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Kommentar: Banken-Turbulenzen
Zu schwache Regeln kosten Vertrauen

Nach der Finanzkrise 2008 wurden strengere Auflagen für Banken eingeführt. Jetzt zeige sich, dass sie im Zweifel wenig nützen, kommentiert Laura Eßlinger von „Capital“. Es brauche mehr Regeln und Kontrollen, damit das Vertrauen nicht verloren gehe.

Ein Kommentar von Laura Eßlinger, "Capital" |
Eine Angestellte der pleite gegangenen Silicon-Valley-Bank in Santa Clara verteilt Papiere an Kundinnen und Kunden der Bank, die am 13. März 2023 vor der Tür auf Einlass warten.
Die aktuellen Probleme im Bankensektor sind zwar andere als 2008, sagt Laura Eßlinger, aber bei der Pleite der Silicon-Valley-Bank waren auch zu lasche Regeln im Spiel. (picture alliance / newscom / UPI Photo / Terry Schmitt)
Wer vertraut, macht sich verletzlich. Das gilt für jede Art von Beziehung, die wir mit anderen Menschen haben, aber auch für unser Finanzsystem. Wir vertrauen den Banken, dass sie mit unserem Geld ehrlich umgehen und es nicht verzocken. Sonst würden wir niemals den Großteil unserer finanziellen Existenz auf ihre Konten legen, und einem unehrlichen Partner gibt man früher oder später den Laufpass.
Vertrauen ist also die wichtigste Währung auf dem Beziehungs- und dem Finanzmarkt. Sobald es einmal angekratzt ist, wirkt das destabilisierend. So wie beim Crash 2008. Damals brachten die Banken durch spekulative Geschäfte unter anderem mit faulen Immobilienkrediten das weltweite Finanzsystem zum Einsturz. Was folgte, waren Krisenjahre, in denen viele Menschen sehr viel Geld verloren.

Zinsänderungsrisiko nicht eingepreist

Jetzt, 15 Jahre später, stehen wir allerdings wieder vor einer Vertrauenskrise – und viele fragen sich, ob sie den Bankenregulierern und Aufseherinnen zu Recht vertraut haben. Die Probleme heute sind zwar andere als 2008 – weil die Silicon Valley Bank nicht wegen fauler Kredite pleitegegangen ist, sondern wegen eines Bank Runs, bei dem Kunden so massenhaft ihr Geld abzogen, bis die Bank schlicht nicht mehr flüssig war. Aber im Silicon Valley hat man ganz offenbar das Zinsänderungsrisiko nicht eingepreist und zu lange auf Niedrigzinsen spekuliert. Dazu ein schlechtes Risikomanagement. So saß die Bank am Ende auf zu vielen Anleihen, die durch die gestiegenen Zinsen zu wenig wert waren, um die Abflüsse auszugleichen. Zu lasche Regeln für die Aufsicht kleinerer Banken taten ihr Übriges – und lassen das Vertrauen weiter bröckeln.
Die Turbulenzen in den USA machen die Finanzmärkte derart nervös, dass sie auf schlechte Nachrichten wie zuletzt bei der Schweizer Großbank Credit Suisse hochsensibel reagieren. Eine toxische Konstellation, in deren Verlauf sich die Credit Suisse diese Woche von der Schweizer Nationalbank sogar 50 Milliarden Franken leihen musste, um das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden zu behalten – und so dem Kollaps zu entgehen. Parallel wickeln die Behörden in den USA die Silicon Valley Bank und zwei weitere kleine Institute ab.

Regelwerk "Basel III" soll Finanzwelt stabiler machen

Wieder also springen Staat und Notenbanken ein, um das Vertrauen in das Finanzsystem nicht vollends zu verspielen. Und sie tun das, obwohl die Regierungen nach der Finanzkrise versprochen hatten, nie wieder mit dem Geld der Steuerzahler Banken zu retten; und Notenbanken, so hieß es damals auch, sollten nie mehr hochriskante Bankgeschäfte nachträglich durch Geldzuschüsse finanzieren. Um diese Versprechen zu garantieren, legten Politik und Regulierer umfangreiche neue Regeln fest für mehr Eigenkapital, höhere Kapitalpuffer und eine Verschuldungsobergrenze. „Basel III“, so heißt dieses Rahmenwerk, soll die Finanzwelt seither stabiler machen, und regelmäßige Banken-Stresstests wollen das überwachen.
Nun liegen die Probleme bei der Silicon Valley Bank und der systemrelevanten Credit Suisse wohl deutlich anders als in der Finanzkrise. Aber die Schieflagen zeigen, dass auch die eingeführten strengeren Regeln im Zweifel wenig nützen. Man will und soll den Banken glauben, wenn sie sagen, dass sie aus 2008 gelernt haben. Aber manchmal ist doch eine stärkere Kontrolle empfohlen.

Nach wie vor fragwürdige Geschäftspraktiken

Denn Vertrauen zu sichern und zu stärken – das fällt den Banken immer noch schwer. Dass die größten US-Banken sich nun bereit erklärt haben, gemeinsam mit einem Milliarden-Paket das nächste taumelnde Institut zu stützen – die First Republic Bank – ist gut. Trotz „Basel III“ laufen in der Bankenwelt aber wohl nach wie vor Geschäftspraktiken, die zumindest fragwürdig sind. Dadurch spielen die Banken und auch ihre Lobby weiterhin leichtsinnig mit unserem Vertrauen.
Die Turbulenzen dieser Woche sind der beste Anlass, um noch einmal darüber zu diskutieren, was die Regulierer den Banken erlauben sollten und was nicht. Zahlreiche Regulierungsmaßnahmen wurden nämlich nach 2008 wieder verworfen und gar nie eingeführt. Dabei könnten auch sie helfen, den Finanzmarkt noch stabiler zu machen. Denn offenbar sind die Regeln an manchen Stellen immer noch zu lax – das schadet der Beziehung zu unserem Finanzsystem massiv, und ist bei einem ohnehin schon angeknacksten Vertrauensverhältnis ein gefährlicher Mix.
Laura Eßlinger ist Redakteurin bei der Wirtschaftszeitschrift "Capital".