
Ampel-Aus, niedrige Umfragewerte, drei desaströse Landtagswahlen und dann noch ein Wechsel an der Parteispitze: Bündnis 90/Die Grünen startete im Krisenmodus in den Wahlkampf.
Doch dann vermeldeten Zeitungen Rekorde bei den Parteieintritten – und auch die Umfragewerte stiegen: von anfänglich etwa zehn auf bis zu 14 Prozent. „Hätte nicht besser laufen können für uns“, sagte Spitzenkandidat Robert Habeck Anfang Januar – und gab sich zuversichtlich, noch ein paar Prozentpunkte mehr zu holen. Doch im Endspurt stagnierten die Zustimmungswerte.
Woran liegt das? Konnten die Grünen in der Migrationsdebatte nicht punkten? Hat die Partei ihr Herzthema Klimaschutz vernachlässigt? Oder hat Spitzenkandidat und Realo Robert Habeck zu sehr auf einen Kurs der Mitte gesetzt und den linken Parteiflügel außer Acht gelassen?
Wie schlägt sich Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck?
Noch vor einigen Jahren wurde Habeck als großer Erklärer und zukünftiger Kanzler gefeiert. Als Habeck Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler der Ampel-Regierung wurde, mehrte sich dann die Kritik. Am schädlichsten für ihn und seine Partei war wohl die emotionale Debatte über das vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Heizungsgesetz. Das mache „Robert Habeck vom Liebling der Nation zur Hassfigur“, so titelte der „Spiegel“ Ende 2023.
Im Wahlkampf kann Robert Habeck aber noch immer große Zustimmungswerte verzeichnen: Bei der Frage, wen sie am liebsten als Bundeskanzler hätten, liegt der Grünen-Spitzenkandidat in einer Umfrage vom 14. Februar 2025 mit 24 Prozentpunkten auf Platz zwei hinter Friedrich Merz.
Ihren Wahlkampf-Endspurt hat die Partei deswegen – dem „Spiegel“ zufolge – ganz auf den Spitzenkandidaten ausgerichtet.
Dabei regt sich gegenüber dem Mitte-Kurs von Realo Habeck parteiintern durchaus Kritik – vor allem beim linken Flügel. Beispielsweise als er nach dem Attentat von Aschaffenburg einen Zehn-Punkte-Plan veröffentlichte und darin mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden sowie eine „Vollstreckungsoffensive für Haftbefehle“ forderte. Asylverfahren müssten „drastisch“ beschleunigt, nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle „konsequent“ abgeschoben werden. Recht harte Worte für einen Grünen-Politiker.
Unter anderem die Grüne Jugend legte daraufhin in Abgrenzung zu Habeck ein eigenes Papier mit dem Titel „Humanität durch Sozialstaat“ vor.
Auf welche Inhalte hat Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkampf gesetzt?
Bei der Bundestagswahl 2021 hatte Bündnis 90/Die Grünen das Klima in den Vordergrund gestellt, bei der Europawahl den Schutz der Demokratie. In diesem Bundestagswahlprogramm steht die Wirtschaft über allem.
„Wir machen das Leben bezahlbar“ – unter diesem Motto möchten die Grünen den Mindestlohn auf 15 Euro anheben, die Mietpreisbremse verlängern und ausweiten – und günstigere Strompreise durch Netzausbau und eine Senkung der Stromsteuer erreichen.
Das Deutschlandticket soll für 49 Euro beibehalten werden. Außerdem setzen die Grünen auf staatliche Investitionen, unter anderem in das Bahnnetz, den öffentlichen Nahverkehr, in den Erhalt von Straßen und Brücken, in Kitas, Schulen, Hochschulen und die Forschung. Finanziert werden soll dies über einen sogenannten Deutschlandfond.
Um die deutsche Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, soll außerdem eine Investitionsprämie eingeführt werden. Fünf Jahre lang sollen alle Investitionen mit zehn Prozent gefördert werden.
Die Grünen wollen außerdem gerechtere Steuern, bei denen Superreiche mehr zahlen müssen. Zudem setzen sie sich für eine globale Milliardärssteuer ein.
