Donnerstag, 18. April 2024

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Kommentar zum 49-Euro-Ticket
Attraktivitätsschub für den öffentlichen Nahverkehr

Das Deutschlandticket ist ein starkes Bekenntnis zum öffentlichen Nahverkehr und mache diesen attraktiver, kommentiert Jörg Münchenberg. Dem müssten aber weitere Schritte folgen. Denn im öffentlichen Nahverkehr seien etliche Probleme nicht gelöst.

Ein Kommentar von Jörg Münchenberg | 01.02.2023
Symbolbild und Themenbild des neuen 49-Euro-Deutschland-Tickets: Handy mit dem Logo Deutschlandticket
Das Deutschlandticket für 49 Euro soll nach dem Willen von Bund und Ländern ab dem 1. Mai starten (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
Deutschland kann Fortschritt. Oder anders formuliert: Manchmal haben Krisen auch etwas Gutes. Denn letztlich wird es das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr nur geben, weil sich zuvor das Neun-Euro-Ticket im vergangenen Inflationsrekord-Jahr bewährt hat. Bund und Länder haben sich diesen Erfolg zum Vorbild genommen und jetzt eine gute Nachfolgelösung gefunden, die zum 1. Mai an den Start gehen wird.
Zudem ist das mehr als nur ein günstiges Angebot, um per Bus oder Bahn im Nahverkehr von A nach B zu kommen. Es dürfte wohl kaum jemand geben, der sich nicht schon einmal im Tarifdschungel der 75 Verkehrsverbünde hoffnungslos verirrt hat. Der an den komplizierten Tarifsystemen verzweifelt ist und vielleicht auch deshalb lieber ins Auto gestiegen ist, anstatt die klimafreundliche Variante zu nutzen.

Ein Ticket für ganz Deutschland, wenn auch teurer als sein Vorbild

Das wird größtenteils zum 1. Mai der Vergangenheit angehören. Ein Ticket für alle Verkehrsverbünde. Ganz gleich, wie oft und welche Strecke im öffentlichen Nahverkehr genutzt wird. Das Deutschlandticket bedeutet also erst einmal einen ungeheuren Attraktivitätsschub für den ÖPNV, auch wenn es deutlich teurer ist als sein großes Vorbild.

Das dürfte auch dazu führen, dass am Ende nicht so viele Menschen auf Bus und Bahnen umsteigen werden wie im letzten Jahr. Was aber letztlich auch mit der Finanzierungsfrage zu begründen ist. Schon jetzt werden Bund und Länder drei Milliarden Euro pro Jahr zuschießen müssen, um einen finanziellen Kollaps der Verkehrsbetriebe zu verhindern.

Dennoch wird es auch hier besondere Angebote geben: etwa für Schüler, Studenten und Azubis. Und auch für diejenigen, die sich das 49-Euro-Ticket schlicht nicht leisten können. Zudem können Unternehmen mit einem überschaubaren Zuschuss die Attraktivität des Tickets für ihre Beschäftigten deutlich erhöhen. Und damit auch einen kleinen Beitrag wenigstens für ein bisschen mehr Klimaschutz im Verkehrssektor leisten, der chronisch alle CO2-Minderungsvorgaben Jahr um Jahr verfehlt.

Unterfinanzierung, Unpünktlichkeit und schlechte Verbindungen

Natürlich wird das 49-Euro-Ticket nicht die strukturellen Probleme im öffentlichen Nahverkehr beseitigen, mit denen vor allem die ländlichen Regionen zu kämpfen haben. Die chronische Unterfinanzierung, schlechte Verbindungen und mangelnden Pünktlichkeit bleiben eine Daueraufgabe, die am Ende nur mit höheren Investitionen gelöst werden können.
Man kann es aber auch positiv wenden: Das Deutschlandticket ist erst einmal ein starkes Bekenntnis zum öffentlichen Nahverkehr, dem jetzt weitere Schritte folgen müssen. Und vielleicht gelingt es ja auch über dieses neue Angebot, das das vielfach noch analog funktionierende Deutschland und seinem bisweilen exzessiv gepflegten Föderalismus auch ein bisschen moderner wird.
Jörg Münchenberg
Jörg Münchenberg, geboren 1966; studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Kanada und Nürnberg-Erlangen. Seit 1997 beim Deutschlandfunk als Moderator und Redakteur zunächst in der Wirtschaftsredaktion; später Korrespondent im Berliner Hauptstadtstudio und europapolitischer Korrespondent in Brüssel. Nach einer Station im Zeitfunk derzeit wieder im Berliner Hauptstadtstudio.