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Neue Entwicklungen im Fall Pechstein

Neue Überraschung im Fall Claudia Pechstein: Während die gesperrte Eisläuferin weitere Belege für ihre angebliche Blutanomalie ankündigt, gibt die Staatsanwaltschaft München bekannt: "Im Ermittlungskomplex zum Thema Eisschnelllauf gibt es nicht nur Frau Pechstein, die auffällige Retikulozyten-Werte hat."

Von Thomas Kistner | 08.10.2010
    Das wirft aus Expertensicht neues Licht auf die mysteriösen Blutschwankungen, die schon bei Pechstein die Wissenschaft vor bisher nicht definitiv gelöste Rätsel stellt. Mehrere Sportler, darunter zwei weitere deutsche Eisläuferinnen, mit auffälligen Werten - das passe nicht in die bisherige Einzelfallstudie. Auf die enorme Seltenheit des Pechsteinschen Blutphänomens hatte ja schon der Eislaufweltverband ISU im Urteil 2009 verwiesen. Demnach waren in 10.000 Sportler-Blutprofilen, gemessen über Jahrzehnte, "nur acht Personen mit einer Blutkrankheit" aufgetaucht, und darunter nur ein Blutprofil, das dem Pechsteins geähnelt habe. Für das gab es aber eine medizinische Erklärung.

    Während eine Gutachter-Schar Pechsteins medienwirksam Blut durchforscht, ermitteln Staatsanwälte und Nationale Anti-Doping-Agentur Nada weit umfassender zu den gehäuften Vorfällen mit hohen Retikulozyten. 2009 hatte die Nada Anzeige gegen Unbekannt erstattet, gefahndet wird seither nach möglichen Hinterleuten in der Causa. Um so bemerkenswerter, dass jetzt weitere erhöhte Werte bei zwei Eisläuferinnen vorliegen, ermittelt bei Trainingstests 2009. Diese Werte dienen als Ermittlungsansatz für Staatsanwaltschaft und Nada, zudem liegen auffällige Messungen außerhalb des Eisschnelllaufs vor - und "nicht nur bei deutschen Athleten", teilt die Nada mit. Die Fahnder streben jetzt eine "komplexe Untersuchung im Austausch mit Laboren, Medizinern und Staatsanwaltschaft" an. Erstellt werden Profile, die in Zielkontrollen oder gar Hinweisen an die Staatsanwaltschaft münden sollen.

    Dabei wird nicht nur nach Blutanomalie geforscht, die die bisherige Debatte bestimmt haben. Sondern nach allen Einflüssen, die solche Werteschwankungen hervorrufen können: Also auch Wachstumsfaktoren oder Steroide, auf deren kurzzeitige Blutbildungswirkung der Zellbiologe Werner Franke verweist. Der Heidelberger Experte schüttelt eingedenk der neuen Sachlage nur den Kopf: "Dass sich sehr seltene Anomalien jetzt ausgerechnet im Eisschnelllauf der Frauen so häufen, ist für mich nicht denkbar!"