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Kommentar zu Corona-Maßnahmen
Einrichtungsbezogene Impfpflicht lief ins Leere

Kaum Nutzen, viel Schaden: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hätte schon vor Monaten wieder einkassiert werden müssen, kommentiert Henry Bernhard. Um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, müssten Bund und Länder endlich einheitliche Regelungen finden.

Ein Kommentar von Henry Bernhard | 28.12.2022
Eine Pflegerin betreut eine Bewohnerin eines Pflegeheims
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat den Druck aufs Pflegepersonal erhöht (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
Von einem Kollateralschaden spricht man gemeinhin, wenn etwas, das man als positiv und nützlich erachtet, gleichzeitig auch einen Schaden anrichtet. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht aber ist der reine Schaden - ohne erkennbaren Nutzen. Sie hat Vertrauen in die Politik beschädigt, das Gesundheitswesen und die Pflegebranche verunsichert und die Gesundheitsämter von anderen wichtigen Aufgaben abgehalten.
Dabei war die Idee ursprünglich gut nachvollziehbar. Als die Intensivstationen überliefen, als der Corona-Tod durch die Pflegeheime tobte, als das öffentliche Leben darnieder lag, galt es, noch Schlimmeres zu verhindern. Die Impfung schützt vor schweren Verläufen, damals bot sie auch einen Schutz vor Ansteckung.
Die Idee einer allgemeinen Impfpflicht war also nachvollziehbar, um die Gesellschaft nicht nachhaltig zu lähmen und Gefährdete zu schützen. Logisch war, dort anzufangen, wo der Schutz vor Infektion am wichtigsten war: in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen und Pflegediensten.

Fallstrick allgemeine Impfpflicht

Dann aber kam alles ganz anders: Gesundheitsämter sahen sich nur schwer in der Lage, die Daten der Ungeimpften zu erheben, auszuwerten und Anhörungsverfahren zu eröffnen. Personell ohnehin schon unter Druck stehende Krankenhaus- und Pflegeheimbetreiber fürchteten, dass Gesundheitsämter Betretungsverbote über ungeimpfte Mitarbeiter verhängen würden. Und die Mitarbeiter sahen sich zusätzlich unter Druck gesetzt von angedrohten Bußgeldern bis zu 2.500 Euro, von der realen Möglichkeit, ihre Arbeit zu verlieren.
Parallel dazu mutierte das Virus, wurde weniger gefährlich, aber umso ansteckender, auch nach einer Impfung.
Als der Plan einer allgemeinen Impfpflicht nicht durchsetzbar war, lief die einrichtungsbezogene Impfpflicht vollends ins Leere. Die Gesundheitsminister der Länder und ihnen nachfolgend die Gesundheitsämter sannen nach Möglichkeiten, die Konsequenzen des Gesetzes abzumildern, zu umgehen, zu verzögern, zu ignorieren.
Mit gewissem Erfolg: Betretungsverbote wurden nicht ausgesprochen, nur wenige und niedrige Bußgelder verhängt.

Bund blieb Verlässlichkeit schuldig

Der Schaden aber blieb: Manche kündigten entnervt, andere verloren das Vertrauen in den Staat, dringend benötigtes Personal kann noch bis zum Jahresende nicht eingestellt werden, wenn es nicht geimpft ist. Und ab dem 1. Januar ist alles wieder wie vor der Impfpflicht.
Das hätte man früher haben können. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hätte schon vor Monaten wieder einkassiert werden müssen, als klar wurde, dass sie kaum Nutzen, aber viel Schaden anrichten würde. Hier hat der Bund die Länder und Kommunen, die Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime im Regen stehen lassen und nebenbei gezeigt, dass es im Zweifel gar nicht gelingt zu kontrollieren, ob seine Gesetze eingehalten werden oder nicht.
So geht Verlässlichkeit nicht.

Es braucht einheitliche Regelungen

Angesichts der Einschätzung renommierter Experten wie Christian Drosten, dass die Pandemie in eine Endemie übergeht, ist es nun dringend nötig, alle Beschränkungen und Vorschriften wie die Maskenpflicht nur noch so lange und nur dort aufrecht zu erhalten, wie es verhältnismäßig ist. Sicher gerade im Gesundheitswesen.
Dafür sollten sich Bund und Länder noch einmal zusammensetzen, um einheitliche Regelungen zu finden. Alles andere ist - wieder einmal - unglaubwürdig und vertrauensschädigend.