Darüber hinaus wollen die Grünen die Sicherheitsbehörden stärken, sich für ein starkes Europa einsetzen und die Ukraine weiterhin auf diplomatischer, finanzieller, humanitärer und militärischer Ebene unterstützen. Der Verteidigungsetat soll erhöht werden.
Das Thema Klimaschutz scheint im Wahlkampfprogramm dagegen fast ein wenig versteckt zu werden. „Wir setzen natürlich auch aufs Klima und gerade auf die Kombination aus Wirtschaft und Klimaschutz“, entgegnete Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner darauf angesprochen. Doch der Klimaschutz müsse sozial ausgestaltet werden.
Deswegen möchte die Partei Investitionen in den Klimaschutz mit dem sogenannten Klimageld sozial abfedern. Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen einen Großteil der staatlichen Einnahmen durch die CO2-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurückbekommen. Das Ziel der Grünen: Klimaschutz und bezahlbares Leben als Einheit, nicht als Gegensatz darzustellen.
Wie sehen die Umfragen für Bündnis 90/Die Grünen aus?
In diesen Bundestagswahlkampf starteten die Grünen mit Umfragewerten von zehn bis elf Prozent und jeder Menge Verunsicherung: Der Ampel-Streit, der darauffolgende Regierungsbruch und das Image als vermeintliche „Verbotspartei“ macht den Grünen zu schaffen. Es sei schon ein bisschen zum Volkssport geworden, Grüne zu hassen, sagte die damalige Parteichefin Ricarda Lang in einem Podcast von „Focus online“.
Dann kam der Aufwind: 30.000 Neuanträge verzeichnet die Partei seit dem Ampel-Aus und mehr als acht Millionen Euro an Spenden, hieß es Ende Januar. Rekordzahlen. Doch so ging es nicht weiter. Irgendwann stagnierten die Umfragewerte. Derzeit liegen die Grünen in den den bundesweiten Wahlprognosen bei 13 bis 14 Prozent.
Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl?
Um zu prognostizieren, wie es mit einer künftigen Regierungsbeteiligung der Grünen aussehen könnte, lohnt sich vor allem ein Blick auf die CDU, die Umfragen zufolge vermutlich stärkste Kraft im neuen Bundestag werden wird.
CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz weiß: Eine absolute Mehrheit wird es nicht geben, er ist also auf Koalitionspartner angewiesen. Die AfD und Die Linke hat die Union klar ausgeschlossen. Ob die FDP ins Parlament einziehen wird, ist ungewiss. Und CDU und BSW scheinen auf Bundesebene nur schwer vereinbar.
Es bleiben also nur SPD und Grüne als mögliche Koalitionspartner. Doch das könnte schwer werden, seit die Union-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag zur Abstimmung gestellt hat – und dabei in Kauf nahm, dass eine Zustimmung nur mit Stimmen der AfD zustande kam.
Von einem massiven Präzedenzfall und einer großen Zäsur, sprach Grünen-Parteichefin Franziska Brantner danach. Trotzdem sei ihre Partei „weiterhin bereit für eine Regierung der demokratischen Mitte“.
Auch Spitzenkandidat Robert Habeck betonte die Gemeinsamkeiten mit möglichen Koalitionspartnern – und sagte weiter: „Ich bin fest davon überzeugt: Man kann große inhaltliche Differenzen überbrücken, wenn die Menschen vertragsfest sind, absprachefest, nicht versuchen, in der Regierung gegen die Regierung zu arbeiten.“
Zwar hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einem schwarz-grünen Bündnis auf Bundesebene bereits eine Absage erteilt, CDU-Chef Friedrich Merz lehnt es hingegen nicht grundsätzlich ab.
Nur die SPD als möglichen Koalitionspartner zu benennen, wäre für die Union strategisch unklug – das würde den Sozialdemokraten einen deutlichen Vorteil bei möglichen Verhandlungen verschaffen. Außerdem könnte die CDU nach der Wahl auch auf zwei Koalitionspartner angewiesen sein. Ob Söder also bei seinem Nein zu den Grünen bleibt, steht in den Sternen.
lkn