscheidend: Die Gesundheit von Tieren und Menschen gemeinsam zu erforschen und zu schützen. Denn Erreger, die Tiere befallen, könnten früher oder später immer auch Menschen krankmachen.
Eine Gruppe von Forschenden rief in einem Nature-Kommentar Ende Mai deshalb dazu auf, grundlegende Maßnahmen zu ergreifen, die solche Spillover-Events unwahrscheinlicher machen. Ihre Forderungen: Das Abholzen der Regenwälder bremsen, Wildtiermärkte einzudämmen, die Nutztierhaltung zu verbessern und die Gesundheitssysteme zu stärken. 20 Milliarden Dollar jährlich könnten da bereits viel bewirken, so die Autoren.

Nachweis der Viren mit Hilfe der Gentechnik

Bis ein solches globales Präventionsprogramm umgesetzt ist, untersucht man in den FLI-Laboren auf der Insel Riems Proben aus aller Welt auf neuartige Erreger. Die problematischsten Viren hat die Weltgesundheitsorganisation auf einer Liste zusammengestellt: Zika steht darauf, Coronaviren, Ebola, Nipah.
Dank der Gentechnik lassen sich aber auch völlig neuartige Viren nachweisen. Schwieriger ist der nächste Schritt: „Wir finden Erreger A, B, C. Wie gefährlich kann der denn für den Menschen sein, respektive werden? Da ist sicherlich noch einiges auch an wissenschaftlicher Forschungsarbeit zu leisten."

Spillover-Events frühzeitig erkennen

Bei Influenzaviren ist inzwischen bekannt, welche Mutationen den Sprung auf den Menschen erleichtern. Die Überwachung der Viren in der Wildnis ist Grundlagenforschung. Zur Prävention einer möglichen Pandemie kommt es darauf an, Spillover-Events frühzeitig zu erkennen.
Entscheidend ist dabei der genaue Blick auf die Menschen. Eine auffällige Häufung unbekannter Krankheitssymptome ist immer ein Alarmsignal.
„So ist ja letztendlich der SARS-CoV-2 Erreger auch gefunden worden in China: Durch das Auftauchen dieser ja doch veränderten Lungenentzündung. So dass dann die Idee war, das kann jetzt auch ein neuer Erreger sein."
China verfügt über viele Ressourcen. Unbekannte Viren kommen aber auch in anderen asiatischen Ländern vor, in Afrika, in Lateinamerika. Inzwischen sind die Referenzlabore dort in der Lage, die wichtigsten Erreger nachzuweisen.

Schnelle Einsatzteams für die Viren-Erkennung

Schwierig wird es, wenn die standardisierten Tests nichts finden, sagt der Virologe Jonas-Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg.
„Insofern bin ich da auch absolut ein Befürworter von schnellen Einsatzteams, die diese Fähigkeiten mitbringen und dann vor Ort auf Wunsch der Länder auch tätig werden können, um diese Diagnostik und die Charakterisierung und Untersuchungen vornehmen zu können.“
Virologen Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg
Der Virologen Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg (privat)
Etwa über das Europäische Mobile Labor, eine Art schnelle Eingreiftruppe zur Früherkennung neuer Infektionskrankheiten. Für die Menschen vor Ort kommt es aber vor allem auf Behandlungsmöglichkeiten an. Für die Pandemieprävention sei es deshalb entscheidend, die regionale Gesundheitsversorgung zu stärken, so Lisa Heinrich von der Stiftung Wellcome Trust.
„Diese Strukturen sind deshalb so wichtig, weil Vertrauen in der Früherkennung so wichtig ist. Wir müssen uns alle vertrauen, dass wir bei einem Ausbruch uns blitzschnell die Information geben können und dann schnell handeln können.“

Weltweite Zusammenarbeit fördern

Ohne Vertrauen funktioniert der Austausch von Informationen und Virenproben nicht. China ist kritisiert worden, es habe die Weltgesundheitsorganisation zu spät über den Ausbruch in Wuhan informiert. Der Virologe Jonas-Schmidt-Chanasit sieht das anders.
„Aus meiner Sicht waren die chinesischen Kollegen da schon sehr, sehr schnell.“
In der Corona-Pandemie sind Virensequenzen schnell geteilt worden. Länder wie Südafrika haben dafür erhebliche Nachteile in Kauf genommen. Etwa durch Reise- oder Handelsbeschränkungen, die gegen das Land verhängt wurden, nachdem es neue Virusvarianten gemeldet hatte. Für dieses wichtige Engagement für die globale Frühwarnung vor neuen Erregern, bekam Südafrika aber keine Gegenleistung.
Hier künftig Anreize zu schaffen, etwa durch schnelleren Zugang zu Impfstoffen, könnte sich als entscheidend erweisen für eine effektivere Reaktion auf die nächste Pandemie.