Donnerstag, 25. April 2024

Rezession
Die deutschen Unternehmen sparen an ihrer Zukunft

Der "Patient" deutsche Wirtschaft sei grundsätzlich fit, kommentiert Sandra Pfister. Die meisten Unternehmen seien gut ausgelastet und hätten noch ein Polster von Aufträgen. Aber es gebe Probleme, über die diskutiert werden sollte.

Ein Kommentar von Sandra Pfister | 25.05.2023
Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen
Insbesondere sinkende Konsumausgaben bremsen die Wirtschaftsleistung (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
So richtig überraschend kommt das nicht. Wie Eichhörnchen haben Ökonominnen und Ökonomen seit Wochen Anzeichen dafür gesammelt, dass die deutsche Wirtschaft schrumpft. Und jetzt tut sie es. Ja, jetzt sind alle ein bisschen ernüchtert.

Meiste Unternehmen gut ausgelastet

Aber es heißt: Alles weit entfernt von einer Vollkatastrophe. Der Patient hat erhöhte Temperatur. Kein Fieber. Der wird bald wieder. Und, ist das so?
Dafür, dass es nur ein kleiner Husten ist, und noch keine bedrohliche Lungenentzündung, spricht, dass die Blutwerte des Patienten eigentlich ganz gut sind. Die meisten Unternehmen sind gut ausgelastet und haben noch ein Polster von Aufträgen. Und sie entlassen so gut wie keine Leute.

Der Patient hat Stress

Also: Der Patient ist grundsätzlich fit. Er hat halt ein bisschen viel Stress gerade. Hohe Energiekosten durch den Ukrainekrieg. Und seine Kunden kaufen nicht mehr so viel, wegen der Inflation. Wegen der hohen Preise schraubt die Europäische Zentralbank die Zinsen nach oben und dämpft damit das Wachstum.
Das Problem ist bloß: Diese äußeren Ursachen bremsen eigentlich alle europäischen Länder. Trotzdem stehen alle im Euro-Raum besser da als Deutschland. Sie wachsen stärker, sie stecken die äußeren Zumutungen besser weg. Ein wichtiger Bremsklotz ist, dass Energie in Deutschland deutlich teurer ist als im Rest Europas und viel viel teurer als in den USA.
Und dann die Leberwerte des Patienten. Es ist ja nicht nur, dass die deutsche Wirtschaft gerade schrumpft. Auch die Investitionen sind im Vergleich zu den USA gering. Und damit die Innovationskraft in allen Zukunftsbranchen: Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Biotech. Fast die einzigen, die kräftig investieren, sind die deutschen Autobauer. Und die haben trotzdem alle Mühe, nicht komplett von der chinesischen E-Auto-Konkurrenz abgehängt zu werden.

Wo die Regierung ran muss

Also: Die deutschen Unternehmen sparen an ihrer Zukunft. Auch, weil die Bürokratie hoch ist und die Steuern. Da muss die Regierung ran. Zumal wir altern, als Land. Und alternde Bevölkerungen oft weniger innovativ sind.
Das einzige, was wirklich wächst, ist der Fachkräftemangel. Der ist für unsere Wirtschaftskraft genauso bedrohlich wie die Energiekrise.
Aber anders als sie, komplett absehbar. Allein mit Zuwanderern werden wir ihn nicht lösen können. Doch internationale Leistungsvergleiche zeigen, wie gerade die Lesestudie IGLU: Unseren eigenen kostbaren Nachwuchs, unsere wichtigste Ressource, bilden wir immer schlechter aus. Über all das sollten wir uns bitte mindestens genauso die Köpfe heiß reden wie über Wärmepumpen und Ölheizungen. Sonst wird der Patient richtig krank.
Sandra Pfister
Sandra Pfister
Sandra Pfister, geboren 1975 im Saarland, ist Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft und Gesellschaft. Nach einem Geschichtsstudium in Freiburg, Düsseldorf, Aix-en-Provence und Brüssel hat sie in Düsseldorf die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten absolviert. Im Anschluss an ihr Volontariat beim Deutschlandfunk hat sie regelmäßig Sendungen in Deutschlandfunk und WDR moderiert und zuletzt fünf Jahre als freie Autorin und Moderatorin in London gelebt.