Kommentar
Zu wenig Zeit für Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen

Das Thema Abtreibung birgt immer noch gesellschaftliche Sprengkraft – auch wenn eine Expertenkommission sich für eine Liberalisierung ausgesprochen hat. Dass diese nun nicht kommt, ist dem Ampel-Aus geschuldet.

Gudula Geuther |
Anlässlich der Sachverständigenanhörung vom Rechtsausschuss demonstrieren Bündnisse für sexuelle Selbstbestimmung und für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vor dem Paul-Löbe-Haus.
Eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wird es so schnell nicht geben. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
Das Thema Abtreibung zerreißt die Gesellschaft nicht mehr so sehr, wie das noch vor dreißig, vierzig Jahren der Fall war. Das mag auch daran liegen, dass der Einfluss der Kirchen schwindet – und dass die Evangelische Kirche ohnehin offen für Reformen ist. Es mag auch eine Rolle spielen, dass die derzeitige Regelung halbwegs eingespielt ist, nach der der Schwangerschaftsabbruch ohne Indikation in den ersten Wochen rechtswidrig, aber straffrei ist, wenn die Bedingungen eingehalten werden. Vor allem also, wenn sich die Schwangere beraten lässt und die Wartefrist einhält.
Aber trotzdem, auch wenn es bei der Auseinandersetzung wohl für die meisten nicht mehr um den tiefgreifenden Kulturbruch geht wie früher – der Konflikt ist alles andere als beigelegt. Wie diametral die Anschauungen aufeinanderprallen, zeigte gerade eben die Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages. Gegner und Befürworter einer Entkriminalisierung der Abtreibung in den ersten Wochen der Schwangerschaft fanden weder bei den Fakten – wie gut ist die Versorgung, was bewirkt eine Wartefrist - noch bei der Bewertung zueinander. Und gleichzeitig ist klar: In Teilen Deutschlands ist es für Frauen nicht einfach, Informationen und Termine zu bekommen.

Unterschiede in der Versorgung

Die Wege sind gerade im Süden der Republik oft weit. Dabei geht es oft nicht um Bequemlichkeit; etwa dann nicht, wenn die Menschen, mit denen die Schwangere im Haushalt lebt, von Schwangerschaft und Abbruch nichts wissen sollen. Oder, wenn nur wegen der Verzögerung bestimmte Methoden des Abbruchs nicht mehr angewendet werden können. Das sind Gründe, warum sich so viele für ein neues Abtreibungsrecht engagieren, ebenso wie die Befürchtung, dass die Aufmerksamkeit für feministische Themen schwindet.
Die Gegenseite macht geltend, dass die angestrebte Entkriminalisierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. Die muss nicht ewig weiter gelten, vieles spricht dafür, dass heutige Richter auch nicht bei ihrer sehr strengen Haltung zum Lebensschutz bleiben würden. Trotzdem sind auch solche rechtlichen Zweifel ein Grund für eine sehr ernsthafte Befassung. Gerade die hatte die Ampel angestrebt, als sie eine interdisziplinäre Kommission aus Expertinnen eingesetzt hat. Leider geschah das zu spät. Das klare Votum der Fachfrauen für eine Liberalisierung wurde anfangs auch von Befürworterinnen zögerlich aufgenommen.

Chance vertan

Die verkürzte Legislaturperiode tat ein Übriges. Schon dadurch war die Chance vertan. Nicht nur, weil das Gesetz jetzt auf den letzten Metern gescheitert ist. Denn jetzt wäre nur die Kampfabstimmung ohne weitere Diskussion und mit knappen Mehrheiten geblieben. Auch wenn eine Liberalisierung in der nächsten Legislaturperiode mit neuen, vermutlich konservativeren Mehrheiten nicht einfacher wird – so wäre man einem solchen gesellschaftlichen Konflikt nicht gerecht geworden.