Dienstag, 28. März 2023

Warnstreiks von Verdi
Mit Fridays for Future das Image aufpolieren

Die Arbeitgeberseite übte Kritik am gemeinsamen Aktionstag von Verdi und Fridays for Future. Die Gleichzeitigkeit sei zwar unverfänglich, kommentiert Mischa Erhardt - komme Verdi aber gelegen, um das Gewerkschafts-Image aufzupolieren.

Ein Kommentar von Misch Ehrhardt | 03.03.2023

    Zahlreiche Mitarbeiter der hannoverschen Verkehrsbetriebe Üstra mit Fahnen und Warnwesten nehmen an einer Verdi-Demonstration teil.
    Die Gewerkschaft Verdi hat am 3. März mit Warnstreiks den öffentlichen Nahverkehr in zahlreichen Städten in mehreren Bundesländern lahmgelegt (picture alliance / dpa / Moritz Frankenberg)
    Eine „gefährliche Grenzüberschreitung“ sehen die Arbeitgeber in der Streik-Kooperation zwischen den Klimaaktivisten und -aktivistinnen und der Gewerkschaft Verdi, denn politische Streiks seien in Deutschland rechtswidrig. Das Vermischen von Arbeitskämpfen und allgemeinpolitischen Zielen sei ein Spielfeld jenseits der in Deutschland geregelten Tarifautonomie, so der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter.
    Das ist grundsätzlich zwar richtig, trifft aber nicht auf die Warnstreiks in Verbindung mit den Klimaprotesten zu. Die Gewerkschaft hat ihre Mitglieder zu Warnstreiks aufgerufen, weil die Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde ein: „völlig indiskutables“ Angebot vorgelegt hätten, heißt es zur Begründung. Die Beschäftigten würden sich das nicht gefallen lassen und für ihre Forderungen kämpfen.

    Gutes Recht der Gewerkschaft derzeit zu Warnstreiks aufzurufen

    Unerheblich ist an diesem Punkt, wie man den Verlauf des Tarifkonfliktes bewertet; ebenso, ob die Reaktion Verdis auf das Angebot der Arbeitgeber angemessen ist oder nicht. Fakt ist: Es reicht der Gewerkschaft nicht, also kann und darf sie zu Warnstreiks aufrufen. Das ist ihr gutes Recht.
    Den gemeinsamen Aktionstag von Verdi und Fridays for Future wolle man nutzen, um auf die Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs im Kampf gegen die Klimakrise aufmerksam zu machen. Die Verbindung zwischen beiden Streiks schafft die Gewerkschaft hauptsächlich über das Wörtchen „gleichzeitig“. Neben den Warnstreiks fand gleichzeitig auch der globale Klimastreik von Fridays for Future statt. Das ist unverfänglich. Die Gleichzeitigkeit kommt Verdi aber natürlich gelegen.

    Je mehr Menschen protestieren, desto mehr Aufmerksamkeit

    Denn die Gewerkschaften verzeichnen seit Jahrzehnten einen Mitgliederschwund – vor allem fehlt es an jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. So gesehen ist die Kooperation mit der jungen Fridays-for-Future-Generation eine gute Möglichkeit, das althergekommene Gewerkschafts-Image aufzupolieren. Und je mehr Menschen protestieren, desto mehr Aufmerksamkeit und potenziell Druck – auf die Tarifpartner ebenso, wie in Richtung einer klimaneutralen Mobilität.
    Eine künftig klimaneutrale Mobilität ist im Übrigen notwendig - aus diesem Grund ist die gemeinsame Aktion auch inhaltlich zu begrüßen. Je breiter der Konsens, den Kampf gegen die Klimakrise entschieden und schneller aufzunehmen, desto besser. Dass dazu auch ein deutlich besser funktionierender, ein auch in dünn besiedelten Regionen ausgebauter Nahverkehr gehört, ist offenkundig. Eine konkrete Forderung der Gewerkschaft lautet in dieser Hinsicht:  Personalmängel zu beseitigen. Und zentrale Hebel für mehr Personal liegt in attraktiven Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung. Und damit ist man auch hier wieder – oder immer noch – auf dem Spielfeld der deutschen Tarifautonomie.
    Porträt: Mischa Ehrhardt
    Mischa Ehrhardt, geboren 1974 in Bayern, studierte Philosophie und Soziologie in Tübingen und Frankfurt. Nach seinem Studium absolvierte er ein Volontariat an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin. Es folgten Moderationen und Planung von Wissenschafts- und Mediensendungen beim Hessischen Rundfunk, dort war er lange Jahre dann als Wirtschaftsjournalist tätig. Nach sechs Jahren im ARD-Börsenstudio für das Radio arbeitet er schließlich als Wirtschaftskorrespondent für den Deutschlandfunk in Frankfurt.