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Kommentar zur vierten Anklage
Nie war die Gefahr für Trump größer

Donald Trump muss sich erneut wegen versuchter Einflussnahme nach der Wahl 2020 verantworten. Der Prozess im Bundesstaat Georgia könnte für den früheren US-Präsidenten im Gefängnis enden, kommentiert Doris Simon.

Ein Kommentar von Doris Simon |
Donald Trump steht im Juni 2023 bei der Georgia Republican convention am Rednerpult
Donald Trump werde alles daransetzen, sich aus der viertem Anklage herauszuwinden, meint Doris Simon. Doch das könnte schwierig für den Ex-Präsidenten werden. (picture alliance / AP / John Bazemore)
Niemals würde er es zugeben: Aber vor diesem Prozess hat der frühere US-Präsident Angst. Über der Konstruktion der Anklage blinkt, in Verbindung mit den Gesetzen des US-Bundesstaats Georgia, in roten Buchstaben das Wort Gefängnis. Der Prozess in Atlanta könnte das Aus bedeuten für Donald Trumps Versuch, mit Hilfe einer zweiten Präsidentschaft seine Strafverfahren als freier Mann zu verlassen.

Anklage belegt, wie organisiert der versuchte Wahlbetrug war

Staatsanwältin Willis kommt es offenbar nicht auf einen raschen Prozess an, nach zweieinhalb Jahren Ermittlung und der Entscheidung für einen Mammut-Prozess mit 19 Angeklagten. Umso mehr Zeit scheint sie darauf verwendet zu haben, ihre Anklage wasserdicht zu machen.
Immer wieder wirft die Anklage den Beschuldigten vor, sie hätten Falschaussagen gemacht über Wahlbetrug, und Amtsträger aufgefordert, ihre Amtseide und Pflichten zu verletzen. Auf beides stehen im Bundesstaat Georgia harte Strafen. Aber entscheidend könnte sein, dass Staatsanwältin Willis die 19 Verdächtigen auch nach einem Gesetz angeklagt hat, das ursprünglich zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens gedacht war. Sie will die Geschworenen davon überzeugen, dass es eine Verschwörung gab, ein Komplott mit dem Ziel, Donald Trump illegal zu einer weiteren Präsidentschaft zu verhelfen. Die Anklage belegt im Detail, wie organisiert der versuchte Wahlbetrug war.

Nie war die Gefahr für Trump größer

Plastischer kann ein Bild für die Jury nicht sein: Donald Trump als der Boss, der Drahtzieher, der sich selbst die Finger nicht schmutzig macht, seine Mitangeklagten als consiglieri - als Berater -, die Strategien entwickeln und schließlich die Handlager, die sich als falsche Wahlleute anbieten, die Mithilfe beim Stehlen von Wählerdaten leisten oder die Wahlhelferinnen bedrohen und verfolgen. Ein Szenario, das wohl ganz Amerika und die Welt werden verfolgen können: In Georgia gelten Kameras im Gerichtssaal als wichtiger Ausdruck von Transparenz.
Nie war die Gefahr größer für den 77-jährigen Ex-Präsidenten, am Ende im Gefängnis zu landen. Es sind nicht so sehr die hohen Strafen, die ihm drohen. Entscheidend ist, dass Donald Trump selbst als wiedergewählter US-Präsident diesen Prozess nicht einstellen lassen kann. Er hat nur Befugnisse auf Bundesebene, aber nicht in einem Bundesstaat wie Georgia. Deshalb ist auch der letzte Ausweg Selbst-Begnadigung blockiert. Georgias Anti-Mobster-Gesetz verlangt zudem, dass Verurteilte ihre Haftstrafen mehrere Jahre absitzen müssen, bevor sie Bewährung beantragen dürfen.

Das ganze Land sollte in tiefer Sorge sein

Sicher ist: Donald Trump wird alles daransetzen, sich aus dieser Anklage herauszuwinden. Nur mit der Strategie, sich auf sein Recht auf Freie Meinungsäußerung herauszureden, wird ihm dies nicht gelingen. Angst sollten aber nicht nur Trump und seine Mitangeklagten haben. Vier Strafverfahren gegen einen ehemaligen Präsidenten, davon ein gewichtiges, das selbst dann weitergeht, wenn Donald Trump wiedergewählt wird: Das ganze Land sollte in tiefer Sorge darüber sein, wo es derzeit steht.