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Kommentar: Energiepreisbremse
Spätere Generationen müssen teuer bezahlen

Von den beschlossenen Gas- und Strompreisbremsen profitierten nicht nur diejenigen, die darauf angewiesen sind, sondern fast alle. Die Kosten für dieses Gießkannenprinzip hätten vor allem spätere Generationen zu tragen, kommentiert Jörg Münchenberg.

Ein Kommentar von Jörg Münchenberg | 15.12.2022
Blick auf eine Heizkostenabrechnung
Die Ampel setzt auf das teure Prinzip Gießkanne, weil es viel zu lange dauern würde, zielgerichtet zu helfen, meint Jörg Münchenberg. (picture alliance / Jochen Tack / Jochen Tack)
Nun also ist es geschafft. Im Rekordtempo hat die Ampel den Preisdeckel für Gas und Strom durch das Parlament gepeitscht. Bürger und Unternehmen können ab dem kommenden Jahr darauf setzen, dass die Energiekosten nicht ganz so drastisch steigen werden wie von vielen befürchtet. Doch der finanzielle Aufwand ist immens: Allein die Gas- und Strompreisbremse dürfte die Steuerzahler rund 54 Milliarden Euro kosten.

Längst ist die Ampel in der eigenen Rhetorik gefangen: you never walk alone, der Staat lässt die Bürger nicht im Stich. Das war die zentrale Botschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz im Sommer. Und die klang auch heute im Bundestag immer wieder an. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung an die Koalition – und damit auch der politische Handlungsdruck.
Natürlich ist es richtig, dass der Bund in einer der schwersten Krisen der Republik nicht wegschaut, sondern hilft und abfedert. Nur profitieren eben nicht nur diejenigen, die darauf dringend angewiesen sind. Sondern faktisch fast alle, unabhängig vom eigenen Einkommen und den finanziellen Möglichkeiten. Die Ampel setzt auf das teure Prinzip Gießkanne, weil es viel zu lange dauern würde, zielgerichtet zu helfen.
Das wiederum haben sich SPD, Grüne und FDP selbst zuzuschreiben, weil sie die zuständige Expertenkommission viel zu spät ins Leben gerufen haben. Obwohl schon im Frühjahr absehbar war, dass sich vor allem Gas angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine dramatisch verteuern würde. Für die völlig überzogenen Stützungsmaßnahmen müssen nun spätere Generationen in Form der Schuldentilgung teuer bezahlen.

Ein marktstrategisch riskanter Kurs der Ampel

Das gilt auch für die rückwirkende Verrechnung der beiden Monate Januar und Februar auf die Energiepreisbremse im kommenden Jahr. Die ist eigentlich gar nicht notwendig, weil der Staat schon im Dezember die komplette Abschlagszahlung übernommen hat. Doch nach dem öffentlichen Aufschrei angesichts der angeblichen „Winterlücke“ ist die Ampel schnell eingeknickt. Getreu dem Motto: Auf die paar Milliarden zusätzliche Schulden kommt es jetzt auch nicht mehr an.

Doch die Krisenpolitik von SPD, Grünen und FDP ist nicht nur maßlos teuer – natürlich sind auch die Haushalte, die mit Öl und Holzpellets heizen, nicht vergessen worden –, sondern auch riskant. Gas- und Strompreisbremse inklusive Abschöpfung von Übergewinnen für den Strombereich bedeuten höchst komplexe Eingriffe in den Markt und die Preisbildung. Mit kaum abzuschätzenden Nebenwirkungen.

Daher spricht vieles dafür, dass es im kommenden Jahr bei der konkreten Umsetzung der Energiebremsen reichlich Ärger, Frust und böse Schlagzeilen geben wird, wie schon bei der kläglich gescheiterten Einführung der Gasumlage. Zugleich werden aber viele erwarten, dass die Regierung finanziell weiter in die Bresche springen wird. Krise ist auch 2023 und auch dann wird schließlich gelten: you never walk alone. 
Jörg Münchenberg
Jörg Münchenberg, geboren 1966; studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Kanada und Nürnberg-Erlangen. Seit 1997 beim Deutschlandfunk als Moderator und Redakteur zunächst in der Wirtschaftsredaktion; später Korrespondent im Berliner Hauptstadtstudio und europapolitischer Korrespondent in Brüssel. Nach einer Station im Zeitfunk derzeit wieder im Berliner Hauptstadtstudio.