Der unbekannte Strauss
"Des Esels Schatten"
Eine Schuloper von Richard Strauss nach Texten von Christoph Martin Wieland
Mitglieder des Rundfunkchores Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Karl Anton Rickenbacher
Eigentlich hatte er gar nicht mehr komponieren wollen. Sein künstlerisches Lebenswerk war für ihn, wie er immer wieder betonte, mit der Komposition des "Capriccio" abgeschlossen. Das hatte sich Richard Strauss jedenfalls vorgenommen. Aber er hatte die Rechnung ohne seinen jüngsten Enkel Christian Strauss gemacht. Der war Schüler in Kloster Ettal, und dieses berühmte Benediktinergymnasium in den bayerischen Alpen, brauchte eine Schuloper. Und wenn schon ein Strauss unter den Schülern saß, warum sollte der Großvater nicht noch einmal etwas komponieren? Den Gefallen konnte Richard Strauss offenbar nicht abschlagen. Er aktivierte noch einmal seine alten Beziehungen zu Librettisten und versuchte zu einer Erzählung aus Christoph Martin Wielands "Abderiten", genauer: zum "Prozess um des Esels Schatten" eine kleine Schuloper zu machen. Ab 1948 begann Strauss, die 18 vorgesehenen Musiknummern zu skizzieren, aber nur die Ouvertüre und sieben Nummern entstanden. Der Nachlass enthält noch Skizzen und Entwürfe. Der Pater des Klosters Ettal, Stephan Schaler, der die Schuloper angeregt hatte, straffte das ganze auf sechs Bilder, der Kapellmeister Karl Haussner führte es musikalisch aus. Diese Fassung wurde erst lange nach dem Tod von Richard Strauss, am 7. Juni 1964 in Ettal aufgeführt. Nur wenige öffentliche Aufführungen folgten. Dass mit "Des Esels Schatten" aber eine Pretiose entstanden ist, die voll von kompositorischen Schönheiten und aktuellem Witz ist, soll diese Sendung zeigen. Der Hörer wird eine Neueinspielung hören, die im Oktober 1995 mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Mitgliedern des Rundfunkchores Berlin unter der Leitung von Karl Anton Rickenbacher entstanden ist.